Weltbank/Stagflation - IWF-Empfehlung - Zölle oder Sanktionen - KFW-Barometer
08.06.2022 | Folker Hellmeyer
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An den Finanzmärkten ergeben sich nur vereinzelt neue Bewertungsmodalitäten. Weiter bestimmt die Ukraine-Krise die Bewertungslage. Die Aktienmärkte mäandern auf den leicht erhöhten Niveaus. Die erhöhten Zinsniveaus werden an den Kapitalmärkten gehalten (Bunds 1,30% , Treasuries 3,01%). Gold und Silber bewegen sich seitwärts. Der JPY steht weiter unter starkem Druck und verliert an Boden.
Weltbank: Warnung vor Stagflation
Die Weltbank warnte gestern bezüglich einer zunehmend stagnierenden globalen Wirtschaft bei stark steigenden Preisen. Die Weltbank lässt verlauten, dass die Gefahr einer Stagflation beträchtlich sei. Die Weltbank senkte ihre Prognose für das globale Wirtschaftswachstum in diesem Jahr von 4,1% auf 2,9%. Die Ukrainekrise wird als ein wesentlicher Katalysator dieser Entwicklung identifiziert.
Aufgrund der schwachen Investitionen in den meisten Teilen der Welt würde das gedämpfte Wachstum als auch die erhöhte Teuerung wahrscheinlich das ganze Jahrzehnt über anhalten. In ihrem Bericht warnt die Weltbank davor, dass die Zinserhöhungen Ende der 1970er Jahre im Kampf gegen die damals starke Inflation so kräftig ausfielen, dass sie 1982 eine weltweite Rezession ausgelöst hätten. Auch habe dies Finanzkrisen in Schwellen- und Entwicklungsländern nach sich gezogen.
Kommentar: Grundsätzlich beschreibt die Weltbank die Lage in korrekter Manier. Die Weltbank geht jedoch nicht auf die „Polit-Ökonomie“ ein. Es wird zu massiven Investitionen kommen. Es wurde die grüne Transition beschlossen, es wurden Infrastrukturprogramme beschlossen. Die Ukraine-Krise erfordert Neuaufstellung der Ökonomie, die mit Investitionen verbunden sind. Damit ignoriert die Weltbank die Chancen, die sich auftun. Das ist der Unterschied zu den 70er Jahren.
IWF-Empfehlung
Der IWF empfiehlt unter hohen Energie- und Lebensmittelpreisen leidenden Ländern gezielte, aber zeitlich befristete Hilfen für ärmere Bevölkerungsschichten. Das sei ultimativ günstiger, als die Preise künstlich niedrig zu halten. Laut IWF gingen die 134 untersuchten Länder unterschiedlich mit der Inflation um. Steuersenkungen seien teilweise eingesetzt worden, in anderen Fällen direkte Preissubventionen. Diese Maßnahmen lasten auf den öffentlichen Haushalten der Länder, die in der Corona-Pandemie bereits starke Defizite verzeichneten.
Kommentar: Die Empfehlung des IWF macht nur dann Sinn, wenn es ich um eine temporäre preisliche Verwerfung handelte. Sofern sich eine strukturelle Veränderung des Inflationsbilds ergäbe, die die Weltbank thematisiert (Absatz zuvor), wäre diese Empfehlung nur eine Augenwischerei. Das weitere Inflationsbild hängt zumindest für den Westen, der Sanktionspolitiken umsetzt, entscheidend vom weiteren Verlauf der Ukrainekrise ab. Die Länder, die nicht sanktionieren (z.B. China CPI 2,1%), sind überwiegend nicht mit diesen Problemen im gleichen Maße konfrontiert.
Ökonomen: Zölle effektiver als Sanktionen
Gemäß einer Umfrage des IFO-Instituts unter Ökonomen spricht sich eine Mehrheit (70%) für EU-Sonderzölle auf Energielieferungen aus Russland aus. Die USA hatten Sonderzölle gegen Russland ins Spiel gebracht. Beim Treffen der Finanzminister der G7 wurde darüber diskutiert. Es wäre laut den befragten Ökonomen die effektivere Maßnahme, um Zahlungen an Russland zu verringern und gleichzeitig die Auswirkungen auf die Energieversorgung in Europa gering zu halten.
Gegenüber einem Boykott oder Mengenbeschränkungen sei es die bessere Wahl. Die höheren Preise würden für eine Anpassung der Ressourcen auf den Märkten führen. 23% gaben jedoch an, EU-Zölle skeptisch zu sehen. Sie sähen die Gefahr einer höheren Inflation, weil Russland vor allem bei Gas Verhandlungsmacht habe. 57% der Volkswirte sprachen sich dafür aus, die Handelsbeziehungen mit Autokratien einzuschränken. Sie seien oftmals keine verlässlichen Partner. 36% votierten gegen solche Einschränkungen.
