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Kartelle, Monopole & Bigtech - der andere Blickwinkel

09.05.2021  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Zu 1): Die Konsumenten bestimmen, ob Big Tech groß bleibt oder nicht. Es mag naiv klingen, aber niemand ist gezwungen, auf Facebook, Twitter zu sein, bei Amazon zu kaufen oder mit Google zu suchen. Natürlich hat es Kosten, auf die Dienste dieser Firmen zu verzichten (geringere Reichweite etc.). Das ändert aber nichts daran, dass man nicht gezwungen wäre, sie in Anspruch zu nehmen. Die Konsumenten haben es letztlich in der Hand: Anstelle von Google Chrome andere Suchmaschinen verwenden (DuckDuckGo, Brave oder Opera), die weniger Daten sammeln und die Privatsphäre besser achten; oder iPhone und Laptops verstärkt im Sekundärmarkt kaufen (damit Apple weniger verdient); oder von Twitter auf Parler wechseln.

Zu 2): Mit ihren Algorithmen schaffen Google & Co eine “alternative Realität”, bevorzugen politisch linksorientierte Meldungen und unterdrücken anderslautende “konservative Meinungen”. ¹

“Big Tech ist der verlängerte Arm der US-Regierung”. In dieser These sehe ich das zentrale Problem mit Big Tech: die unheilvolle Symbiose zwischen diesen Firmen und dem Staat. Der Staat (Deep State) hat ein vitales Interesse daran, dass Big Tech groß bleibt und dass er Zugang zu den Daten dieser Firmen hat. So gesehen ist das Problem mit Big Tech letztlich ein Problem mit dem Deep State. Big Tech wird unter diesen Bedingungen ein scharfes Instrument im politischen Wettbewerb (im "Wettbewerb der Gauner").

Man muss ernste Zweifel anmelden, ob Google, Facebook & Co überhaupt private Unternehmen im herkömmlichen Verständnis sind. Ihre Aktien werden zwar von Privaten gehalten. Aber: Die geschäftspolitische Ausrichtung dieser Firmen ist nicht nur "privat".

1999 hat der US-amerikanische Geheimdienst die Capital Venture Firma "In-Q-Tel" gegründet. Google und Facebook erhielten aus diesem Kanal ihre Anschubfinanzierung. Der US-Geheimdienst war und ist an User-Daten interessiert, die Google und Facebook einsammeln. Es sind viele vom US-Staat beauftragte Digital-Firmen im Bereich "Interactive Internet Activities" (IIA) tätig (wie zum Beispiel Dynology Corporation, Global Strategies Group, Canadian Global Information). Diese Firmen bedienen sich der Daten von Google, Facebook & Co. Google. Facebook & Co als verlängerter Arm des US-Deep-State?

Der französische Philosoph Michael Foucault (1926-1984) hat in den 1970er Jahren den Begriff "Gouvernementality" (englisch "Governmentality", also die Kombination aus "Regieren" und "Geisteshaltung", oder: "Geisteshaltung regieren") geprägt. Darunter lässt sich verstehen: die Verbreitung der Denkhaltung, der Ideen, die der Staat befürwortet. Der Staat bringt auf diese Weise seine Vorstellung in die Köpfe der Menschen. Diese Aufgabe übernimmt Deep Tech: Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Sinne des Staates; kritische Stimmen werden leiser gedreht oder ganz ausgeschaltet; Ereignisse unausgewogen oder sogar falsch dargestellt; selbst Wahlen lassen sich beeinflussen.


Der Staat in der Kritik

Man merkt: Die Kritik richtet sich an den Staat. Ganz zu Recht, denn der Staat (wie wir ihn heute kennen) ist das eigentliche, das zentrale Problem. Er ist - wie bereits gesagt - der territoriale Zwangsmonopolist mit der Letztentscheidungsmacht über alle Konflikte auf seinem Gebiet.

Ein solcher Staat strebt nach Größe und Macht, nach Ausdehnung, nach unbegrenzter Ausdehnung. Der Philosoph und Ökonom Hans-Herman Hoppe (* 1949) hat das wie folgt auf den Punkt gebracht: Selbst ein Minimalstaat wird früher oder später zu einem Maximalstaat. Ein solcher Staat sorgt dafür, dass nahezu alle Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche politisiert werden. Und wenn alles politisiert wird, entbrennt der Kampf um die Ideen, die Meinungshoheit.

