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Was sollte man als junger Mensch auf der Suche nach Freiheit in der heutigen Zeit wissen?

12.09.2021  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Ich habe bereits von freiwilliger Arbeitsteilung gesprochen - und damit im Grunde schon die Verbindung hergestellt zur Freiheit des Individuums. Denn nur derjenige, der die Fähigkeit hat, freiwillig (also mit freiem Willen, aus freien Stücken) etwas zu tun oder zu unterlassen, hat Freiheit im wohlverstandenen Sinne. Die Idee der menschlichen Freiheit ist keine willkürliche, ihre Erklärung bedarf keines Rückgriffs auf irgendwelche übernatürlichen, metaphysischen Erklärungen. Auch das ist etwas, was junge Menschen, die nach Freiheit streben, wissen sollten. Die Freiheit des Menschen hat vielmehr etwas mit Eigentum zu tun.

Ohne Eigentum lässt sich so etwas wie individuelle Freiheit gar nicht denken. Um das zu verstehen, führen wir uns zunächst das vor Augen, was wir über das menschliche Handeln wissen. Wir Menschen handeln unter Knappheit. Das ist keine empirische Annahme, sondern eine Einsicht, die wir handlungslogisch gewinnen können.

Menschen wollen durch ihr Handeln Ziele erreichen. Dazu müssen sie Mittel einsetzen. Mittel sind knapp, und zwar denknotwendigerweise. Wären sie nicht knapp, wären sie keine Mittel (und müssten nicht bewirtschaftet werden). Zeit ist ein Mittel, dass wir einsetzen müssen, um zum Ziel zu gelangen. Jedes Handeln bedarf des Einsatzes von Zeit. Zeitloses Handeln lässt sich widerspruchsfrei nicht denken: Denn dann wären die Ziele sofort und unmittelbar erreicht, und man könnte nicht handeln.

Doch es wäre ein logischer Widerspruch, wollte man behaupten, dass der Mensch nicht handeln kann. Zu sagen “Der Mensch handelt nicht” ist ein Akt des Handelns und widerspricht dem Gesagten. Die Aussage “Der Mensch handelt nicht”, ist ein Widerspruch und damit falsch.

Kurzum: Wir Menschen handeln unter Knappheit, immer und überall. Und es ist das Phänomen der Knappheit, das Konflikte zwischen unterschiedlichen Personen entstehen lässt. Ohne Knappheit gäbe es keine Konflikte. Dann könnte ich beispielsweise heute eine Banane verspeisen, ohne dass ich dadurch meinen heutigen oder künftigen Bananenkonsum schmälere; und ich würde durch den Verzehr der Banane auch nicht deinen heutigen oder künftigen Bananenkonsum verringern.

Aber es gibt nun mal Knappheit, und zwar denknotwendig. Nicht nur erfordert das Handeln den Einsatz von knapper Zeit. Auch der Standort, wo mein Körper sich gerade befindet, ist knapp. Denn die Stelle, wo mein Körper sich befindet, kann von deinem Körper nicht eingenommen werden. Wie geht man mit dem Problem der Knappheit um, die interpersonelle Konflikte verursachen kann? Antwort: Man braucht eine Norm, eine Regel, die Konflikte verhindert, oder wenn sie dennoch entstehen, die sie nach einer einheitlichen Regel beilegt.


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Welche Norm kann das sein? Antwort: Der unbedingte Respekt vor dem Eigentum. Wenn klar ist, was Dir und was mir gehört, dann ist es möglich, Konflikten aus dem Weg zu gehen beziehungsweise, wenn sie dennoch eintreten, sie nach einer für alle geltenden Regel zu schlichten. Eine Norm, die allen Christenmenschen gut bekannt ist, ist das siebte Gebot: “Du sollst nicht stehlen”; und auch das 9. Gebot: “Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus”, sowie auch das 10. Gebot: “Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was dein Nächster hat.”

Wichtig ist an dieser Stelle auch zu verstehen, dass das Phänomen des Eigentums sich mit handlungslogischen Überlegungen erklären und begründen lässt. Wie wir wissen, kann der Mensch nicht nicht handeln. Wir wissen auch, dass Wahrheitsansprüche, die wir machen, im Zuge des Argumentierens entschieden werden. Ich sage “Inflation ist schlecht, weil sie Wachstum und Beschäftigung schädigt”, Du entgegnest mir "Inflation ist gut, weil sie die Schuldner entlastet". Das ist ein Austausch von Argumenten.

