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Der Kampf um die Währungshoheit

30.07.2021  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Das ungedeckte Geld ist alles andere als unproblematisch. Es leidet - wie die ökonomische Theorie aufzeigen kann - unter einer ganzen Reihe von ökonomischen und ethischen Defekten. Es ist chronisch inflationär, seine unablässige Vermehrung lässt seine Kaufkraft schwinden. Dabei begünstigt es einige wenige auf Kosten vieler - so gesehen ist es im wahrsten Sinne des Wortes "unsozial". Das ungedeckte Geld sorgt zudem für inflationäre Spekulationsblasen, für Wirtschaftsstörungen ("Boom-und-Bust"), und es führt vor allem auch zu immer größeren Schuldenbergen und zu einem immer mächtiger werdenden Staat auf Kosten der bürgerlichen und unternehmerischen Freiheiten.

Nicht zu vernachlässigen ist zudem die unvorteilhafte Wirkung auf die internationale Arbeitsteilung und den Handel. Die Vielzahl von Währungen und ihre schwankenden Wechselkurse erschweren die internationale Arbeitsteilung, lässt die Treffsicherheit der Wirtschaftsrechnung hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Das Auf und Ab der Wechselkurse, die sich nur allzu leicht von ihrem "Fundamentalwert" fortbewegen können, sorgt für Fehler bei der Kapitalallokation, und auch das geht zu Lasten von Wachstum und Beschäftigung für die weltweite Wirtschaft.

Bei internationalen Handels- und Finanzmarktgeschäften setzt man traditionell auf relativ wenige Währungen. Auch Jahrzehnte nach dem Ende des Systems von Bretton Woods ist der US-Dollar die weltweit bedeutendste Transaktionswährung, allen Unkenrufen zum Trotz.

Beispielsweise lauteten Ende 2019 54,5% aller grenzüberschreitend gehaltenen Bankguthaben auf US-Dollar, nur 25,8% auf Euro und lediglich 2,5% auf japanische Yen; ein ähnliches Bild zeigt sich im internationalen Kreditmarkt. Es ist folglich nicht übertrieben zu sagen, dass die Weltwirtschaft nach wie vor am US-Dollar hängt. Das wiederum ruft - und aus ganz unterschiedlichen Gründen - Forderungen auf den Plan, diesen währungstechnischen Status Quo zu reformieren.


Vorteile einer Einheitswährung

Dabei taucht ein Vorschlag immer wieder auf: nämlich eine einheitliche Weltwährung zu schaffen. Ökonomisch betrachtet wäre das zunächst einmal - wie bereits gesagt - durchaus sinnvoll: Wenn alle Menschen auf der Welt ein einheitliches Geld gebrauchen, dann wird produktive Wirkung des Geldes quasi optimiert. Die Problematik dabei ist jedoch: Wer entscheidet, was als Weltgeld Verwendung finden soll?

Auf diese Frage gibt es zwei grundsätzlich mögliche Antworten: Der freie Markt oder der Staat, die Staatengemeinschaft, entscheidet. Die erste Möglichkeit scheint, wie die Dinge heute stehen, verbaut zu sein. Schließlich haben die Nationalstaaten in ihrem Territorium das Geldmonopol inne. Die Staaten befinden sich also in der "Geldfrage" zweifellos in einer machtvolle(re)n Position als der freie Markt.

Wie eine Welteinheitswährung rein praktisch geschaffen werden kann, das hat beispielsweise der kanadische Ökonom Robert Mundell (1932–2021) anhand der von ihm befürworteten Weltwährung "INTOR" erklärt: Die Wechselkurse der großen Währungen der Welt - US-Dollar, Euro, chinesischer Renminbi und japanischer Yen - sind gegenüber der Rechnungseinheit INTOR zu fixieren und durch eine vereinheitlichte Geldpolitik zu steuern.

Andere Währungen sollen nachfolgend in den INTOR aufgenommen werden. Mundells Konzept ist übrigens bereits zur Anwendung gekommen: Der Euro ist ein Mundell’sches "Weltwährungsprojekt im Kleinen": Im Jahr 1999 wurden 11 nationale Währungen in die Einheitswährung Euro überführt. Was im Kleinen möglich ist, lässt sich natürlich auch "im Großen", auf globaler Ebene, durchführen.

