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Das für viele überraschende Ableben von Goldlöckchen

22.09.2007  |  Claus Vogt
Ende der 1990er Jahre fand mit Goldlöckchen ("Goldilocks") eine Figur aus der Märchenwelt Eingang in das Vokabular der Wall Street-Ökonomen. Goldlöckchen steht seither für einen gewissermaßen perfekten Wirtschaftsverlauf. Weder zu heiß, noch zu kalt sollte die perfekte Wirtschaft sein. Nicht zu heiß, damit keine Warenkorb-Inflation entsteht; und nicht zu kalt, damit steigende Unternehmensgewinne ermöglicht werden, der Wirtschaft eine Rezession erspart bleibt und die Aktienkurse steigen. Ende der 90er Jahre sollte Goldlöckchen sogar den Wirtschaftszyklus abgeschafft und ein Zeitalter ununterbrochener Prosperität eingeleitet haben. Die Rezession des Jahres 2001 und die verheerende Aktienbaisse sorgten erstaunlicherweise nur sehr kurzfristig für Zweifel an der Goldlöckchen-Ökonomie. Kaum war der neue Aufschwung erkennbar, schon erlebte der nächste ökonomische Begriff "Goldlöckchen" einen beeindruckenden zweiten Frühling. Dass er der Märchenwelt entlehnt wurde, betrachte ich übrigens als wahrscheinlich unbewusstes Eingeständnis seiner Unsinnigkeit seitens seiner Verfechter.

Am Freitag, den 7. September 2007, so hat es derzeit den Anschein, überraschte Goldlöckchen seine Jünger mit seinem von vielen als überraschend empfundenen Tod. An diesem denkwürdigen Tag wurde die Statistik der neu geschaffenen Stellen am USArbeitsmarkt veröffentlicht. Statt der von den befragten Ökonomen im Durchschnitt erwarteten 100.000 neuen Stellen gingen im August 2007 4.000 Arbeitsplätze verloren. Damit hat die Wirtschaft jetzt ein klares Signal gegeben, dass das Goldlöckchen-Szenario ad acta gelegt werden muss und die Wirtschaft - wie von den weitgehend ignorierten Frühindikatoren angekündigt - "zu kalt" geworden ist.

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Da die in der Vergangenheit sehr treffsicheren Frühindikatoren bereits seit vielen Monaten auf erhebliche Rezessionsgefahren in den USA hinweisen, kommt diese Entwicklung natürlich nicht überraschend. Dennoch haben die zahlreichen stets bullishen Ökonomen sie offenbar nicht erwartet. Die Branche der Wirtschaftspropheten und -orakel ist und bleibt ein Phänomen. Stellen Sie sich darauf ein, dass der Begriff "Rezession" demnächst häufiger in der Presse auftauchen wird als bisher. Und dann wird sich der öffentliche Diskurs schon bald um die Frage drehen, wie schwerwiegend die Rezession wohl ausfallen wird.

Über die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der US-Immobilienblase und die absurd laxen Kreditvergabestandards der vergangenen Jahre habe ich an dieser Stelle immer wieder sehr ausführlich berichtet. Dabei habe ich es an Hinweisen auf die gewaltigen Risiken nicht fehlen lassen. Insbesondere rief ich Ihnen in der Juni-Ausgabe noch einmal die Worte des ehemaligen US-Notenbankmitglieds Laurence Meyer in Erinnerung. Dieser berichtet in seinen Memoiren, dass er und seine Notenbankkollegen sich im ersten Quartal 2000, am Höhepunkt der damaligen Spekulationsblase an den Aktienmärkten, ernsthafte Sorgen machten. Grund waren einige der seinerzeit so offensichtlichen ökonomischen Ungleichgewichte, die er dankenswerterweise auch beim Namen nennt:

1. die deutlich gestiegene Verschuldung der privaten Haushalte, aber auch der Unternehmen,
2. das hohe Leistungsbilanzdefizit und
3. die niedrige Sparquote.

"Zusammengenommen waren das wirklich düstere Gedanken", so Meyers Resümee. Alle genannten Ungleichgewichte sind heute sehr viel größer als damals.

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