Argumentieren ist eine besondere Form des menschlichen Handelns, und man kann nicht argumentieren, dass man nicht argumentieren kann. Der Satz "man kann argumentieren, dass man nicht argumentieren kann", läuft auf einen logischen Widerspruch hinaus und ist damit falsch. Man kann daher vom Apriori des Argumentierens sprechen.

Was heißt a priori? Diejenigen von ihnen, die sich schon einmal mit der Philosophie des Königsberger Philosophen Immanuel Kant (1724-1804) beschäftigt haben, sind sicherlich dem Begriff Apriori begegnet. Mit Apriori sind Aussagen gemeint, die erfahrungsunabhängig als wahr eingesehen werden und die Allgemeingültigkeit beanspruchen können. Anders gesagt: Eine Aussage a priori kann man nicht verneinen, ohne ihre Gültigkeit bereits vorauszusetzen. Ein Beispiel dafür ist der bereits genannte Satz “Der Mensch handelt”.

Ein weiteres Beispiel lautet: Man kann nicht nicht argumentieren. Das Argumentieren lässt sich nicht widerspruchsfrei verneinen, ohne seine Gültigkeit bereits vorauszusetzen. Gehen wir noch einen Schritt weiter: Argumentieren ist an Körperlichkeit gebunden. Um ein Argument zu machen, muss ich Eigentümer meines Körpers sein, muss in der Lage und fähig sein, mein Gehirn, Sprachzentrum, meine Stimmbänder, Arme etc. einzusetzen. Argumentieren setzt Eigentum am eigenen Körper voraus.

Mehr noch: Es setzt auch voraus, dass derjenige, mit dem ich argumentiere, Eigentum an seinem Körper hat. Schließlich muss er ebenfalls seinen Körper einsetzen, um mein Argument aufnehmen und gedanklich verarbeiten zu können und mir etwas zu entgegnen. Und aus dieser Einsicht lässt sich auch das Eigentum an externen Gütern, die zum Erhalt der Körperlichkeit notwendig sind, rati-onalisieren.

Wie lassen sich externe Güter (Land, Nahrungsmittel etc.) erwerben, ohne gegen die Eigentumsnorm zu verstoßen? Das geht auf drei Wegen: 1) Inlandnahme (von Ressourcen, die zuvor von niemand anderem beansprucht wurden), 2) Produktion und 3) Tauschen und Schenken. Zusammenfassend lässt sich sagen: Das Eigentum ist ein Apriori, und es ist Dreh- und Angelpunkt der individuellen Freiheit. Das ist wichtig zu wissen, wenn man die Freiheit verteidigen will.


5.

Wenn man das Eigentum als ein Apriori versteht, dann wird auch die Ungeheuerlichkeit klar, die sich seit Jahr und Tag in unseren Volkswirtschaften abspielt. Denn der Staat (wie wir ihn heute kennen) ist - um einen positive Definition zu verwenden - ein territorialer Zwangsmonopolist mit der Letztentscheidungsmacht über alle Konflikte auf seinem Gebiet, und der sich das Recht nimmt, Steuern zu erheben.

An dieser Stelle sei betont: Niemand (der bei Verstand ist) wird in Abrede stellen, dass ein friedvolles und produktives Zusammenleben der Menschen die Güter Recht und Sicherheit braucht. Damit ist aber noch nicht bewiesen, dass die Güter Recht und Sicherheit vom Staat (zwangs-)monopolisiert werden müssten oder sollten.

Zudem stellt sich folgendes Problem: Derjenige, der sich und sein Eigentum einem territorialen Monopolisten unkündbar und auf ewig unterstellt, ist nicht mehr Eigentümer seiner selbst und seiner Güter, er landet dadurch vielmehr in einer Art Sklaverei. Der Staat, wie wir ihn heute kennen, ist also mit dem Apriori des Eigentums unvereinbar! Ganz augenscheinlich ist das bei der Besteuerung: Steuern sind Abgaben, denen keine konkrete Leistung gegenübersteht. Diese Definition entspricht der des Diebstahls. Das Urteil, Steuern sind Diebstahl, lässt sich vor dem Hintergrund des Apriori des Eigentums nicht entkräften.


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