Die zunehmende Digitalisierung des Zahlungsverkehrs und das Aufkommen neuer digitaler Transaktionslösungen könnten sich diesbezüglich als ein Katalysator erweisen. Man denke nur etwa an "Libra", die monetäre Infrastruktur, die vom BigTech-Giganten Facebook angedacht wurde. Ursprünglich sollte Libra ein Korb von nationalen Währungen sein, in enger Anlehnung an das Sonderziehungsrecht (SZR) des Internationalen Währungsfonds (IWF) beziehungsweise die Europäische Währungseinheit (ECU).

Doch gegen die Libra-Idee haben die Staaten und Zentralbanken Einspruch erhoben. Ihnen zufolge darf Facebooks "Stablecoin" kein Währungskorb und damit so etwas wie eine "Weltwährung" sein; sie wollen an ihrem Währungsmonopol festhalten. Libra - mittlerweile umbenannt in "Diem" - darf nur als "Token" für eine einzelne nationale Währung angeboten werden; gestartet wird Diem nun wohl mit einer US-Dollar-Deckung.

Das Aufkommen von Libra/Diem, aber vor allem auch von Bitcoin & Co hat die Zentralbanken zum Gegenangriff animiert. Viele von ihnen wollen digitales Zentralbankgeld (englisch: Digital Central Bank Currency (DCBC)) ausgeben. Das digitale Zentralbankgeld ist zum einen eine Konkurrenz zum Bargeld, es hat das Potential, Münzen und Banknoten zu verdrängen. Zum anderen ist es aber auch ein möglicher Ersatz für Bankguthaben. Das wird etwa dann der Fall sein, wenn Bankguthaben jederzeit 1:1 in digitales Zentralbankgeld eingetauscht werden können: Warum sollte man schließlich sein hart erspartes Geld bei unsicheren Geschäftsbanken parken, wenn man es doch auch bei der sicheren Zentralbank halten kann?

Durch die Eintauschmöglichkeit von Geschäftsbankengeld in digitales Zentralbankgeld treten die Zentralbanken aber nicht nur in Konkurrenz zu Bargeld und Geschäftsbankengeld. Es passiert noch etwas: Wenn Geschäftsbankengeld 1:1 eintauschbar wird in digitales Zentralbankgeld, wird die unzweifelhafte Kreditqualität der Zentralbank - sie kann ja nicht Pleite gehen, weil sie in unbeschränktem Ausmaß Geld zur Bezahlung ihrer eigenen Verbindlichkeiten produzieren kann - auf den Geschäftsbankensektor übertragen.

Im Kern läuft das auf eine staatliche Versicherung der Kreditmarktrisiken hinaus: Die Einführung von digitalem Zentralbankgeld wird in den Kapitalmärkten die Sorgen verpuffen lassen, Geschäftsbanken könnten künftig noch zahlungsunfähig werden.


Schritte in Richtung Weltwährung

Das wird den Anreiz für die Bankvorstände, immer und überall kaufmännisch sinnvolle Kreditentscheidungen zu treffen, verringern. Die Fähigkeit der Märkte, Kreditausfallrisiken angemessen zu bewerten, schwindet beziehungsweise wird verunmöglicht. Die Fehllenkung von Kapital ist die unweigerliche Konsequenz einer solchen de facto Verstaatlichung des Kreditmarktes.

Unter diesen Bedingungen dürfte auch das Interesse privater Investoren abnehmen, Banken neues Eigenkapital zur Verfügung zu stellen: Wer investiert noch sein Kapital, wenn es nicht risikogerecht verzinst wird? Der Staat, der aus Eigeninteresse die Geschäftsbanken liquide halten will, wird bei Eigenkapitalknappheit der Banken in die Bresche springen (müssen) und die benötigten Mittel bereitstellen (müssen); und so wird die Saat für die (Voll-)Verstaatlichung der Banken gelegt.

Die Ausgabe von digitalem Zentralbankgeld könnte sich also als ein bedeutender Schritt erweisen, um eine weltweite Einheitswährung aus der Taufe zu heben.


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