Was Sie über den "Cantillon-Effekt" wissen sollten
26.03.2021 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Weder in den Vereinigten Staaten von Amerika noch im Euroraum konnten im Betrachtungszeitraum die Häuser- beziehungsweise Immobilienpreise mithalten mit dem Anstieg der Geldmengen (Abb. 4 a und b). Man konnte folglich seine relative Vermögensposition nicht erhalten, geschweige denn verbessern, indem man auf Immobilien gesetzt hat. (An dieser Stelle ist allerdings anzumerken, dass die obige Darstellung die Mieteinnahmen nicht berücksichtigt; die Rendite der Immobilien wird folglich unterschätzt. Und vorsichtshalber sei hier auch betont, dass es sicherlich einzelne Immobilien gab (und gibt), die dem Investor einen Vermögensschutz und sogar Vermögenszuwachs beschert haben, nur ist das - wie die Indices zeigen - eben nicht über alle Immobilien hinweg betrachtet der Fall gewesen.)
Ratsam: Edelmetalle
Von 1980 bis etwa 2000 bot das Halten von Gold und Silber keine Möglichkeit, eine Wertsteigerung zu erzielen, die die Zuwachsrate der Geldmenge überstieg (Abb. 5 a und b). Das änderte sich jedoch mit Beginn des 21. Jahrhunderts. Der Anstieg des Goldpreises fiel deutlich höher aus als der Zuwachs der Geldmenge. Mitte März 2021 war das gleiche auch für das Silber festzustellen, wenngleich die zwischenzeitlichen Preisschwankungen hier merklich stärker ausgefallen sind als beim Gold. (Es sei darauf hingewiesen, dass die beiden Graphiken nicht zeigen sollen, ob Gold und Silber derzeit "richtig" bewertet sind, ob sie also zu "teuer" oder zu "billig" sind; dazu ist eine andere Analyse erforderlich.)
Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa. (*) Serien sind indexiert (Jan. ’00 = 100).
Abb. 6 zeigt die Veränderungsraten von Geldmengen, Aktienkursen, Häuserpreisen sowie Gold- und Silberpreisen für unterschiedliche Zeiträume. Ein Ergebnis sticht hervor: Über alle Perioden war das Halten von Geld (in unverzinslicher Form) ein Verlustgeschäft; es hat in der hier betrachteten nominalen Rechnung keine Erträge erzielt, seine Kaufkraft ist in realer Rechnung gesunken. In der langen Frist (1980 bis 2021) hatten die Aktien (USA: +12,7% pro Jahr, Euroraum: +9,9%) die Nase vorn, gefolgt von Häusern (Euroraum: +4,3%, USA: +4,2%) und Gold (+3,2%); Silber erzielte ein negatives Ergebnis (-0,14%). Nur mit Aktien gelang es allerdings, eine Rendite zu erzielen, die über dem Geldmengenwachstum lag.
Das Bild ändert sich in der Phase 2000 bis 2021: Gold (+9,3% pro Jahr) und Silber (+7,9%) schlugen Aktien (USA: +7,1%, Euroraum: +4,7%) und auch Immobilien (USA: 3,2%, Euroraum: 3,1%). Der Zuwachs der Gold- und Silberpreise lag zudem über dem durchschnittlichen Zuwachs der Geldmengen. In der Zeit 2008 bis 2021 erzielten US-Aktien die größten Preiszuwächse (+10,7%), gefolgt von Gold (+7,0%) und Silber (+5,0%); der Preiszuwachs der Edelmetalle reichte nicht ganz an die Zuwachsrate der US-Geldmenge (+8,2%) heran. Zwar gibt dieser kurze "Blick in den Rückspiegel" keine verlässliche Indikation für die künftige Entwicklung. Aber er gibt zumindest überlegenswerte Hinweise.
Quelle: Refinitiv; Berechnungen Degussa. Für Aktien: Performance-Indices (Kurse plus Dividenden). US-Häuserpreise bis Q4 2020, für €-Häuserpreise bis Q3 2020. Edelmetallpreise in US-Dollar pro Feinunze.
Risikoreich: Neues Regime
Die Geldentwertung der letzten zwei Jahrzehnte hat sich vor allem in den Vermögensmärkten gezeigt, tendenziell weniger ausgeprägt im Anstieg der Konsumgüterpreise. Auf den Anleihemärkten sind die Renditen von den Zentralbanken so weit heruntergedrückt worden, dass der Anleger keine positive Realverzinsung mehr erzielte; die Renditen lagen unterhalb des Geldmengenwachstums, so dass für Anleihebesitzer Vermögensnachteile beziehungsweise -verluste die Folge waren. Das Gold war - und spätestens ab Beginn des 21. Jahrhunderts auch das Silber - ein deutlich besseres Wertaufbewahrungsmittel als US-Dollar und Euro (und auch andere ungedeckte Währungen, die hier nicht betrachtet wurden).
Eine Abkehr von der Niedrig- beziehungsweise Nullzinspolitik ist in den kommenden Jahren nicht zu erwarten, und es ist damit zu rechnen, dass die Zentralbanken ihre Politik der relativ hohen Geldmengenausweitung fortsetzen werden - vor allem um die chronisch defizitären Staatshaushalten zu finanzieren. Die Wahrscheinlichkeit ist daher sehr groß, so unsere Einschätzung, dass die Kaufkraft von US-Dollar, Euro und Co noch stärker unter die Räder kommt - durch ein Ansteigen der Konsumgüter- und/oder der Vermögenspreisinflation. Eine fortgesetzte Preisinflation insbesondere auf den Aktien- und Häusermärkten wäre vor diesem Hintergrund alles andere als verwunderlich.
In einem solchen Umfeld werden die natürlichen Geldarten Gold und Silber (wieder) besonders attraktiv. Sie sind für den Anleger eine der wenigen Möglichkeit, dem Cantillon-Effekt die Stirn zu bieten: Wie insbesondere die letzten zwei Dekaden gezeigt haben, erhalten Gold und Silber in Zeiten der zunehmenden Geldentwertung nicht nur die Kaufkraft; sie haben auch das Potenzial, dem Anleger eine reale Wertsteigerung zu bescheren.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH