Was Sie immer schon über Inflation wissen wollten
03.06.2021 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
Inflation ist viel zerstörerischer, viel tückischer, als man denken mag. Dieser Aufsatz gibt einen kurzen Überblick über die Ursache und die wichtigsten Folgen der Inflation; und er entzaubert den Mythos, US-Dollar, Euro und Co seien Wertaufbewahrungsmittel.
Symptome der Inflation
Das Wort "Inflation" stammt vom lateinischen Verb "inflare" ab und bedeutet aufblähen, ausweiten. Heutzutage wird es üblicherweise gebraucht, um das Phänomen steigender Güterpreise zu bezeichnen. Das ist zunächst einmal nicht verkehrt. Denn wenn die Güterpreise sich verteuern, also inflationieren fällt die Kaufkraft des Geldes. Dazu ein Beispiel. Ein Apfel kostet 0,50 Euro. Das heißt, mit 1 Euro können Sie 2 Äpfel kaufen (1 Euro geteilt durch 0,50 Euro pro Apfel). Die Kaufkraft Ihres Euro beträgt also in diesem Fall 2 Äpfel. Steigt der Apfelpreis auf 1 Euro pro Stück, fällt die Kaufkraft des Euro auf 1 (1 Euro geteilt durch 1 Euro pro Apfel). In diesem Sinne bezeichnet Inflation einen Preisanstieg und damit den Rückgang der Kaufkraft des Geldes.
Heutzutage wird die Preisinflation in der Regel anhand von Konsumgüterpreisen ermittelt. Das ist alles andere als unproblematisch. Konsumgüterpreisindizes bilden nicht alle Güterpreise an. So werden die Preise für das Bestandsvermögen - dazu zählen zum Beispiel Grundstücke, Häuser, Unternehmensanteile, Anleihen und anderes mehr - nicht oder unzureichend erfasst werden.
Das wäre dann nicht weiter tragisch, wenn die Inflation der Bestandsgüterpreise mehr oder weniger der Inflation der Konsumgüterpreise entspricht. In diesem Fall würde die Betrachtung der Konsumgüterpreisinflation ein "richtiges Bild" der allgemeinen Güterpreisinflation geben. Das aber muss nicht der Fall sein. Und in den letzten Dekaden war es auch nicht der Fall. Vielmehr sind die Vermögenspreise deutlich stärker gestiegen als die Konsumgüterpreise.
Beispielsweise hat seit Einführung des Euro 1999 bis heute die Kaufkraft des Euro auf Basis der Konsumgüterpreise um etwa 30 Prozent abgenommen. Während man im Jahr 1999 mit einem Euro noch einen Apfel kaufen konnte, bekommt man heute nur noch 0,70 Äpfel für 1 Euro. Wenn man die Häuserpreise zugrunde legt, dann hat sich die Kaufkraft des Euro halbiert: Hat ein Haus 1999 300.000 Euro gekostet, muss man heute 600.000 Euro dafür bezahlen.
Wenn man US-Aktien zugrunde legen, dann ist die Kaufkraft des Euro um schätzungsweise 70 Prozent gefallen. Gegenüber dem Gold beträgt der Kaufkraftverlust des Euro sogar 83 Prozent. Wer also meint, der Euro sei ein Geld, das seine Kaufkraft bewahrt hat, der ist auf dem Holzweg! Die Entwertung des Euro war größer, als es die offiziellen Inflationsmaße anzeigen.
Inflation ist im Kern eine Form der Umverteilung von Einkommen und Vermögen und sorgt für Gewinner und Verlierer. Diese Einsicht bezeichnet man als "Cantillon-Effekt" (benannt nach dem irisch-französischen Ökonomen Richard Cantillon (1680-1734)). Er stellte fest, dass der Erstempfänger des neuen Geldes Güter und Dienste zu noch unveränderten Preisen kaufen kann. Wenn daraufhin das Geld zu weiteren Käufen verwendet wird - sozusagen von Hand zu Hand weitergereicht wird -, um Güter und Dienste nachzufragen, steigen deren Marktpreise an (beziehungsweise sie fallen höher aus im Vergleich zu einer Situation, in der die Geldmenge nicht ausgeweitet worden wäre).
Die Spätempfänger des neuen Geldes haben das Nachsehen: Sie können nur noch zu erhöhten Güterpreisen kaufen. Und die großen Verlierer sind diejenigen, die von der neuen Geldmenge gar nichts abbekommen. Man erkennt: Die Erstempfänger des neuen Geldes sind die Gewinner, die Spätempfänger die Verlierer. Erstere werden auf Kosten der Zweiteren reicher.
Inflation lässt sich auch als eine Steuer verstehen. Der Staat kann bekanntlich zur Finanzierung seiner Ausgaben entweder Steuern erheben in Form von Mehrwert- und Einkommenssteuern. Oder kann er - wenn er das Geldmonopol besitzt - neues Geld selbst drucken und damit Güter und Dienste kaufen. Die Inflationssteuer ist nun allerdings eine politisch besonders attraktive Form der Besteuerung.
Wenn Mehrwertsteuer- und Einkommenssteuern erhöht werden, stösst das meist auf politische Widerstände. Die Menschen merken, dass ihnen genommen wird und begehren dagegen auf. Anders bei einer Inflationssteuer: Wenn die Inflation nicht als solche erkannt oder wenn sie in gewissen Grenzen von den Menschen akzeptiert wird, dann gelangt der Staat "still und heimlich" an immer mehr Ressourcen der Bürger und Unternehmer.
Eine wichtige Rolle dabei spielt die progressive Einkommensbesteuerung. Nehmen wir an, die Inflation steigt. Das bedeutet, dass bei gegebenen Nominallöhnen die realen Löhne sinken. Die Arbeitnehmer werden daraufhin versuchen, höhere Nominallöhne zu bekommen, um den Kaufkraftverlust des Geldes zu kompensieren. Willigen die Arbeitgeber ein und erhöhen die Löhne, rutschen die Arbeitnehmer in eine höhere Steuerklasse.
"Inflation is taxation without legislation." - Milton Friedman.
Symptome der Inflation
Das Wort "Inflation" stammt vom lateinischen Verb "inflare" ab und bedeutet aufblähen, ausweiten. Heutzutage wird es üblicherweise gebraucht, um das Phänomen steigender Güterpreise zu bezeichnen. Das ist zunächst einmal nicht verkehrt. Denn wenn die Güterpreise sich verteuern, also inflationieren fällt die Kaufkraft des Geldes. Dazu ein Beispiel. Ein Apfel kostet 0,50 Euro. Das heißt, mit 1 Euro können Sie 2 Äpfel kaufen (1 Euro geteilt durch 0,50 Euro pro Apfel). Die Kaufkraft Ihres Euro beträgt also in diesem Fall 2 Äpfel. Steigt der Apfelpreis auf 1 Euro pro Stück, fällt die Kaufkraft des Euro auf 1 (1 Euro geteilt durch 1 Euro pro Apfel). In diesem Sinne bezeichnet Inflation einen Preisanstieg und damit den Rückgang der Kaufkraft des Geldes.
Quelle: Refinitiv; Berechnungen Degussa. *Definiert als 1 dividiert durch den Güterpreis(index); Serien sind indexiert (Q1 1999 = 1). Häuserpreise bis Q4 2020, Konsumgüterpreise bis Q1 2021, US-Aktienkurse (Preisindex) und Goldpreis (Euro/oz) Ende Mai 2021.
Heutzutage wird die Preisinflation in der Regel anhand von Konsumgüterpreisen ermittelt. Das ist alles andere als unproblematisch. Konsumgüterpreisindizes bilden nicht alle Güterpreise an. So werden die Preise für das Bestandsvermögen - dazu zählen zum Beispiel Grundstücke, Häuser, Unternehmensanteile, Anleihen und anderes mehr - nicht oder unzureichend erfasst werden.
