Amerikanischer Exzeptionalismus: Gar nicht so exzeptionell für 2022
19.01.2022 | Matt Piepenburg
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Fantasien vs. FaktenApropos Fantasien: Viele Investoren (die tonangebenden Medien dabei in führender Funktion) lehnen die Vorstellung schlichtweg ab, dass der amerikanische Exzeptionalismus (von Afghanistan bis hin zu Zwillingsdefiziten, Externfinanzierung und unfinanzierbaren staatlichen Leistungen) gar nicht mehr so außergewöhnlich ist …
Wie ich jüngst verdeutlicht hatte, sorgt die harte Realität der mathematischen Fakten dafür, dass die Vereinigten Staaten von Amerika schon stärker der deutschen Weimarer Republik ähneln als jenem Schuldenstandsmonster, das auch unter der Bezeichnung "Japan" bekannt ist.
Das heißt jedoch nicht, dass im "exzeptionellen Amerika" gleich Schubkarren voller Geld durch die Gegend fahren und Hyperinflation um sich greift.
Die US-Weltreservewährung von 2022 ist nicht die deutsche Mark von 1923; nichtsdestotrotz lassen sich die Ähnlichkeiten in der Stoßrichtung unmöglich ignorieren, zumindest nicht von denjenigen, die ihren Kopf nicht in den behaglichen Sand der kognitiven Dissonanz stecken oder sich mit ansonsten "gecancellter" Geschichte befassen.
Insofern die US-Politik kein magisches Produktivitätswachstum erzielen kann (in einer Welt des Lockdowns) oder die Notwendigkeit schwerwiegender Ausgabekürzungen ehrlich adressiert, was ihre Wiederwählbarkeit zunichtemacht (viel Glück!), werden die kommenden Jahre von den harten Folgen haushaltspolitischer Sünden geprägt sein, die in der "stärksten Wirtschaft der Welt" begangen wurden.
Ächzen aus der EU
Um fair zu bleiben mit Uncle Sam: Seine Cousins ersten und zweiten Grades in der EU bekommen ebenfalls (wie auch ich mit Blick auf meine Ölrechnung in Frankreich) den vor-rezessiven Druck einer Energiekrise zu spüren, während die Öl- und Gaspreise vor dem Hintergrund Schlagzeilen machender Prognosen über saudische Produktionsrückgänge deutlich ansteigen.
Die Erdgas-Indizes auf der europäischen Seite des Atlantiks schlossen vor Weihnachten mit rekordhohen Abrechnungspreisen.
Putin, der Schachmeister
Russlands Putin spielt Schach, während im Westen Dame gespielt wird mit Lockdowns, Mandaten, Zentralbankenoptik, zur Schau gestellter Tugend/Angst wegen des Klimawandels, moralische Bedenken (?) hinsichtlich der Ukraine. Und US-Medienlieblinge vergleichen derweil das russische BIP noch abwertend mit den Bruttosozialprodukten von 1 oder 2 amerikanischen Bundesstaaten.
Doch wie immer ignoriert der Westen das qualvolle aber geduldige langfristige Spiel - ein Spiel, das speziell Putin und Russland im Allgemeinen nur allzu gut kennen. Putins Russland hat zum Beispiel große Mengen Öl und deutlich weniger Auslandsschulden als seine selbstgefälligen Gegner in Washington und andernorts.
Ebenso erwähnenswert, für uns aber keinesfalls überraschend, ist die Tatsache, dass Russland auch beim physischen Gold langfristig spielt. Erst vor einem Jahr bestätigte dieser Chart, dass Russlands Devisenreserven von 600 Mrd. $ zu größeren Teilen aus Gold als aus US-Dollars bestehen.
Hmmm.
Weshalb nur diese wachsende Liebe zu einem langfristigen Edelmetall von einem langfristig ausgerichteten politischen und ökonomischen Akteur wie Putin?
Ganz gleich, was man über Putin sagen oder denken mag (und da gibt es vieles), vielleicht weiß dieser vermeintliche Schachspieler mehr über Schulden, grundlegende Wirtschaftsgeschichte, Energiebedarf und echtes Geld als Fed-Chef Powell, und vielleicht zwingt er den amerikanischen Exzeptionalismus gerade, Farbe zu bekennen?
Kurz: Vielleicht ist der US-Dollar einfach nicht mehr, was er mal war, und vielleicht erkennt Putin den zukünftigen Gang der Dinge? Im Kontext globaler Schachspiele wissen die meisten von uns, wer im Spiel "Gold gegen USD" gewinnen würde; das Schachmatt ist jetzt schon absehbar.
© Matt Piepenburg
Kommerzdirektor bei MAM
Dieser Artikel wurde am 03. Januar 2022 auf www.goldswitzerland.com veröffentlicht.