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Der Kampf um die Währungshoheit

30.07.2021  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Unterliegen Banken und Kreditmärkte erst einmal vollends dem "staatlichen Schutz" - vor allem als Folge der breiten Akzeptanz von digitalem Zentralbankgeld -, lassen sich Verwerfungen, die bei einer international koordinierten Geldpolitik und einer daran sich anschließenden Verschmelzung nationaler Währungen in eine Einheitswährung entstehen können, in den Griff bekommen beziehungsweise vermeiden: Wenn die Märkte wissen, dass die Zentralbanken für Kredit- und Zahlungsausfallrisiken der Banken einstehen, dann wird es unabhängig von der Marktsituation kaum Zweifel an der Kreditqualität der Geldhäuser beziehungsweise Spekulationswellen gegen das Vorhaben, ein politisches Weltgeld zu schaffen, geben.

So gesehen könnte gerade die Einführung des digitalen Zentralbankgeldes eine Art Katalysator sein, um die Idee einer einheitlichen Weltwährung tatsächlich in die Tat umsetzen zu können.

Doch ist eine Entwicklung denkbar, in der sich die USA, Europa, China und Japan - um nur die größten Volkswirtschaften zu nennen - bereitfinden, ihre nationale Währungssouveränität zu Gunsten einer Welteinheitswährung aufzugeben? Warum sollte ein Nationalstaat die Hoheit über das Geld aus der Hand geben? Eine zunehmende real- und finanzwirtschaftliche Integration der Volkswirtschaften erhöht zweifellos die ökonomischen Anreize, dem Schaffen einer Einheitswährung zuzustimmen; das Argument, mit einer Einheitswährung lassen sich die Wirtschaftsrechnung und damit Wachstum und Beschäftigung verbessern, kann man nicht so ohne weiteres entkräften.

Zweifelsohne wird natürlich der politische Wille der großen Volkswirtschaften entscheidend sein, deren Bereitschaft und Fähigkeit voranzuschreiten und die übrigen Volkswirtschaften nachzuziehen - selbst wenn letztere nur mit Zähneknirschen einwilligen. Doch werden die Staaten sich in der Geldfrage einig werden?

Eine Antwort darauf lässt sich aus heutiger Sicht nicht mit Gewissheit geben. Allerdings spricht einiges dafür, dass die vergangenen und gegenwärtigen Entwicklungstendenzen in diese Richtung weisen: Wenn die Lösung der drängenden Probleme der Zeit - wie zum Beispiel Finanz- und Wirtschaftskrisen, Terrorismus, Klima und Gesundheit - zusehends der globalen Zusammenarbeit der Staaten anvertraut werden soll, wenn auf Zentralisierung und nicht auf Dezentralisierung gesetzt wird, dann werden auch zusehends die Bedingungen für die Möglichkeit zur Schaffung einer Welteinheitswährung geschaffen.


Eine beunruhigende Aussicht

Die Aussicht auf eine Welteinheitswährung, die von einer von der Gemeinschaft von Staaten getragenen Weltzentralbank monopolisiert wird, ist nun aber alles andere als beruhigend. Vor allem weil es absehbar ein ungedecktes Geld wäre, ein Fiat-Weltgeld. Und das würde nicht nur alle ökonomischen und ethischen Defekte aufweisen, unter denen das nationale Fiatgeld auch leidet, es würde sie auch noch potenzieren und globalisieren.

Mit dem Fiat-Weltgeld kann die Welt zentralbank beispielsweise einen Boom in Gang setzen, der Fehlentwicklungen und Spekulationsblasen größten Ausmaßes verursacht. Und da ein Fiat-Weltgeld eine Konkurrenz hat, kann es stärker inflationiert werden als das nationale Fiatgeld durch die nationalen Zentralbanken; für Bürger und Unternehmer gibt es ja keine Ausweichmöglichkeiten mehr in eine andere Währung, sie sind im Weltgeld sprichwörtlich gefangen.

Mit einer Weltzentralbank wären zudem viele sehr schwierige Entscheidungen verbunden. Beispielsweise die Frage, wie stark die Geldmenge ausgeweitet werden soll und nach welcher Regel. Entwicklungsländer plädieren für eine Ausweitung der Geldmenge pro Kopf, die entwickelten Volkswirtschaften fordern eine am Wirtschaftswachstum orientierte Geldmengenausweitung.

