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Inflation ist keine Naturkatastrophe. Sie ist menschengemacht ...

19.11.2021  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Nun können zwar die von der EZB genannten Faktoren die Güterpreise (einmalig) erhöhen. Jedoch eine Güterpreisinflation - also ein fortgesetztes Ansteigen der Güterpreise auf breiter Front - stellt sich nur dann ein, wenn die Geldmenge in der Volkswirtschaft (stark) zunimmt. Der Blick auf die Geldmengenzahlen zeigt, dass genau das derzeit der Fall ist.

So hat die US-Zentralbank die Geldmenge M2 (Bargeld plus Sicht- und Terminguthaben der Privaten bei den Geschäftsbanken) seit Ende 2019 um etwa 36 Prozent erhöht (Abb. 2 a). Im Euroraum hat die EZB die Geldmenge M3 um ungefähr 18 Prozent ausgeweitet (Abb. 2 b). Die Geldmengenvermehrung hat sich also am "äußeren Rand" deutlich beschleunigt. Wie erklärt sich das?

Als Reaktion auf die politisch diktierte Lockdown-Krise haben die Zentralbanken Schuldpapiere - vor allem Staatsschulden - aufgekauft und mit neuem Geld bezahlt. Die Staaten haben das neu geschaffene Geld ausgegeben - für Arbeitslosenhilfe, Subventionen etc. Das Geld ist auf diesem Wege auf die Konten der Privaten (Haushalten und Unternehmen) gelangt, und dadurch sind die Geldmengen (im hier betrachteten Fall M2 in den USA und M3 im Euroraum) angewachsen.

Die Erfahrung legt nahe, dass sich ein aufgelaufener "Geldmengenüberhang" in steigenden Konsumgüter- und/oder Vermögenspreisen entladen wird. Dieser Prozess hat offensichtlich schon begonnen - wie die anfangs gezeigten Steigerungsraten der Konsumgüterpreise andeuten.

Da der aufgelaufene Geldmengenüberhang nicht mehr von den Zentralbanken "eingefangen" wird, ist zumindest mit einer (längeren) Phase erhöhter Güterpreisinflation zu rechnen; die Inflationswirkung der aufgeblähten Geldmenge ist sozusagen unwiderruflich. Und wie bereits gesagt, die Preisinflation wird sich sehr wahrscheinlich in steigenden Konsumgüter- und/oder Vermögenspreisen zeigen.

Beides setzt die Kaufkraft des Geldes herab: Wenn die Güterpreise steigen, dann bekommt man schließlich weniger Güter für sein Geld. Eine wichtige Frage ist: Bleibt es bei einem "Inflationsbuckel", also einer zeitlich begrenzten Phase erhöhter Preisinflation, nach der die Geldentwertungsraten wieder auf ein geringeres Niveau abfallen?


Das Problem, die Güterpreisinflation zu stoppen

Die Antwort auf diese Frage hängt - wie könnte es anders sein - von der Geldpolitik der Zentralbanken ab. Als Monopolisten der Geldproduktion sind sie es in letzter Konsequenz, die die Geldmenge in der Volkswirtschaft bestimmen. Das Problem mit der Güterpreisinflation ist nun, dass sie, wenn sie erst einmal in Gang gesetzt wurde, nur schwer wieder zu stoppen ist.

Denn das Beenden der Güterpreisinflation erfordert ein Abbremsen der Geldmengenvermehrung beziehungsweise steigende Notenbank- und Marktzinsen. Und das wiederum kann nur allzu leicht eine (erneute) Finanz- und Wirtschaftskrise auslösen, die umso schwerer ausfallen wird, je länger die Inflationsphase angedauert hat.

Vor allem wenn die Zahlungsfähigkeit der Staaten vom Zugang zu Notenbankkrediten abhängt, ist die Gefahr besonders groß, dass es nicht gelingt, frühzeitig, in „weiser Voraussicht“ aus der Inflationierungspolitik auszusteigen. Denn nicht nur die Regierungen, auch die Regierten begrüßen meist die positiven Effekte der Inflationspolitik, die sich anfänglich einstellen: Die Konjunktur stabilisiert sich, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Unternehmensgewinne steigen.

Die Inflationspolitik wird zudem als eine Möglichkeit gesehen, um momentane Schwierigkeiten im Wirtschaftsleben zu umgehen. Die Neigung zur Inflationspolitik rührt nicht zuletzt aus dem Vorherrschen eines kurzfristigen Denkens, das die künftigen Kosten der heutigen Politikmaßnahmen zusehends aus dem Blick verliert.

Im heutigen ungedeckten Geldsystem ist die Inflation keine Naturkatastrophe, sie ist vielmehr menschengemacht: Sie wird aufgrund von fehlerhaften Zentralbankentscheidungen verursacht oder auch mit Vorsatz geschürt. Welche dieser Erklärungen nun im Einzelfall auch zutreffen mag: In den westlichen Volkswirtschaften scheinen die Weichen in Richtung erhöhter Güterpreisinflation gestellt zu sein, wird die "Inflationssteuer", die die Staaten mit ihren Zentralbanken erheben, sehr wahrscheinlich zunehmen.

Für den Anleger heißt das: US-Dollar, Euro & Co werden zum Verlustgeschäft. Und um eine Besserung herbeizuführen, muss die Öffentlichkeit die wahre Ursache der Güterpreisinflation erkennen: die Geldmengenvermehrung durch die Zentralbanken. Und sie muss auch bereit sein, die Kosten, die mit der Abkehr der Inflation verbunden sind, zu tragen. Je schneller die Einsicht kommt, desto besser.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH

¹ EZB: https://www.ecb.europa.eu/explainers/tell-me-more/html/high_inflation.de.html.


Prof. Dr. Thorsten Polleit war Referent der diesjährigen Internationalen Edelmetall- & Rohstoffmesse. Seinen Vortrag können Sie auf dem YouTube Kanal der Edelmetallmesse anschauen. Ebenfalls ist er mit einem Beitrag im Edelmetall- & Rohstoff-Magazin 2021/22 vertreten.


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