Klimapolitik und Energierohstoffe - ein paar Bemerkungen
07.12.2020 | Markus Mezger
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Viele Länder werden beim Antrieb von PKW wahrscheinlich einen anderen Weg einschlagen. Nach Schätzungen der EIA werden im Jahre 2050 immer noch 1,74 Milliarden Fahrzeuge zumindest teilweise mit Verbrennungsmotor angetrieben. Das wären etwas mehr als 70% der weltweiten PKW-Flotte. Elektrofahrzeuge hingegen würden nur knapp 20% Marktanteil gewinnen können. Andere Marktbeobachter sind da optimistischer. Gemäß Bloomberg New Energy Finance werden rund die Hälfte der verkauften Neuwagen im Jahr 2040 Elektroautos sein. An der gesamten Fahrzeugflotte sollen sie bis dahin einen Marktanteil von rund einem Drittel erreichen. Diese Schätzungen sind volatil und können sich in den nächsten Jahren noch markant ändern. Aber sie zeigen, dass in den nächsten 10 Jahren deutlich mehr als die Hälfte der weltweit verkauften PKW nicht Elektroautos sein werden. Die einseitige Bevorzugung von Elektrofahrzeugen in der EU unterwirft die europäischen Automobilhersteller einer kaum lösbaren Zerreißprobe, zumal die Antriebsart neben Connectivity und autonomen Fahren nur ein Themenfeld im internationalen Wettbewerb ist.
Quelle: EIA International Energy Outlook 2019, Light Duty Vehicle Stock, eigene Darstellung
Umstellung des Energiemix beim Energieangebot ist schwierig und teuer
Die Elektrifizierung der Energienachfrage bei Wohnimmobilien und im Transportwesen ist ein gangbarer Weg im Kampf um niedrigere Schadstoffemissionen. Die Energieanbieter müssen also zunehmend mehr elektrischen Strom bereitstellen. Dies wird aber nur dann einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten können, wenn die elektrische Energie aus regenerativen Quellen gewonnen werden kann und diese Energie effizient zum Endverbraucher gebracht bzw. gespeichert werden kann. Nun sind Stromnetze hochkomplexe Systeme.
In einem Wechselstromsystem müssen einzelne Stromgeneratoren hinsichtlich Frequenz und Spannungsphase exakt aufeinander abgestimmt sein, um nicht gegeneinander zu arbeiten. Die Netzfrequenz beträgt im europäischen Verbundnetz 50 Hertz. Das Netz ist nur dann stabil, wenn Stromverbrauch und -Angebot ständig im Gleichgewicht gehalten werden. Da die Stromnachfrage im Tagesverlauf und auch saisonal schwankt, müssen die Stromanbieter je nach Tages- und Jahreszeit einmal mehr und einmal weniger Strom bereitstellen. Dazu muß die Energieabgabe der Generatoren exakt vorausgeplant werden können, das heißt die Energiequellen müssen zum richtigen Zeitpunkt und im richtigen Umfang Energie liefern.
Bei unvorhergesehenen Verbrauchsschwankungen oder Notfällen muß innerhalb von dreißig Sekunden (Primärregelenergie) bzw. fünf Minuten (Sekundärregelenergie) zusätzliche Energie verfügbar sein, um die Netzstabilität zu gewährleisten.
Die einzelnen Energiequellen eignen sich im unterschiedlichen Maße, die erforderliche Flexibilität bei der Stromerzeugung bereitzustellen. Kern, Kohle- und Wasserkraftwerke liefern eine exakt bestimmbare Energiemenge. Allerdings kann ihre Energieabgabe nur schwer herauf- oder heruntergeregelt werden. Das Anfahren eines Kern- oder Kohlekraftwerkes benötigt viele Stunden, weswegen sie kurzfristige Nachfrageschwankungen nicht ausgleichen können. Dies können Pumpspeicherwerke leisten, die als Energiespeicher fungieren. Bei einem Stromüberschuß nehmen sie durch das Hochpumpen von Wasser Energie von trägen Kraftwerken auf, deren Energie im Netz nicht abgefragt wird.
Bei höherer Nachfrage geben sie sie dann über Wasserkraftturbinen wieder ab. Relativ schnell können auch moderne Gasturbinen reagieren, die binnen weniger Minuten gezündet werden können. Die Grundversorgung oder Grundlast des Stromnetzes, die zu jedem Zeitpunkt gesichert sein muß, übernehmen dementsprechend häufig Kern- und Kohlekraftwerke. Die mittlere Last wird von Steinkohle und Gas & Dampfkraftwerken geleistet, während die schwankungsanfälligere Spitzenlast vor allem Gaskraftwerke abfangen, die im Betrieb aber wesentlich teurer sind als die zuerst genannten Kraftwerkstypen.