Das wäre dann nicht weiter tragisch, wenn die Inflation der Bestandsgüterpreise mehr oder weniger der Inflation der Konsumgüterpreise entspricht. In diesem Fall würde die Betrachtung der Konsumgüterpreisinflation ein "richtiges Bild" der allgemeinen Güterpreisinflation geben. Das aber muss nicht der Fall sein. Und in den letzten Dekaden war es auch nicht der Fall. Vielmehr sind die Vermögenspreise deutlich stärker gestiegen als die Konsumgüterpreise.
Beispielsweise hat seit Einführung des Euro 1999 bis heute die Kaufkraft des Euro auf Basis der Konsumgüterpreise um etwa 30 Prozent abgenommen. Während man im Jahr 1999 mit einem Euro noch einen Apfel kaufen konnte, bekommt man heute nur noch 0,70 Äpfel für 1 Euro. Wenn man die Häuserpreise zugrunde legt, dann hat sich die Kaufkraft des Euro halbiert: Hat ein Haus 1999 300.000 Euro gekostet, muss man heute 600.000 Euro dafür bezahlen.
Wenn man US-Aktien zugrunde legen, dann ist die Kaufkraft des Euro um schätzungsweise 70 Prozent gefallen. Gegenüber dem Gold beträgt der Kaufkraftverlust des Euro sogar 83 Prozent. Wer also meint, der Euro sei ein Geld, das seine Kaufkraft bewahrt hat, der ist auf dem Holzweg! Die Entwertung des Euro war größer, als es die offiziellen Inflationsmaße anzeigen.
Inflation ist im Kern eine Form der Umverteilung von Einkommen und Vermögen und sorgt für Gewinner und Verlierer. Diese Einsicht bezeichnet man als "Cantillon-Effekt" (benannt nach dem irisch-französischen Ökonomen Richard Cantillon (1680-1734)). Er stellte fest, dass der Erstempfänger des neuen Geldes Güter und Dienste zu noch unveränderten Preisen kaufen kann. Wenn daraufhin das Geld zu weiteren Käufen verwendet wird - sozusagen von Hand zu Hand weitergereicht wird -, um Güter und Dienste nachzufragen, steigen deren Marktpreise an (beziehungsweise sie fallen höher aus im Vergleich zu einer Situation, in der die Geldmenge nicht ausgeweitet worden wäre).
Die Spätempfänger des neuen Geldes haben das Nachsehen: Sie können nur noch zu erhöhten Güterpreisen kaufen. Und die großen Verlierer sind diejenigen, die von der neuen Geldmenge gar nichts abbekommen. Man erkennt: Die Erstempfänger des neuen Geldes sind die Gewinner, die Spätempfänger die Verlierer. Erstere werden auf Kosten der Zweiteren reicher.
Inflation lässt sich auch als eine Steuer verstehen. Der Staat kann bekanntlich zur Finanzierung seiner Ausgaben entweder Steuern erheben in Form von Mehrwert- und Einkommenssteuern. Oder kann er - wenn er das Geldmonopol besitzt - neues Geld selbst drucken und damit Güter und Dienste kaufen. Die Inflationssteuer ist nun allerdings eine politisch besonders attraktive Form der Besteuerung.
Wenn Mehrwertsteuer- und Einkommenssteuern erhöht werden, stösst das meist auf politische Widerstände. Die Menschen merken, dass ihnen genommen wird und begehren dagegen auf. Anders bei einer Inflationssteuer: Wenn die Inflation nicht als solche erkannt oder wenn sie in gewissen Grenzen von den Menschen akzeptiert wird, dann gelangt der Staat "still und heimlich" an immer mehr Ressourcen der Bürger und Unternehmer.
Eine wichtige Rolle dabei spielt die progressive Einkommensbesteuerung. Nehmen wir an, die Inflation steigt. Das bedeutet, dass bei gegebenen Nominallöhnen die realen Löhne sinken. Die Arbeitnehmer werden daraufhin versuchen, höhere Nominallöhne zu bekommen, um den Kaufkraftverlust des Geldes zu kompensieren. Willigen die Arbeitgeber ein und erhöhen die Löhne, rutschen die Arbeitnehmer in eine höhere Steuerklasse.