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FOMC-Sitzung und adhoc EZB-Ratssitzung - Wer sanktioniert wen? - EZB/Knot

15.06.2022  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0442 (05:44 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0401 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 135,08. In der Folge notiert EUR-JPY bei 141,06. EUR-CHF oszilliert bei 1,0431.

Die Finanzmärkte sind vor der heute anstehenden Sitzung des Offenmarktausschusses sehr nervös. Risikofreude und Risikoaversion wechseln in kürzesten Zeiträumen im Tageshandel. Gestern schwächten sich die Aktienmärkte nach anfänglicher freundlicher Eröffnung ab. Der DAX notierte im Tageshandel zwischenzeitlich auf den niedrigsten Niveaus seit Anfang März.

Finanzmarktteilnehmer erwarten heute einen markanten Zinsschritt der US-Notenbank. Ein Anstieg um bis zu 0,75% wird für möglich gehalten. Das würde mit hoher Wahrscheinlichkeit einen weiteren Treibsatz für USD-Stärke generieren.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass die EZB heute früh eine außerordentliche Sitzung des EZB-Rats anberaumt hat. Es heißt, es gehe darum, die Folgen der jüngsten Verkaufswelle am Anleihenmarkt zu erörtern. In der Tat war der jüngste Renditeanstieg beispielsweise der Bundesanleihe mit 10 Jahren Laufzeit extrem dynamisch. Die Rendite zog in den letzten drei Wochen von 0,90% auf 1,75% an. Aber auch die Euroschwäche zehrt an den EZB-Nerven (importierte Inflation). Weitere Einzelheiten wurden seitens der EZB nicht genannt.

Kommentar: In dem Kontext stellt sich die Frage, was die EZB unternehmen kann. Sie will aus den quantitativen Maßnahmen aussteigen. Ergo kann sie an dieser Stellschraube nicht drehen, ohne Glaubwürdigkeit aufs Spiel zu setzen (Euro-Schwäche/importierte Inflation). Sie kann vorzeitig Zinsen erhöhen, um damit Vertrauen für die Kapitalmärkte der Eurozone und den Euro zu gewinnen. Ergo ist ein beherzter Zinsschritt auf der heutigen Sitzung keine Unmöglichkeit.


Russland mit sportlichem Haushaltsüberschuss

Der staatliche Haushaltsüberschuss hat sich trotz der Ukraine-Krise in den ersten fünf Monaten auf knapp 25 Mrd. EUR gestellt. Ein entscheidender Hintergrund sind die erhöhten Einnahmen aus dem Export diverser Energieträger.

Kommentar: Die westlichen Sanktionen führen zu massiven Haushaltsdefiziten in den westlichen Ländern und zu höheren Haushaltsüberschüssen in Russland. Wer sanktioniert hier eigentlich wen?


EZB: Knot mit Eckpunkten für die kommenden Zinsanhebungen

Der niederländische Notenbankchef Knot führte aus, dass die EZB bei ihrer geplanten zweiten Zinserhöhung im September (Juli erste Anhebung) diverse Möglichkeiten hätte. Sollte sich die wirtschaftliche Lage im Vergleich zu heute nicht ändern, müsse die Erhöhung stärker ausfallen als um 0,25%. Die Optionen seien aber nicht notwendigerweise darauf beschränkt. Knot geht von weiteren Zinsanhebungen im Oktober und im Dezember aus. Er räumte ein, dass alles von den Daten und der wirtschaftlichen Lage abhängen würde. Knot konstatierte, dass die EZB angesichts der hohen Inflation sehr besorgt sei.

Kommentar: Wir sind auch über die Höhe der Preisinflation besorgt (quantitative Betrachtung). Ich bin erfreut, dass der niederländischen Notenbankchef Knot klare Eckpunkte setzt. Dadurch wird eine unverkennbare Abkehr von der EZB-Politik der letzten Jahre vollzogen. Auch verbindet sich diese Neuausrichtung mit dem Wechsel an der Spitze der Bundesbank von Weidmann zu Nagel.

Das Problem der EZB, auch der Fed, der Bank of England und der Bank of Japan ist jedoch der qualitative Hintergrund des Preisanstiegs, den die Zentralbanken nur bedingt bekämpfen können, denn er ist geopolitischer Natur. Das akute Inflationsproblem kann damit nicht primär durch Zentralbanken neutralisiert werden. Die Handlungsmaximen der Zentralbank fokussieren sich damit vorrangig auf Zurückgewinnung der Glaubwürdigkeit, um die Inflationserwartungen durch die aktive Zinserhöhungspolitik zu dämpfen und nivellierend auf die sich abzeichnende Preis/Lohnspirale zu wirken.

Mehr können westliche Zentralbanken derzeit nicht leisten. Das Inflationsproblem lässt sich ultimativ nur entspannen, wenn der Weg der Eskalation in der Ukraine-Krise verlassen wird und die Kunst der Diplomatie eine Chance erhält.



Handel mit Osteuropa wächst

Trotz der Ukraine-Krise wächst der deutsche Außenhandel mit Osteuropa laut Daten des Ost-Ausschusses. Der Warenverkehr mit den 29 osteuropäischen Staaten, also Exporte und Importe aggregiert, stieg von Januar bis April 2022 im Jahresvergleich um 11,6% auf circa 181 Mrd. EUR. Der Ostausschuss ließ verlauten, dass diese Region der wachstumsstarken Länder Mitteleuropas eine verlässliche Stütze des deutschen Außenhandels in der Region bleiben würde.