Die Interessenkonflikte, die dabei entstehen, können leicht zu Intrigen, Streit und Zank zwischen den Nationen ausarten. Zudem ist die Missbrauchsgefahr eines staatlichen Weltgeldmonopols erschreckend groß. Die Weltzentralbank kann beispielsweise das Bargeld per Handstreich abschaffen, ohne Kapitalflucht befürchten zu müssen; oder sie kann negative Zinsen erheben und damit eine weitreichende Umverteilung von Einkommen und Vermögen herbeiführen.

Vor allem mit der Verbreitung des digitalen Zentralbankgeldes - das nicht nur das Bargeld, sondern auch das Geschäftsbankengeld beiseite drängt - erhält die Weltzentralbank eine besorgniserregende Machtfülle. Die de facto allmächtige Weltzentralbank kann dann letztlich bestimmen, wer unter welchen Bedingungen Zugang zum Zahlungssystem und zu den Finanzmärkten bekommt und wer nicht; zu denken wäre hier an ein Sozialkredit-System a la China.

Sie kann auch alle finanziellen Transaktionsdaten einsehen (in Zeiten der Künstlichen Intelligenz wird das ein leichtes sein), und die finanzielle Privatsphäre der Menschen wäre endgültig perdü. Allein schon aus diesen Gründen erscheint eine staatlich monopolisierte Weltwährung als ein Wegbereiter für ein tyrannisches System. Doch glücklicherweise ist der Weg in ein Fiat-Weltgeld nicht alternativlos.


Für einen freien Markt für Geld

Die Alternative ist, zur "währungshistorischen Normalität" zurückzukehren und einen freien Markt für Geld zuzulassen, den Menschen also die Freiheit zurückzugeben, ihr Geld selbst auswählen zu können. Die Geldnachfrager wären es dann, die entscheiden, welches Gut sie als Geld verwenden wollen: beispielsweise Gold, Silber oder Kryptoeinheiten.

Um einen freien Markt für Geld zu ermöglichen, sind sämtliche Steuern (Mehrwerts- und Kapitalertragssteuer), die auf die möglichen "Geldkandidaten" erhoben werden, sowie auch Restriktionen, die grenzüberschreitenden Transaktionen entgegenstehen, abzuschaffen. In einem freien Markt werden die Menschen "gutes Geld" nachfragen (sie werden nicht schlechtes Geld nachfragen, genauso wie sie gute Turnschuhe und nicht schlechte nachfragen), und gutes Geld wird sich durchsetzen.

Ganz in diesem Sinne lässt sich das Aufkommen der Kryptoeinheiten interpretieren: Bitcoin & Co sind in einem (relativ) freien Markt, ohne staatlichen Eingriff, entstanden, und sie konkurrieren mit den staatlichen Fiat-Währungen um die Geldfunktion. Auch sind mittlerweile Anbieter für digitalisierte Wertaufbewahrungs- und Zahlungssysteme für Gold- und Silbergeld entstanden.

So gesehen lässt sich sagen: Ein freier Markt für Geld ist nur möglich, er ist im wahrsten Sinne des Wortes "natürlich". Der Kampf um die Währungshoheit im digitalen Zeitalter ist in vollem Gange. Noch haben zwar die staatlichen Währungen die Nase vorn, vor allem weil die "Macht der menschlichen Gewohnheit" dem Staatsgeld in die Hände spielt, aber auch weil die Staaten ihren Währungen steuerliche und regulative Vorteile gewähren, mit denen konkurrierenden Geldarten das Leben bewusst schwer gemacht wird. Doch der Kampf ist noch nicht entschieden.

Wenn Wohlstand und Frieden auf der Welt befördert werden sollen, dann ist die Abkehr vom staatlichen Geldmonopol unausweichlich, gerade auch vor dem Hintergrund der Drohkulisse einer möglichen Welteinheitswährung. Diese Schlussfolgerungen entspringen Erkenntnissen, die die ökonomische Theorie bereithält. Sie wird derzeit leider kaum gehört, wird übertönt von Lehren, die das staatliche Geldmonopol als gut und richtig anpreisen, und die die Idee des freien Marktes für Geld ignorieren oder diskreditieren.

Die Idee eines freien Marktes für Geld lässt sich aber nicht aus der Welt schaffen, wie das Entstehen der Märkte für Kryptoeinheiten nur zu deutlich zeigt, und wie auch die seit Jahrtausend unverrückbare Stellung des Goldes als "Grundgeld der Menschheit" kundtut. Kurzum: Es gibt überzeugende volkswirtschaftliche Gründe, die Suche nach esserem Geld, einen freien Markt für Geld zuzulassen. Denn letztlich geht es bei der Gestaltung des Geldes um eines: das friedvolle und produktive Zusammenleben der Menschen, national wie international, zu befördern.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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