Kommentar: Entscheidend ist, dass Sanktionen gegen die Parteien wirken, die getroffen werden sollen. Die Einlassungen des IWF und der Weltbank belegen, dass das Gegenteil gegeben ist. Faktisch ist die gesamte Welt in Geiselhaft der Ukrainekrise. Ergo geht es darum, smart zu agieren, um Kollateralschäden zu vermeiden. Ja, Zölle sind geeigneter, als die jetzt verfügten Sanktionen. An die Adresse der Ökonomen, die nicht mit Autokraten zusammenarbeiten wollen. Kein Gas und Öl aus Iran, Saudi-Arabien, Katar, UAE, Venezuela, um nur einige Länder zu nennen. "Food for thought!"
KFW-Barometer: Stimmung verbessert, aber ...
Die Stimmung im deutschen Mittelstand hat sich im Mai den zweiten Monat in Folge erhöht. Das Barometer für das Geschäftsklima legte um 1,2 Punkte zu, verharrt aber mit minus 5,9 Zählern im negativen Bereich. Der Anstieg geht ausschließlich auf eine verbesserte Lage zurück: Die sehr pessimistischen Erwartungen sanken erneut: Dieses Barometer sank um 0,7 Zähler auf -21,0 Punkte.
Kommentar: Ich stimme der KFW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib vollständig zu, die feststellte, dass die Geschäfte allen Belastungen aus Krieg und Pandemie zum Trotz noch immer vergleichsweise gut liefen, doch die Angst der Unternehmen vor einem Absturz sei riesig.
Nie zuvor sei der Abstand zwischen der positiven Beurteilung der aktuellen Geschäftslage und den seit Kriegsausbruch sehr düsteren Geschäftsaussichten so groß wie jetzt. Das gelte sowohl im Mittelstand als auch bei den Großunternehmen. Wirtschaftlich sei relevant, ob es zu einem Stopp der Gasimporte aus Russland komme. Damit warnte die Chefvolkswirtin in höchst diplomatischer Form vor einer sich selbst zerstörenden Politik. Ich schließe mich dieser Warnung umfänglich an. Sie sehen mich besorgt!
Datenpotpourri der letzten 48 Handelsstunden:
Eurozone: Griechenland ein Lichtblick in der Eurozone
Der S&P Einkaufsmanagerindex des Konsumsektors der Eurozone sank per Berichtsmonat Mai von zuvor 50,4 auf 49,2 Punkte und markierte den tiefsten Indexstand seit Februar 2021. Der Sentix-Index der Eurozone stieg per Berichtsmonat Juni 2022 von zuvor -22,6 auf -15,8 Zähler (Prognose -20,0).
Deutschland: Der Auftragseingang der Industrie sank per April unerwartet stark im Monatsvergleich um 2,7% (Prognose 0,3%) nach zuvor -4,2% (revidiert von -4,7%). Damit kam es zum dritten Rückgang in Folge.
Griechenland: Das BIP stieg per 1. Quartal 2022 im Jahresvergleich um 7,0% nach zuvor 8,1% (revidiert von 7,7%).
USA: Handelsbilanzdefizit und Konsumkredite niedriger (M), aber weiter prekär
Die US-Handelsbilanz wies per April ein Defizit in Höhe von 87,1 Mrd. USD (Prognose 89,5 Mrd. USD) nach zuvor -107,7 Mrd. USD (revidiert von 109,8 Mrd. USD) aus. Die US-Verbraucherkredite verzeichneten per April eine Zunahme um 38,07 Mrd. USD (Prognose 35,00 Mrd. USD nach zuvor 47,34 Mrd. USD (revidiert von 52,43 Mrd. USD).
China: Devisenreserven etwas höher
Die Devisenreserven stellten sich per Berichtsmonat Mai auf 3.128 nach zuvor 3.120 Mrd. USD (Prognose 3.120 Mrd. USD).
Australien: Höchstes Leitzinsniveau seit 09/2019
Die Reserve Bank of Australis erhöhte den Leitzins von zuvor 0,35% auf 0,85%. Die Prognose lag bei 0,60%. Damit steht der Leitzins auf dem höchsten Niveau seit September 2019.
Japan: BIP negativ, aber besser als erwartet
Das BIP des 1. Quartals sank laut Revision im Quartalsvergleich um 0,1% (Prognose -0,3%, vorläufiger Wert -0,2%). In der annualisierten Darstellung ergab sich ein Rückgang um 0,5% (Prognose und vorläufiger Wert -1,0%). Der Index „Economy Watcher‘s Poll“ legte per Berichtsmonat Mai von zuvor 50,4 auf 54,0 Punkte zu und markierte den höchsten Indexstand seit Dezember 2021.
Südkorea: Leichte Abwärtsrevision des BIP
Das BIP legte laut Revision im 1. Quartal im Jahresvergleich um 3,0% (vorläufiger Wert 3,1%) zu.
Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein Überschreiten des Widerstandsniveaus bei 1.0870 - 1.0900 neutralisiert den positiven Bias des USD.
Viel Erfolg
© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe
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