Die Abhängigkeit von der Inflationsdroge wird immer größer
27.08.2021 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Ebenso ist für den langfristig orientierten Anleger das Investieren in Aktien ratsam, im einfachsten Fall durch den Erwerb eines Welt-Aktienmarktindexes oder -ETFs. Auf diese Weise sichert er sich einen Anteil am produktiven Fortschritt, und in einem gewissen Umfang kann er auch damit rechnen, dass die Inflationierung seine Aktienkurse beflügelt und ihn so für die Geldentwertung kompensiert. (Angemerkt sei hier jedoch ausdrücklich: Inflation ist nicht per se gut für alle Unternehmen und deren Aktienkurse. Die ein oder andere Firma kann durch Inflation durchaus in arge Probleme geraten.).Dem Gold kommt letztlich eine ganz besondere Funktion im Portfolio zu: die Versicherungsfunktion. Gold ist das "ultimative Zahlungsmittel", es ist das "Grundgeld der Menschheit", das in keiner Krise wertlos verfallen kann und wird - eine Einschätzung, die sich auf eine schon seit vielen Jahrtausenden währende Menschheitserfahrung stützen kann.
Lieber US-Schuldpapiere als US-Dollar-Guthaben
Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa.
Im Zuge eines "Repurchase Agreement" („Repo“) kauft die Zentralbank Schuldpapiere auf und bezahlt sie mit neu geschaffenem Zentralbankgeld. Gleichzeitig wird dabei vereinbart, das Geschäft zu einem späteren Zeitpunkt rückabzuwickeln.
Ein "Reverse Repurchase Agreement" ("Reverse Repo") bedeutet, dass die Zentralbank den Banken Schuldpapiere verkauft, die diese mit Zentralbankgeld, das sie in ihrer Kasse haben, bezahlen. Gleichzeitig wird - wie beim Repo - vereinbart, die Transaktion zu einem künftigen Zeitpunkt rückabzuwickeln. Durch Repos wird also die Geldmenge im Bankensektor (temporär) ausgeweitet, durch Reverse Repos (temporär) verringert.
Im Zuge ihrer Anleihekäufe hat die US-Zentralbank die Zentralbankgeldmenge im US-Bankensektor gewaltig ausgeweitet - und zwar auf 3,8 Billionen US-Dollar Ende Juli 2021. Die Banken erhalten für Zentralbankguthaben, die sie bei der Fed unterhalten, einen Zins von 0.15 Prozent pro Jahr. Die Kunden der Banken gehen jedoch leer aus. Das betrifft vor allem institutionelle Anleger wie Versicherungen, Hedge Funds, Geldmarktfonds und sonstige Kapitalmarktfonds. Banken müssen nun aber für die (unverzinslichen) Guthaben, die die Kunden bei ihnen parken, teures Eigenkapital vorhalten.
Das hat ganz offensichtlich dazu beigetragen, dass die Banken ihre institutionellen Kunden verstärkt dazu ermutigen, ihre unverzinslichen Guthaben für Reverse Repos zu verwenden. Die Fed verkauft nun Teile ihrer Schuldpapierbestände an zum Beispiel Fonds, die diese mit Guthaben, die sie bei Geschäftsbanken halten, bezahlen.
Durch die Überweisung wird das Zentralbankgeld im Bankensektor verringert - und zwar solange das Reverse Repo andauert. Danach wird das Geschäft rückabgewickelt, die Schuldpapiere wieder an die US-Fed zurückgereicht und die Zentralbankgeldmenge im Bankensystem verringert. Die Käufer der Schuldpapiere verdienen ein paar wenige Basispunkte Zins, offensichtlich genug, um an Reverse Repos mit der Fed teilzunehmen. Die US-Zentralbank kann mit den Reverse Repos die Geldmarktzinsen steuern - und ohne die Reverse Repos ist durchaus denkbar, dass die Geldmarktzinsen mittlerweile auf oder gar unter die Nulllinie gefallen wären - etwas, was man offensichtlich vermeiden will.
Das eigentliche Problem ist jedoch die stark ausgeweitete Zentralbankgeldmenge. Mit ihr verfügt der US-Bankenapparat über ein gewaltiges Kredit- und Geldmengen-Vermehrungspotential. Es lässt sich dauerhaft nur "neutralisieren", indem die US-Fed die von ihr aufgekauften Schuldpapiere (restlos) verkauft. Doch wie würde der Finanzmarkt reagieren, wenn die Fed sich daranmacht, ihr Schuldpapierportfolio dauerhaft abbauen zu wollen?
Die Liquiditätsschaffung war so gewaltig in den letzten Jahren, und die mittlerweile vorherrschende Verschuldungslage ist derart dramatisch, dass ein Abbau der Geldmenge geradezu illusorisch erscheint: Von 1959 bis 2021 wurden knapp 6 Billionen US-Dollar in Form von Zentralbankgeld geschaffen. 86 Prozent davon - also 5,2 Billionen US-Dollar - wurden allein seit Mitte 2008 ausgegeben.
Geldmengenvermehrung außer Rand und Band
Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa. *Bargeld plus Guthaben der Banken bei der Zentralbank.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH