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Mit dem politischen Globalismus kommt die Postdemokratie

22.11.2020  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Er vertrat die Auffassung, dass der Marxismus sich im Westen (anders als in Russland) nicht durch eine gewalttätige Revolution errichten lasse. Man müsse anders vorgehen, und zwar müsse man das bürgerliche Moral- und Wertesystem umstürzen: Wenn Ehe, Familie, Eigentum, Recht, Grenzen, Nation und christlicher Glaube relativiert und diskreditiert sind, sei der Boden bereitet für den marxistischen Umsturz.

Das Wort Globalismus kann in zweifacher Weise verstanden werden. Zum einen als wirtschaftlichen Globalismus. Er bezeichnet und befürwortet eine zunehmende internationale Arbeitsteilung und das ökonomische Zusammenwachsen der Volkswirtschaften im Zuge eines freien Marktsystems. Zum anderen gibt es den politischen Globalismus. Dahinter verbirgt sich die Auffassung, die Geschicke der Menschheit müssten von zentraler politischer Stelle gestaltet und gesteuert werden, sie dürften nicht den freien Märkten überlassen bleiben.

Ob Wirtschafts- und Finanzkrisen, Klimaerwärmung oder Epidemien: Die Gemeinschaft der Staaten, am besten eine handlungs- und durchsetzungsstarke Weltregierung sollen die Dinge richten, so die politischen Globalisten.

Der Neo-Liberalismus steht für Ideen, mit denen nach den Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs versucht wurde, zu einem freien Marktsystem zurückzukehren. Er fordert ein System, in dem die Produktionsmittel privatisiert sind, in dem sich die Güterpreise frei im Markt bilden können, in dem Wettbewerbsfreiheit herrscht. Der Staat soll der "Schiedsrichter" sein und seine Macht auf ein Minimum beschränkt sein (und zwar auf den Schutz des Eigentums, die Verteidigung der Bürger gegen Angriffe von außen und die Verhinderung von Kartellen und Monopolen).

Der Neo-Liberalismus knüpft an den klassischen Liberalismus an. Während der Liberalismus jedoch konsequent für ein Laissez-fair steht, vertritt der Neo-Liberalismus - wie gesagt - die Ansicht, es brauche einen Staat, der die Regeln des Zusammenlebens setzt und überwacht.


Teil 3: Versuch einer Standortbestimmung

Wie lässt sich vor dem Hintergrund der vorangestellten Begriffe die gegenwärtige Entwicklung der westlichen Welt einordnen? Dazu nachstehend ein (zugegebenermaßen holzschnittartiger) Interpretationsversuch. - In der westlichen Welt ist die Freiheit der Bürger und Unternehmer seit Jahrzehnten auf dem Rückzug. Liberale, kapitalistische Einflüsse auf Wirtschaft und Gesellschaft nehmen ab. Die Volkswirtschaften folgen - die einen mehr, die anderen weniger - dem demokratischen Sozialismus.

Er sorgt dafür, dass der Staat immer größer und mächtiger wird, und er geht Hand in Hand mit dem Interventionismus: Ob Bildung (Kindergarten, Schule, Universität), Gesundheit, Altersvorsorge, Transport, Medien, Recht und Sicherheit, Geld und Kredit, Transport, Umwelt - über-all ist der Staat zum mächtigsten Akteur aufgestiegen.

In den letzten Jahren hat sich der demokratische Sozialismus vielerorts radikalisiert durch das Vordringen marxistischer-kulturmarxistischer Einflüsse. Sie zeigen sich vor allem im Vordringen des politischen Globalismus. Seine Anhänger fordern beispielsweise die Überwindung der Nationen, die Politik der offenen Grenzen, die politisch gesteuerte Wanderung, vor allem aber fordern die politischen Globalisten das Zurückdrängen der individuellen Freiheit, des freien Marktsystems und sein Ersetzen durch staatliche Globalkontrolle. Damit verbunden ist eine Aushöhlung der Demokratie, die sie in eine Postdemokratie überführt - eine nicht überraschende Entwicklung.

Der deutsch-italienische Soziologe Robert Michels (1876-1936) hat 1911 sein Buch "Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie. Untersuchungen über die oligarchischen Tendenzen des Gruppenlebens" veröffentlicht. Darin zeigt er das "Eherne Gesetz der Oligarchie" auf. In der Demokratie kommt es, so Michels, zu Parteigründungen.

