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Dem Euro droht das "Yen-Desaster"

25.06.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Und genau das ist bei einer Politik der Zinskontrolle nicht von der Hand zu weisen: Können Regierungen zu günstigen Zinsen an Kredite gelangen, werden sie von dieser Gelegenheit Gebrauch machen. Sie werden nicht nur fällige Schulden durch neue ersetzen, die mit einem niedrigeren Zins ausgestattet sind, sondern sie werden vor allem auch die Neuverschuldung ausweiten.

Der Finanzhunger der Staaten ist schließlich gewaltig; das zeigt nicht nur die Erfahrung, das zeigt sich gerade auch in der aktuellen wirtschaftspolitischen Lage: Im Ausweiten der Staatsverschuldung, in der Keynesianischen Defizitpolitik, wird der Ausweg aus der Coronakrise erblickt, der zu mehr Wachstum und Beschäftigung führen soll. Hinzu kommt, dass die Staaten auch auf neue Schulden setzen, um "grüne Politik" oder eine "Große Transformation" der Volkswirtschaften zu finanzieren.

Dieser Hintergrund ist sehr bedeutsam, denn Befürworter einer Zinskontrollpolitik vertreten häufig die Auffassung, mit dem Verkünden eines Mindestkurses für Anleihen (also einer Zinsobergrenze) wüssten die Kapitalmärkte, woran sie sind: Die Investoren verstehen, dass es für sie unprofitabel ist, gegen die Zentralbank zu wetten. Daher bleiben die Anleihekurse auf dem geldpolitisch gewünschten Niveau, ohne dass die Zentralbank in größerem Umfang Anleihen tatsächlich aufkaufen müsste.

Genau diese Einschätzung ist in Japan nicht aufgegangen. Von 2016 bis Anfang 2022 stieg die Bilanzsumme der Bank von Japan von 75 Prozent des japanischen Bruttoinlandsproduktes auf 130 Prozent - weil die Bank von Japan die immer weiter anschwellenden Staatsdefizite monetisieren musste, um den Zins niedrig zu halten.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Bank von Japan seit September 2015 eine „Zinskurven-Kontrollpolitik“ verfolgt: Sie setzt nicht nur den Kurzfristzins, sondern auch den Langfristzins für Staatsanleihen. Die unablässige Verschuldung des Staates zwingt die japanische Geldbehörde dadurch, die Geldmenge immer weiter auszudehnen. Die Folgen lassen sich bereits in einem Ansteigen der Inflation, vor allem aber im Verfall des Außenwertes des Yen beobachten. Gegenüber dem US-Dollar hat der Yen allein seit Anfang 2020 gut 23 Prozent verloren, und das Gold hat sich in Yen gerechnet um fast 50 Prozent verteuert. Deutlicher kann der Verfall der japanischen Währung, das "Yen-Desaster", nicht ausfallen.

Zu allem Übel scheint die Bank von Japan nun auch die Kontrolle über den Langfristzins zu verlieren. Er soll 0 Prozent sein, mit einem Toleranzbereich von 0,25 Prozentpunkten nach oben und unten. Ende vergangener Woche ist die 10-jährige Rendite der japanischen Staatsanleihen jedoch auf mehr als 0,4 Prozentpunkte hochgeschnellt. Das lässt böses erahnen: Um den Zins niedrig zu halten, wird die Bank von Japan immer mehr Anleihen und damit immer mehr Geld in Umlauf bringen. Ein Rezept für die Zerstörung der Kaufkraft des Yens.

Zurück zur EZB. Sie kann natürlich selbst Schuldpapiere ausgeben, um die Geldmenge, die sie durch die Staatsanleihekäufe ausgegeben hat, wieder einzusammeln. Sie würde dann allerdings zum großen Schuldner gegenüber Banken und Privaten werden. Die Zinsen auf die von der EZB ausgegeben Papiere müssten mit neu geschaffenen Euros bezahlt werden. Eine fortgesetzte Geldmengenausweitung würde dadurch quasi festgeschrieben, eine Art "monetärer Kontrollverlust" installiert. Und dabei gäbe es leider auch keinerlei Garantie, dass die Staaten nicht weitermachen mit ihrer Verschuldung, die Problemlage also verschlimmern.

Die Zinskontrollpolitik ist bereits ein Eingeständnis der "Fiskalischen Dominanz". Das heißt, die Finanzlage der Staaten bestimmt das Handeln der Geldpolitik. Das kann nicht nur zu Inflation führen, sondern auch allzu leicht zu Hoch- oder gar zu Hyperinflation. Im politischen Tagesgeschäft zählt schließlich das Hier und Heute. Die künftigen Folgen, die politische Entscheidungen nach sich ziehen, finden hier meist nur geringe Beachtung.

Zudem ist der politische Anreiz, die Geldmenge im Zuge von schulden-finanzierten Ausgaben auszuweiten, ohnehin groß. Denn es hat zunächst positive Wirkungen: Die Konjunktur wird gestützt, die Härten der Arbeitslosigkeit werden verringert, Banken- und Unternehmenspleiten abgewendet.

Früher oder später treten die Negativwirkungen der Geldmengenausweitung - das Ansteigen der Vermögens- und/oder Konsumgüterpreise - jedoch zutage: Die Kaufkraft des Geldes schwindet, Produktion und Beschäftigung leiden, die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander, Verteilungskonflikte verschärfen sich, in der Gesellschaft greift Verbitterung um sich.

Mit einer Zinskontrollpolitik ist die Gefahr besonders groß, dass die EZB in eine zusehends inflationäre Geldpolitik abrutscht, nicht zuletzt, weil immer niedrige Zinsen die Verschuldungspolitik der Staaten anheizen und Haushaltsreformen entmutigen. Eine andauernde Hochinflation würde vermutlich den Eurozusammenhalt endgültig sprengen. Die EZB, die Staatengemeinschaft ist auf dem Weg dahin.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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