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Kartelle, Monopole & Bigtech - der andere Blickwinkel

09.05.2021  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Doch das ist ein ganz und gar theoretisches Ergebnis, das im Grunde keine Praxisrelevanz hat, und dass sich auch nicht verallgemeinern lässt. Es schürt vielmehr eine "Angst vor Monopolen" und damit eine "Angst vor den freien Märkten". Doch ganz zu Unrecht! Denn was heißt “Angebotsmonopol”? Es heißt, jemand bietet ein Gut an, für das es keinen Ersatz gibt; und dass das Gut nur vom Angebotsmono-polisten angeboten wird. Dafür gibt es im freien Markt aber im Grunde kein Beispiel!

In einem freien Markt bilden sich stets Substitute heraus. Selbst wenn ein Anbieter ein einzigartiges Gut anbietet, lockt sein Erfolg neue Anbieter an, die das Gut nachahmen, verbessern, durch ein neues und besseres Produkt ersetzen. Das hat Joseph Schumpeter “schöpferische Zerstörung” genannt: Der “Pionier”, der anfänglich eine Art Monopolist ist (und auch sein muss!), wird nachfolgend von der Konkurrenz überholt.

Denkbar wäre ein Monopol nur, wenn es nur noch einen Anbieter für bestimmte Rohstoffe (Urproduktion) gäbe - also wenn es nur noch einen Ölanbieter oder nur einen Wasseranbieter gibt. Mit Blick auf die Ressourcenverteilung auf der Erdkugel ist dieser Fall jedoch irrelevant; und es ist nahezu ausgeschlossen, dass er relevant werden kann.

Die einzigen wirklichen Monopole sind staatlich gemacht: Der Staat vergibt Privilegien. Dazu gehören der Staat selbst sowie insbesondere auch sein Geldproduktionsmonopol. Übrigens: Es sind nicht die objektiven Eigenschaften eines Gutes, die entscheidend sind, ob es ein Monopolgut ist oder nicht. Entscheidend ist die Sichtweise der Nachfrager. Beispiel: Nur Mercedes produziert die Autos mit dem Stern auf der Kühlerhaube. Aber niemand wird ernsthaft behaupten wollen, Mercedes sei ein Monopol. Denn es gibt Ersatzprodukte für den Mercedes wie zum Beispiel BMW, VW, Toyota, etc.

Auch hat die Deutsche Bundesbahn kein Monopol. Sie verfügt zwar über ein eigenes Schienennetz. Aber die Leistung, die sie anbietet, ist, Menschen und Ware von hier nach da zu transportieren. Die Konkurrenz ist Auto, Flugzeug, Busfahren, Zufußgehen.

Die Angst vor dem “Weltmonopolunternehmen” ist unbegründet: Vielfach wird gefürchtet, dass es vielleicht irgendwann einmal eine solche Konzentration geben wird, dass ein Unternehmen alles produziert (“Amazon XXL”). Doch das ist unbegründet. Selbst wenn die durchschnittliche Kostenkurve eines Unternehmens mit steigender Produktion immer weiter fallen sollte, wäre ein Weltmonopolunternehmen (das alles produziert) nicht möglich: Es gäbe dann nämlich keinen Markt mehr und keine Preise. Es wäre eine Art Sozialismus, in dem man nicht kalkulieren kann, und er würde zusammenbrechen.


Das falsche Leitbild der “vollständigen Konkurrenz”

In der Ökonomik wird häufig mit dem neoklassischen Modell der “vollständigen Konkurrenz” gearbeitet. Das ist ein Modell, dass ganz bestimmte Annahmen macht: (1) es gibt ein homogenes Gut, das heißt aus Sicht der Nachfrager sind alle Anbieter gleich gut/klug/innovativ/erfolgreich; (2) jeder Anbieter hat einen verschwindend geringen Marktanteil, er ist Preisnehmer; (3) alle haben vollständige Informationen; (4) freier Marktein- und austritt ist jederzeit möglich; (5) jeder Anbieter bietet die Menge an, bei der der Preis seinen Grenzkosten entspricht (die letzte gerade noch verkaufte Einheit einen Nullgewinn erbringt).