Parteien sind Organisationen, und Organisationen bedürfen der festen Führung. Die übernimmt eine kleine Gruppe von Menschen, die gewieft ist und den Willen zur Macht hat. Über kurz oder lang sind es einige wenige, die den Parteiapparat beherrschen. Es bildet sich eine oligarchische Elitenherrschaft heraus, die sich weitgehend gegen Kritik von innen und außen immunisieren kann.

Die Partei-Eliten erhalten Freiräume, sich vom Partei- und Wählervotum abzukehren, ihre eigene Agenda zu verfolgen, etwa mit Lobbygruppen ("Big Business") zu kooperieren oder Unternehmen für politischen Zwecke zu instrumentalisieren ("Governmentalization"). Der Partei- und Wählerwille bleibt dabei auf der Strecke. Die Demokratie - wenn man sich von ihr die Selbstbestimmung der Wähler erhofft - ist daher eine Illusion, so Michels: In der Demokratie kommt es vielmehr zur Herrschaft der Gewählten über die Wähler, der Beauftragten über die Auftraggeber; es kommt zu einer "Oligarchisierung der Demokratie".

Klimapolitik und Corona-Virus sind gegenwärtig die Themen, mit der die politischen Globalisten ihre Agenda verstärkt vorantreiben können: Die Menschen sind verunsichert und haben Angst (auch aufgrund der Informationen, die sie von Medien präsentiert bekommen, die wiederum dem politischen Globalismus zugewandt sind), kann der Staat seine Aktivitäten ohne großen Widerstand auf Kosten bürgerlicher und unternehmerischer Freiheiten und des freien Marktsystems ausweiten. Dies zeigt sich beispielsweise in politischen Plänen für eine "großen Transformation", für einen "Neustart" ("Reset") der Weltwirtschaft, eine "neue Weltordnung", wie sie beispielsweise von den Vereinten Nationen (UN) vorangetrieben werden.

Im September 2015 wurde dazu der Plan der UN "Global Sustainable Development Goals. The 2030 Agenda for sustainable Development" angenommen. Er sieht die Realisation von 17 Zielen vor. Dazu zählen zum Beispiel: Armut und Hunger beenden; Gesundheit für alle; gerechte Bildung; Gleichstellung der Geschlechter; die Ungleichheit soll reduziert und Konsum und Produktion sollen nachhaltig ausgerichtet werden; es gilt, würdige Arbeitsbedingungen zu schaffen; und vor allem ist für den Schutz der Umwelt und des Klimas Rechnung zu tragen. Die wichtige Frage dabei lautet: Wie sollen diese Ziele erreicht werden?

Der UN-Plan enthält keinerlei Hinweise darauf, dass er mit Liberalismus-Kapitalismus, mit Bewahrung der individuellen Freiheit und Selbstbestimmung in die Tat umgesetzt werden soll. Vielmehr scheint man voll und ganz auf staatlichen Interventionismus setzen zu wollen, also auf Zwang in Form technokratischer-bürokratischer Eingriffe in das Wirtschafts- und Gesellschaftsleben. Die ökonomische Theorie kann eine Folgeabschätzung eines solchen Weges bereitstellen: Der UN-Plan, in die Tat umgesetzt, läuft auf das Errichten eines Neo-Sozialismus hinaus, der mit individueller Freiheit und Wohlstand nicht vereinbar ist; mit ihm ist die Postdemokratie eingeläutet.

Sozialistische Projekte - welche Ziele sie auch immer in Aussicht stellen, welche Mittel sie auch zu ihrer Erreichung einsetzen - werden scheitern. Wirtschaften und Gesellschaften, die sich nach sozialistischen Grundsätzen ausrichten, sind nicht überlebensfähig, bringen nicht das, was sich diejenigen, die den sozialistischen Heilsversprechern ins Netz gehen, erhoffen. Ein weltweiter vereinheitlichter Neo-Sozialismus wird der Mehrheit der Menschen großes Leid zufügen, wird die Probleme, die er vorgibt lösen zu können, nicht lösen.

Der politische Globalismus, dem sich viele Staaten der Welt verschrieben haben, stellt eine unheilvolle Entwicklung in Aussicht. Es bleibt daher nur zu hoffen, dass diese Einsicht letztlich doch noch zu einem Umdenken führt.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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