Der Ostausschuss thematisierte auch die Entwicklungen des Warenaustausches mit Belarus und Russland. Hier sehen die Vorzeichen anders aus. Es kam zu starken Einbrüchen der Exporte, die per April im Jahresvergleich bei circa -60% lagen. Mit Russland sank das Volumen um 1,5 Mrd. EUR auf nur noch circa 829 Millionen. Dagegen stiegen die Importe um 42%. Die Ukraine bleibt durch den Krieg ein Problemfall. Die deutschen Exporte fielen per April im Vergleich zum Vorjahresmonat um 34%.Die Importe verloren 9%.

Kommentar: Die Entwicklung ist fraglos positiv. Osteuropa hat sich als ein Wachstumsmotor etabliert. Für die Fortsetzung der positiven Entwicklung ist es unabdingbar, dass die Versorgungssicherheit im Energiesektor gewährleistet bleibt. Ansonsten stellte sich das Risiko von abrupten Abbrüchen ein. Das Preisniveau der verfügbaren Energie ist unter mittel- und langfristigen Gesichtspunkten von elementarer Bedeutung. Wir leben in einem energetischen Zeitalter. Ohne Energie geht nichts.

Verliert Gesamteuropa im Vergleich zu anderen Regionen der Welt an dieser Stelle Konkurrenzfähigkeit durch einen segmentierten Energiemarkt mit Preisnachteilen für Gesamteuropa droht eine sukzessive Erosion des Wirtschaftspotentials durch Unterinvestition. Investitionen sind das Lebenselixier, das den Kapitalstock (Lebensbaum der Ökonomie) erhält. Mangelnde Konkurrenzfähigkeit erodiert Investitionen und schädigt den Kapitalstock und damit den Lebensbaum, der für Wohlstand und Stabilität eines Wirtschaftsraums verantwortlich zeichnet
.


Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

China: Datenpotpourri per Mai setzt positive Akzente

Die Arbeitslosenrate sank in China von zuvor 6,1% auf 5,9%. Die Industrieproduktion legte nach zuvor -2,9% um 0,7% im Jahresvergleich zu (Prognose -0,7%). Im Zeitraum Januar bis Mai lag der Anstieg im Jahresvergleich bei 3,3% (Periode 01/2022-04/2022 4,0%). Die Einzelhandelsumsätze sanken im Jahresvergleich um 6,7% (Prognose -7,1%) nach zuvor -11,1%. Im Zeitraum Januar bis Mai kam es zu einem Rückgang im Jahresvergleich um 1,51% (Periode 01/2022-04/2022 -0,17%). Die Investitionstätigkeit in städtischen Räumen nahm im Jahresvergleich um 6,2% (Prognose 6,0%) nach zuvor 6,8% zu.


Eurozone: ZEW-Indices entspannter, aber weiter in stark negativen Terrain

Die ZEW-Erwartungsumfrage der Eurozone (ZEW Survey Expectations) legte per Berichtsmonat Juni von zuvor -29,5 auf -28,0 Punkte zu.

Deutschland: Der ZEW-Sentiment-Index nahm per Berichtsmonat Juni von zuvor -34,3 auf -28,0 Zähler zu (Prognose -27,5), während der ZEW-Lageindex sich von -36,5 auf -27,6 (Prognose -31,0) verbesserte. Deutschland: Gemäß finaler Berechnung legten die Verbraucherpreise im Monatsvergleich per Mai um 0,9% zu (Prognose und vorläufiger Wert 0,9%). Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 7,9% (Prognose und vorläufiger Wert 7,9%). Damit stellte sich die höchste Zunahme seit 1974 ein. Deutschland: Die Großhandelspreise nahmen per Mai im Monatsvergleich um 1,0% nach zuvor 2,1% zu. Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 22,9% nach zuvor 23,8%.


UK: Arbeitslosenrate verfehlt Prognose

Die Arbeitslosenrate nach Definition der ILO nahm per April unerwartet von zuvor 3,7% auf 3,8% zu. Die Prognose lag bei 3,6%.


USA: Kaum neue Erkenntnisse

Der NFIB Business Optimism Index (kleinere Unternehmen) sank per Berichtsmonat Mai von zuvor 93,20 auf 93,10 Zähler und markierte den tiefsten Stand seit April 2020 (Corona). Die US-Erzeugerpreise stiegen per Mai im Monatsvergleich um 0,8% (Prognose 0,8%) nach zuvor 0,4% (revidiert von 0,5%). Im Jahresvergleich kam es zu einer Zunahme um 10,8% (Prognose 10,9%) nach zuvor 10,9% (revidiert von 11,0%).


Japan: Positive Datensätze

Der von Reuters ermittelte Tankan Index für das Verarbeitende Gewerbe legte per Juni von zuvor 5 auf 9 Punkte zu. Der Tankan Index für den Dienstleistungssektor verharrte bei 13 Zählern. "Machinery Orders" stiegen per April im Monatsvergleich um 10,8% (Prognose -1,5%) nach zuvor 7,1%. Im Jahresvergleich kam es zu einer Zunahme um 19,0% (Prognose 5,3%) nach zuvor 7,6%.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein Überschreiten des Widerstandsniveaus bei 1.0870 - 1.0900 neutralisiert den positiven Bias des USD.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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