Gibt es einen Staat, wetteifern Regierung, die Politiker, die Sonderinteressengruppen um die Deutungshoheit über das, was gut und richtig ist, was getan und was nicht getan werden sollte. Und genau das ist auch der Grund für die Macht von BigTech oder besser: DeepTech: Es ist der Staat (der territoriale Zwangsmonopolist für die Letztentscheidungsmacht über alle Konflikte auf seinem Gebiet), der den "Wettbewerb um die Herrschaft" schürt, und der die DeepTech-Firmen problematisch werden lässt.

Das wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, welche Funktion, welche Bedeutung Tech-Firmen in einer Privatrechtsgesellschaft hätten, also einer Gesellschaft, in der es keinen Staat gäbe, wie wir ihn heute kennen.


Wie sähe Bigtech ohne Staat aus?

Privatrechtsgesellschaft ist denkbar einfach zu verstehen. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass für alle das gleiche Recht gilt. Für alle gilt das Privatrecht. Es gibt also kein Öffentliches Recht, das über oder neben dem Privatrecht steht. Du und ich, für uns alle gilt das gleiche Recht. Weder Dir noch mir ist das Stehlen erlaubt. Uns ist es nicht erlaubt, unseren Mitmenschen ihre Eigentumsrechte zu verletzen.

In einem Wort: In der Privatrechtsgesellschaft gilt die Eigentumsnorm: Ich akzeptiere Dein Eigentum, und Du akzeptierst mein Eigentum. Wir unterscheiden also zwischen "Mein" und "Dein". In der Privatrechtsgesellschaft gibt es folglich keine Politik in dem Sinne, dass man darum wetteifert, das Eigentum zu relativieren beziehungsweise es zu unterwandern.

In einer Privatrechtsgesellschaft gäbe es also das, was heute gang und gäbe ist, nicht: Die Menschen beauftragen den Staat, um sich auf Kosten Dritter besserzustellen. Der Nutzen von Tech-Firmen wäre in einer Privatrechtsgesellschaft folglich beschränkt darauf, Nachrichten zu verbreiten, Diskussionen zu ermöglichen, Werbung zu platzieren. Tech-Firmen hätten hier keine politische Macht - weil in einer Privatrechtsgesellschaft das Eigentum unantastbar ist, nicht zur Disposition steht.

Es wäre die Funktion der Tech-Firmen, Märkte transparent zu machen und Informationen schneller zu verbreiten, zu verarbeiten zu speichern. Ihre politische Rolle als Zensoren - wie sie in den staatsbeherrschten Volkswirtschaften heute der Fall ist - wäre nicht denkbar.


Staat (wie wir ihn heute kennen) als Problem

Damit komme ich zum Schluss. Ich hoffe, es ist deutlich geworden, dass der freie Markt weder Kartell- noch Monopolsituationen hervorbringt, die gegen die Interessen der Nachfrager verstoßen. Kartell- und Monopolprobleme entstehen allerdings dann, wenn der Staat in die freien Märkte eingreift, sie in ihrer Funktionsweise hemmt.

Vor allem die unheilvolle Liaison des Staates mit Großunternehmen (Big Business, Big Banking), vor allem BigTech ist ein Problem, das seine Ursache nicht etwa in einem freien Märkte hätte. Vielmehr ist es der Staat (wie wir ihn heute kennen), der Kartelle und Monopole ermöglicht, und dessen Liaison mit BigTech im Zeitalter der Digitalisierung und Artificial Intelligence eine ernste Bedrohung für die freie Wirtschaft und Gesellschaft (beziehungsweise dem, was von ihr noch übrig ist) ist. Anders gesprochen: Gelingt es, den Staat auf das Stärkste zurückzubauen, sind auch die in diesem Aufsatz angesprochenen Probleme passé.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


¹ Siehe hierzu z. B. Rectenwald, M., Election Google, 13 November 2020.


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