Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Inflation ist keine Naturkatastrophe. Sie ist menschengemacht

18.02.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 3 -
"Schönwetterregeln" gegen Inflation

Man mag hier einwenden: Es gibt doch "Schutzvorkehrungen" im System des ungedeckten Geldes, die den politischen Missbrauch mit der Geldmengenvermehrung verhindern sollen. Als da wären: Die Zentralbanken sind "politisch unabhängig" und haben zudem den gesetzlichen Auftrag, die Inflation niedrig zu halten. In einigen Ländern gibt es sogar Schuldenbremsen, die verhindern sollen, dass die Staaten sich in eine Situation der Überschuldung hineinmanövrieren, die dann eine Inflationspolitik unausweichlich macht.

Es fällt nicht schwer einzusehen, dass die Schutzvorkehrungen "Schönwetterregeln" sind, die im politischen Tagesgeschäft, vor allem in Zeiten der Krise nur allzu leicht ausgehebelt und umgangen werden (können). Beispielsweise haben die Zentralbanken ihr Inflationsziel jüngst "gelockert": Die Inflation soll nicht mehr unter 2 Prozent bleiben, sondern die 2-Prozentmarke soll im "Durchschnitt der Jahre" erreicht werden. Oder: Im Euroraum wurde der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der den Weg in die Staatsüberschuldung verhindern sollte, gleich im März 2020 für unbekannte Zeit ausgesetzt; und die Vereinigten Staaten von Amerika setzen ihren "Schuldendeckel" immer weiter in die Höhe.

Das entscheidende Element, um das Abrutschen in ein "Inflationsregime" aufzuhalten, ist die sogenannte "öffentliche Meinung". Keine Regierung, keine Zentralbank wird sich dauerhaft gegen den Willen der Mehrheit halten können. Jede Art von Politik kann nur solange betrieben werden, wie sie vom Mehrheitswillens geduldet wird, ob nun aus Unwissenheit oder in klarem Bewusstsein der Tatsachen.

Zwei Gründe sprechen gegen ein baldiges Ende der Inflation, lassen sogar eine Verschärfung der Inflation in den großen Volkswirtschaften befürchten. Der erste Grund: Viele Menschen kennen die Kosten der Inflation nicht (mehr). Die letzte Phase der Hochinflation (1970er und 1980er Jahre) liegt schon lange zurück, die Erfahrung mit den Schäden, die die Inflation verursacht, sind daher bei vielen Menschen kaum oder nicht mehr präsent. Das wiederum legt die Befürchtung nahe, dass die Menschen die wahren Kosten der hohen Inflation erst (erneut) erfahren müssen, damit sich Widerstand gegen die Inflationspolitik formieren kann. In der Zwischenzeit kann die Inflationspolitik fortgesetzt werden.

Der zweite Grund: Die wirtschaftliche und politische Abhängigkeit vieler Menschen von Inflationspolitik ist sehr groß geworden. Viele Firmen, viele Arbeitsplätze, viele soziale Errungenschaften hängen an der Fortführung des ungedeckten Geldsystems, und die Inflation wird vermutlich noch weiter ansteigen (müssen), ehe die Bereitschaft in der Bevölkerung sich herausgebildet hat, die mit der Inflationsreduktion verbundenen Anpassungskosten zu akzeptieren. Das Problem dabei ist allerdings: Je länger es dauert, die Anti-Inflationshaltung einzunehmen, desto größer werden die Schäden, und desto höher werden letztlich auch die Anpassungskosten ausfallen.


Inflation: Ein monetäres Phänomen

Das Ganze bedeutet nun aber nicht, dass das ungedeckte Geldsystem sogleich in eine Hoch- oder gar Hyperinflation abrutscht. Das ist zwar nicht ausgeschlossen, aber für die absehbare Zukunft ist es beileibe nicht das einzig denkbare, vermutlich auch nicht das wahrscheinlichste Szenario. Vielmehr erscheint aus unserer Sicht das Folgende recht wahrscheinlich zu sein: Die Güterpreisinflation bleibt in den kommenden Jahren merklich erhöht - zwischen 4 und 6 Prozent, kehrt also nicht mehr auf die 2-Prozentmarke zurück. Sie gerät aber auch nicht gänzlich außer Kontrolle. Anders gesagt: Die Staaten beziehungsweise deren Zentralbanken erheben eine permanent erhöhte Inflationssteuer.

Das käme einer Verschärfung der "Finanziellen Repression" gleich, die seit langem betrieben wird. Sie setzt allerdings voraus, dass die Verschuldung der Staaten nicht eskaliert, nicht vollends aus dem Ruder läuft. Ist das eine realistische Erwartung? Ja, zumindest für die nächste Zukunft. Denn solange die Marktakteure nicht ihre Inflationserwartungen in die Höhe schrauben, also weiterhin den Versprechen der Zentralbanken Glauben schenken, dass die Inflation wieder zurückgeht, erhält die Überraschungsinflation ihre "belebende Wirkung" für die Konjunktur, und sie sorgt vor allem auch für einen andauernden Ressourcentransfer von den privaten Haushalten und Firmen weg und hin zur Staatskasse. Insbesondere das Fortführen einer Zinspolitik, die den Realzins (also den inflationsbereinigten Nominalzins) im negativen Territorium belässt, erlaubt es den Staaten, sich auf Kosten ihrer Gläubiger zu entschulden.

Doch das "Spiel mit der Inflation" ist natürlich alles andere als unproblematisch, es ist und bleibt vielmehr höchst gefährlich. Chronische Inflation schädigt nicht nur die gesamte Volkswirtschaft, lässt Produktion und Beschäftigung hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben, im schlimmsten Fall setzt sie das materielle Wohlstandsniveau herab. Hinzu kommen die nicht minder üblen Folgen für das soziale und politische Zusammenleben. Die Erfahrung zeigt, dass Inflation das Miteinander sprichwörtlich vergiftet, Zustände herbeiführt, die viele Menschen als unsozial und untragbar ansehen. Das gilt umso mehr, wenn die Menschen nicht verstehen, wie es zur Inflation kommt, wenn sie die Ursache der Inflation nicht kennen.

Deshalb sei hier abschließend betont, dass die Inflation nicht wie eine Naturkatastrophe über die Menschen kommt, sondern dass sie menschengemacht ist. Kurz gesagt: Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen. Und weil die staatlichen Zentralbanken das Monopol der Geldproduktion innehaben, sind sie es auch, die die Verantwortung für die Inflation tragen.

Selbstverständlich können zum Beispiel steigende Energiepreise, eine abwertende Währung und Lohnerhöhungen zu steigenden Güterpreisen führen. Aber das Phänomen, dass alle Güterpreise im Zeitablauf in die Höhe steigen, ist nur möglich, wenn die Geldmenge (übermäßig) steigt. Anders gesagt: In einer Volkswirtschaft, in der es kein Geld gäbe, in dem Naturaltausch betrieben würde (also Ei gegen Apfel, Schuh gegen Brot getauscht werden), gäbe es so etwas wie Inflation nicht. Wie man es auch drehen und wenden mag: Inflation ist ein monetäres Phänomen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"