Eine Sonderrolle nehmen Windturbinen und Solaranlagen ein. Ihre Energieabgabe kann a priori nicht exakt bestimmt werden, da Windstärke und Sonnenscheindauer von Tag zu Tag sehr stark variieren können. Ihr Beitrag zur der Netzleistung, die in jedem Fall zugesichert werden kann, ist dementsprechend gering.
Das Stromnetz der Zukunft muß also mit einer schwankenden Nachfrage und einem schwankenden Angebot fertig werden. In Deutschland wurde die Problematik so gelöst, dass Wind- und Solarstrom immer Vorrang eingeräumt wurden. Andere Kraftwerke müssen ihre Leistung herauf- oder herunterregeln, je nachdem wieviel Wind- bzw. Sonnenenergie zur Verfügung steht. Je größer der durchschnittliche Anteil von Wind- und Solarenergie, desto mehr konventionelle Kraftwerke müssen als Notfallreserve bereit gehalten werden. Diese Kraftwerke müssen aber auch dann bezahlt werden, wenn sie nicht laufen. Diese Überlegungen zeigen, dass es für den maximalen Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung ökonomische Grenzen gibt.
Die unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Fukushima übereilte und wenig durchdachte Energiewende hat in Deutschland zu allerlei Schildbürgerstreichen geführt. Dazu gehört der Ausbau von Windkraftanlagen ohne den gleichzeitigen Ausbau der Stromtrassen von Nord nach Süd. Bei starkem Wind müssen daher Windkraftanlagen abgeregelt werden. Nach dem Energieeinspeisegesetz (EEG) werden Betreiber von Windkraftanlagen auch für die Energie bezahlt, die sie nicht produziert haben, die sie aber produziert haben könnten, wenn sie nicht abgeregelt worden wären.
Durch den zweitweisen Überschuß von Ökostrom kommt es an den Strombörsen immer wieder zu negativen Preisen. Das heißt Stromkäufer werden dafür bezahlt, dass sie Strom aus Deutschland abnehmen. Im Umkehrfall, bei unzureichendem Ökostrom, muß immer wieder Atomstrom aus Frankreich bezogen werden. Insgesamt werden nach dem EEG bis zum Jahr 2025 wohl mehrere hundert Milliarden Euro ausbezahlt worden sein ohne dass das deutsche Stromsystem wesentlich geringere CO2-Werte ausstößt oder an Versorgungssicherheit gewonnen hat.
Wie läßt sich die Problematik des schwankenden Angebots erneuerbarer Energien lösen? Eine Möglichkeit wären Stromspeicher. Das Potenzial für Pumpspeicherwerke, die ein natürliches Gefälle benötigen, ist durch natürliche Gegebenheiten begrenzt. Batterriespeicher-Kraftwerke haben noch nicht die Kapazität, um in die Lücke zu springen. Die größte Anlage der Welt steht derzeit in Australien und hat eine Nennleistung von 100 Megawatt (MW). Zum Vergleich: In Deutschland existierten im Frühjahr 2020 Kraftwerkskapazitäten mit einer Nennleistung von 221,3 Gigawatt (GW) installiert.
Allein die Kapazität der Pumpspeicherwerke in Deutschland ist mit knapp 10 GW hundert mal so hoch wie die der Anlage in Australien. Neue Batteriespeicher-Kraftwerke entstehen derzeit durch die Weiterverwertung gebrauchter Batterien von Elektroautos. Deren Entsorgung ist ohnehin noch ein ungelöstes Problem der Autobranche. Mehrere deutsche Automobilproduzenten haben kleinere Kraftwerke mit einer Leistung von zumeist wenigen Megawatt Leistung gebaut.
Stromspeicher könnten aber auch in privaten Haushalten zum Einsatz kommen. Private Stromspeicher kommen vor allem in Verbindung mit Photovoltaikanlagen zur Anwendung. Sie bieten eine gewisse Autarkie gegenüber Strompreisen und etwaigen Netzausfällen. In Deutschland waren im Frühjahr 2020 private Stromspeicher insgesamt 1400 MW aufgebaut, Tendenz weiter steigend.
Die EU setzt in ihrem im Herbst 2019 vorgestellten Green Deal auf Wasserstoff als Stromspeicher. Per Elektrolyse wird unter dem Einsatz großer Energiemengen Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Die Energie zur Herstellung wird oft noch durch die Verbrennung von Erdgas gewonnen.