Das ist eine Vorstellungswelt Modell, dass die mit dem Wettbewerb, wie er sich wirklich abspielt, im Grunde so gut wie gar nichts zu tun hat. Sie zeichnet das illusionäre Bild eines Gleichgewichtzustandes, eines Ruhezustands, der aber volkswirtschaftlich beziehungsweise handlungslogisch niemals erreichbar ist.

Das Modell der vollständigen Konkurrenz verkennt zudem, dass es im Wettbewerb immer einige Unternehmer gibt, die Dinge anders und besser tun als andere, die sich Erfolge erarbeiten, die andere nicht haben. Anders gesagt: Es gibt im echten Wettbewerb stets und notwendigerweise so etwas wie Monopolisten auf Zeit, manchmal auch dauerhafte Monopolisten, weil einige Firmen dauerhaft Dinge besser machen als die Konkurrenz. Das ist aber kein Problem für die Kunden, sondern vielmehr ein Segen - denn ohne diese “Monopolisten auf Zeit” wäre ihre Versorgungslage schlechter!


Die unangenehme Wahrheit: Das eigentliche Problem ist der Staat

Der Staat (wie wir ihn heute kennen) ist der territoriale Zwangsmonopolist mit der Letztentscheidungsmacht über alle Konflikte, die auf seinem Gebiet zwischen seinen Unterworfenen und die zwischen ihm, dem Staat, und seinen Unterworfenen entstehen. Machtvolle Sonderinteressengruppen spannen den Staat für ihre Zwecke ein. Das ist das Phänomen des “Rent-Seeking”, der leistungslosen Vorteilssuche. Jeder heischt nach Privilegien. Gerade große Unternehmen beziehungsweise Unternehmensverbände haben die besten Chancen, ihre Interessen durchzusetzen.

Der US-Ökonom Mancur Olson (1932-1998) hat 1965 in seinem Buch "The Logic of Collective Action" aufgezeigt, dass es kleinen Gruppen im politischen/demokratischen Prozess besser gelingt, ihre Sonderinteressen durchzusetzen, als solchen Gruppen, die das Gemeinwohl vertreten. Big Banking, Big Business und Big Tech sind in der Lage, den Staat für sich einzuspannen. Sie bestimmen zum Beispiel die Regulierung ihres Geschäfts maßgeblich mit, durch die sie ihre Marktstellung absichern: Neuen Anbietern wird es erschwert (aufgrund erhöhter Regulierungskosten), in den Markt einzutreten.

Beispiel Bankenregulierung: Hohe Anforderungen für Bankneugründungen, hohe Compliance-Kosten, hohe Controlling-Kosten etc. Und vor allem: “Too Big To Fail” sichert Großbanken bessere Überlebenschancen zu als kleineren Banken.


Der Staat und Google, Facebook, Twitter & Co

Zunächst einmal erklärt sich der Markterfolg der Big Tech Firmen aus der Zufriedenheit der Kunden, die freiwillig und nicht erzwungenermaßen die Dienste dieser Firmen in Anspruch nehmen.

Standard-Reaktion: Der Staat solle Big Tech regulieren oder gar aufspalten (z. B. Google von Google Maps trennen, oder WhatsApp von Facebook etc.). Nachteile: Nutzung von Daten wird vielleicht suboptimal; politische Entscheidungen nicht frei von Korruption/Einflussnahme durch Big Tech; innovativer Fortschritt wird gebremst. Besser ist es, zwischen zwei Kritiken zu differenzieren: 1) Big Tech Firmen sind derart erfolgreich (in Bezug auf Netzwerkeffekte) und finanzstark geworden, dass sie Konkurrenten das Wasser abgraben, sie aufkaufen; und 2) Big Tech betätigen sich politisch (Stichwort: Zensur, Ausschluss von Nutzung etc.).


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