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Etwas Risikofreude - Powell mit starken Worten - UK will Krach - Lindner/Maastricht

18.05.2022  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0530 (06:07 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0441 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 129,10. In der Folge notiert EUR-JPY bei 135,92. EUR-CHF oszilliert bei 1,0469.

Finanzmärkte atmen durch. Risikoaversion bildet sich etwas zurück. Die Qualität der Hinwendung zu Risikoaktiva ist jedoch mangels perspektivischer fundamentaler Unterfütterung zunächst als technische Korrektur zu klassifizieren. Dabei gab es durchaus eine Phalanx positiver Wirtschaftsnachrichten (siehe Datenpotpourri), insbesondere an den Arbeitsmärkten. Es sind aber überwiegend vergangenheitsbezogene Daten, die noch zu überzeugen wissen. Zudem sind Arbeitsmarktdaten nachlaufende Indikatoren.

Die aus der Ukraine-Krise resultierenden Belastungen werden erst sukzessive ihre volle Wirkung entfalten. Da es sich um strukturelle Brüche mit unterschiedlichen Folgen für die diversen Regionen der Weltwirtschaft handelt, sollten sie allen voran in Europa nicht unterschätzt werden, denn Europa trägt den größten Schaden.


Powell mit starken Worten – folgen wirklich starke Taten

Die Fed will die geldpolitischen Zügel laut Fed-Chef Powell solange anziehen, bis die Inflation unter Kontrolle ist. Auch ein aggressiveres Vorgehen wird nicht ausgeschlossen. Die Fed hätte die Werkzeuge und das Stehvermögen, die Inflation zu bekämpfen. Wenn es nötig sei, würde sie über das neutrale Niveau hinausgehen. Auf der letzten Sitzung habe es eine Unterstützung für die Überlegung gegeben, die Zinsen zukünftig um jeweils 0,5% zu erhöhen. Damit sei aber keine Vorhersage verbunden.

Zu den Fakten: Die Verbraucherpreise liegen bei 8,3%, die Erzeugerpreise stehen bei 11,0%, der Leitzins oszilliert bei 0,875% und die Rendite der 10 jährigen Treasuries notiert bei 2,97%.

Kommentar: Die US-Notenbank ist ebenso wie die EZB hinter der Kurve. Ein Hintergrund ist, dass maßgeblich exogene Kräfte (Geopolitik mit Wirkung auf Preisgefüge, China Corona-Maßnahmen), nicht endogene Kräfte die Inflation treiben. Auf diese Kräfte hat die Fed nur dann Einfluss, wenn sie die Wirtschaft an die Wand fahren würde und selbst dann wäre der Erfolg nicht gewiss. Wenn der USD beispielsweise als Reaktion auf die Ökonomie fiele, würde sich das Problem der importierten Inflation ergeben. Powell liefert starke Worte. Wir messen ihn und sein Team bei der US-Notenbank an seinen Taten.


Britische Außenministerin will Krach mit der EU

Die britische Außenministerin Truss will bei der umstrittenen Änderung des Nordirland-Protokolls zeitnah Nägel mit Köpfen machen. Sie sagte, London würde in den kommenden Wochen Gesetze einzuführen, um Änderungen im Protokoll vorzunehmen. Die bevorzugte Lösung bliebe zwar eine Einigung mit der Europäischen Union, weshalb weiter mit EU-Unterhändler Sefcovic gesprochen würde. Das geplante Gesetz zur Änderung des Nordirland-Protokolls hält Truss für vereinbar mit internationalem Recht.

Kommentar: Was London aktuell will, ist nicht bilateral vertraglich vereinbart worden. London will unilateral Änderungen eines bestehenden Vertragswerks per Gesetz durchsetzen und sich damit von einer vor drei Jahren selbst verhandelten und unterschriebenen vertraglichen Regelung mit der EU verabschieden. Das soll also kein Bruch internationalen Vertragsrechts sein? Können damit aus Londons Sicht bilateral vereinbarte Verträge per Federstrich unilateral geändert werden? Was ist ein Vertrag dann wert? Die Gesetze, die man verabschieden will, mögen mit internationalem Recht vereinbar sein, aber definitiv nicht die unilaterale Vertragsverletzungen, die durch diese Gesetze geplant sind (ein feiner Unterschied).

Hier wird klar, dass London das regelbasierte System ignoriert und bereit ist, mit Füßen zu treten. Damit entfernt sich das UK von den Werten, die das UK gerne in anderen Konflikten vorgibt, zu vertreten. Der beißende Geruch der Beliebigkeit macht sich in der britischen Außenpolitik breit.

Es ist ein unmissverständlicher Konfrontationskurs, den London gegenüber der EU einschlägt. Es ist eine klare Kampfansage um den Vertrag, aber auch um das regelbasierte Konzept des so genannten Westens. Wir dürfen auf die klare Kante der EU gespannt sein. Sollte diese klare Kante nicht gezeigt werden, würfe das mehr Fragen auf, als dass es Antworten gäbe, denn das käme einer Unterordnung der Interessen der EU und ihrer Länder als auch Menschen unter britisches Recht gleich und wäre hinsichtlich der Ansprüche, die die EU selbst für sich erhebt, absurd.


Die EU hat verbal reagiert. Die EU warnte Großbritannien vor einer Änderung des Nordirland-Protokolls und kündigte an, ansonsten mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln reagieren zu müssen.

Kommentar: Na denn mal los!


Lindner zu Schuldengrenze: Keine Aufweichung, aber …

Bundesfinanzminister Lindner zeigt sich offen für Änderungen an den Schuldenregeln der EU (NVS 3% und GVS 60% des BIP). Lindner sagte, eine Reform mit einer Aufweichung der Maastricht-Kriterien könne er nicht unterstützen, aber die Fiskalregeln sollten realistischer und effektiver sein. Es müsse einen glaubwürdigeren langfristigen Weg zum Schuldenabbau geben, kombiniert mit flexiblen mittelfristigen Zielen. Frankreich und mehrere südeuropäische Länder dringen deswegen auf eine Reform des Regelwerks, das momentan wegen der Pandemie ausgesetzt ist.

Kommentar: Es ist gut, wenn sich die Protagonisten unserer Politik der Realität stellen. Die Maastricht-Kriterien kommen aus einer Zeit, als die Welt weniger globalisiert war und Märkte auch den Anspruch erheben konnten, frei oder freier zu sein, nicht politisch manipuliert. Die Welt hat sich verändert. Die Wirkungsmechanismen von Problemen auch in kleineren Ländern haben sich in ihrer Wirkung auf die globale Stabilität deutlich erhöht. Der daraus folgende Staatsinterventionismus ist für die prekäre Lage der öffentlichen Haushalte nicht solitär, aber in weiten Teilen verantwortlich.

Durch die politisch und zentralbankpolitisch verfügte Negativ-, Null- und Niedrigzinspolitik ist die Schuldentragfähigkeit (entscheidende Größe) in der westlichen Welt deutlich erhöht worden. Damit verbieten sich Vergleiche zu den Phasen vor 2007, als Marktzinsen dominierten. Die öffentlichen Haushalte sind mit einer durchschnittlichen Laufzeit von circa 8 Jahren durchfinanziert. Ergo wirkt sich diese Negativ- Null- und Niedrigzinspolitik noch bis zu 8 Jahre aus. Dennoch Herr Lindner, es geht meines Erachtens ultimativ um eine Aufweichung der Kriterien, auch wenn Sie es noch in Abrede stellen. Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise und der (selbst verschuldeten) negativen Folgen für Europa ist der Ansatz nachvollziehbar.


Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Bei den aktuell veröffentlichten Arbeitsmarktdaten, die überwiegend positiv ausfallen, ist anzumerken, dass Arbeitsmarktdaten nachlaufende Wirtschaftsindikatoren sind.


Eurozone: Nur positive Akzente bei rückwärtsgerichteten Daten!

Das BIP der Eurozone legte per 1.Quartal 2022 im Quartalsvergleich um 0,3% (Prognose 0,2%) nach zuvor 0,2% zu. Im Jahresvergleich stellte sich eine Zunahme um 5,1% (Prognose 5,0%) nach zuvor 5,0% ein.

Die Beschäftigung in der Eurozone stieg per 1. Quartal 2022 im Jahresvergleich um 2,6% auf 162,55 Mio. Menschen. Das ist das höchste Beschäftigungsniveau in der Historie dieser Datenreihe.

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In Frankreich sank die Arbeitslosenquote im 1. Quartal 2020 von zuvor 7,4% auf 7,3% (Prognose 7,4%) und markierte den tiefsten Stand seit dem 2. Quartal 2020 (7,2%). Die aktuelle Quote liegt auf den niedrigsten Niveaus seit 1983 (7,2%/7,3%).


Großbritannien: Arbeitslosigkeit per März auf tiefstem Stand seit 48 Jahren

Im UK stellte sich die Arbeitslosenquote per Berichtsmonat März auf 3,7% (Prognose 3,8%) nach zuvor 3,8%. Das war die niedrigste Quote seit 48 Jahren.


USA: Starke Daten für die Periode März/April - Ausnahme NAHB-Index

Die Einzelhandelsumsätze nahmen per April erwartungsgemäß im Monatsvergleich um 0,9% zu. Der Vormonatswert wurde von 0,5% auf 1,4% revidiert. Damit kam es im Jahresvergleich zu einer Zunahme um 8,19% nach zuvor 7,34% (revidiert von 6,29%).

Die Industrieproduktion verzeichnete per April einen starken Anstieg im Monatsvergleich um 1,1% (Prognose 0,5%) nach zuvor 0,9%. Im Jahresvergleich übersetzte sich das in ein Plus in Höhe von 6,40% nach zuvor 5,36% (revidiert von 5,47%). Die Kapazitätsauslastung stellte sich per April auf 79,0% (Prognose 78,6%) nach zuvor 78,2% (revidiert von 78,3%).

Die Lagerbestände nahmen per März im Monatsvergleich um 2,0% (Prognose 1,9%) nach zuvor 1,8% zu. Der NAHB Housing Market Index fiel per Mai deutlich von zuvor 77 auf 69 Punkte (Prognose 75).


Japan: Durchwachsenes Bild der Wirtschaft

Das BIP sank per 1. Quartal 2022 im Quartalsvergleich um 0,2% (Prognose -0,4%) nach zuvor 0,9% (revidiert von 1,1%). Annualisiert ergab sich ein Rückgang um 1,0% (Prognose -1,8%) nach zuvor 3,8% (revidiert von 4,6%). Der von Reuters ermittelte Tankan Index für das Verarbeitende Gewerbe sank per Mai von 11 auf 5 Punkte. Der entsprechende Index für den Dienstleistungssektor legte von 8 auf 13 Zähler zu.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein Überschreiten des Widerstandsniveaus bei 1.0870 - 1.0900 neutralisiert den positiven Bias des USD.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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