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Inflationäre Zeiten, schlechte Zeiten. Auf Gold und Silber setzen

27.06.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 3 -
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Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa. *Indexiert.


Den Blick nach vorn gerichtet, scheint eine Frage von besonderer Bedeutung zu sein: Wie geht es weiter mit der Inflation? Werden die Zentralbanken mit ihren Zinsanhebungen die Inflation in die Knie zwingen? Eine Reihe von Gründen spricht dagegen, viel sogar für die Befürchtung, dass die Inflation in den nächsten Jahren schmerzlich hoch bleiben wird. Angesichts der gewaltigen Verschuldung, die sich in den großen Volkswirtschaften der Welt in den letzten Jahrzehnten aufgebaut hat, ist nämlich eine Rückkehr zu "normalen Zinshöhen" beziehungsweise zu einem positiven Realzins kaum mehr möglich. Es würde eine gewaltige Kredit-, Finanz- und Wirtschaftskrise auslösen.

Die Zentralbanken würden mit ihren Zinsanhebungen schon bald an Grenzen stoßen - Verfall der Aktien- und Häuserpreise, steigende Arbeitslosigkeit, sinkende Einkommen, zahlungsunfähige Staatshaushalte. Der aktuelle Zinssteigerungszyklus (wenn man ihn so nennen mag) wird daher vermutlich viel früher enden, als es viele Marktbeobachter derzeit noch erwarten. Wachsende Probleme in den Volkswirtschaften - wie Rezession, Unternehmenspleiten, steigende Unterbeschäftigung, soziale Konflikte - werden die Fortführung der Inflationspolitik, die Hinnahme der hohen Inflation als das vergleichsweise kleinste Übel erscheinen lassen.

Als Ursache der Inflation wird dann nicht etwa die staatliche Zentralbank genannt, sondern die Schuld der Geldentwertung wird vielmehr ganz woanders verortet: beispielsweise bei den Lieferkettenproblemen, den gewinnsüchtigen Ölfirmen, den überzogenen Lohnforderungen der Gewerkschaften, und nicht zu vergessen: Russlands Krieg in der Ukraine.

Alles darf und wird als Sündenbock für die Inflation herhalten, nur die Aktionen der staatlichen Zentralbank und ihre Geldmengenvermehrung nicht. Damit ist eine wichtige Einsicht verbunden, die man betonen muss: Inflation ist kein Elementarereignis, ist keine Naturkatastrophe, die über die Menschheit hereinbricht, sie ist vielmehr menschengemacht. Die Inflation hat folglich geistige Ursachen.


Inflation: schwer zu bändigen

Die Inflation ist - vermutlich von vielen Menschen gar nicht bewusst wahrgenommen - gewissermaßen längst zum "Normalfall" geworden. Ihre Symptome - nicht nur die im Zeitablauf steigende Güter- und Vermögenspreise, sondern vor allem auch das Anwachsen des Zuteilungsstaates, die Expansion des sogenannten Wohlfahrtstaates, der staatliche Beistand von der Wiege bis zur Bahre und anders mehr gehören dazu - werden von vielen Menschen mittlerweile gar nicht mehr hinterfragt (vielmehr haben viele Menschen "Angst vor sinkenden Preisen").

Und klar: Die gefühlte Inflation darf aber nicht zu hoch, nicht zu schmerzlich sein. Und wenn sie doch einmal zu hoch ausfällt, verlässt man sich auf das Versprechen, die Zentralbank werde die Inflation schon wirkungsvoll "bekämpfen" (und verkennt dabei, dass die Zentralbank die Inflation ja verursacht!).

Gleichzeitig ist die Bereitschaft der Menschen, für die Rückkehr zu "gutem Geld", zu niedriger Inflation einen hohen Preis in Form von Einkommens- und Arbeitsplatzverlusten zu bezahlen, eher gering. Die Abkehr von der Inflationspolitik kommt nämlich vielen Menschen teuer zu stehen. Es kostet sie mitunter ihre Firma, ihren Arbeitsplatz, ihre Ersparnisse.

Unter den Politikern und allen, die direkt oder indirekt vom Staat (der natürlich in besonderer Weise vom inflationären Regime profitiert) finanziert werden, ist die Zustimmung für eine Anti-Inflationspolitik ebenfalls gering: Sie können auf staatliche Unterstützung hoffen (wie Garantie des Arbeitsplatzes und Unterstützungszahlungen). Das heißt nun aber nicht, Inflation, ist sie einmal in Gang gekommen, ließe sich nicht mehr stoppen.

Es heißt vielmehr, dass die Inflation länger andauern kann, bevor man sie beendet. Grund für diese Vermutung gibt es vor allem dann, wenn die Inflation ein grundsätzlich geduldetes Phänomen ist, und wenn gleichzeitig die Inflation für lange Zeit von den Menschen nicht als zu schmerzlich, als zu schädlich angesehen wurde.

Dann nämlich gibt es kaum öffentlichen Protest, eine bestehende Inflationspolitik zu verschärfen (indem die Zentralbank zum Beispiel "in der Not der Stunde" die leeren Staatskassen mit neu geschaffenem Geld finanziert). Zumal ja die positiven Wirkungen der Inflation (Abwendung von Staats- und Firmenpleiten, Verhinderung von Rezession und Arbeitslosigkeit) zuerst eintreten, und die Kosten der Inflation (Kaufkraftverlust des Geldes und der Ersparnisse) sich erst mit zeitlicher Verzögerung zeigen.

Der weltweit schnelle und starke Anstieg der offiziellen Inflationsraten hat gezeigt, wie im Grunde wenig verlässig, wie labil das Versprechen der Zentralbanken ist, die Inflation niedrig zu halten. Zwar kann man entgegnen, dass in vielen Ländern rund um die Welt die Inflation in den letzten Jahrzehnten sich zurückgebildet hat. Das ist in der Tat so. Aber diese Entwicklung fand statt unter bestimmten Bedingungen: die Zentralbanken waren politisch noch relativ unabhängig gegenüber der Politik; die Schuldenstände hatten ein kritisches Maß noch nicht überschritten; die Wirtschaftspolitik war auf Wachstum ausgerichtet; die Globalisierung schritt voran, die Märkte waren noch relativ frei. Diese Bedingungen gelten mittlerweile so nicht mehr.


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