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Rohöl: WTI Future mit nachlassender Trenddynamik

04.07.2022  |  Björn Heidkamp
Der abgebildete Chart zeigt die langfristige Kursentwicklung des Rohöl-Futures von 2007 bis heute, bei Kursen von 108,43 USD/Barrel. Ein Notierungsstab bildet das Kursverhalten des Rohöl-Futures für jeden Monat ab.

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Exponentieller Aufwärtstrend

Seit Dezember 2021 sind die Kurse des WTI-Futures um mehr als 50% angestiegen. Befeuert durch den Ukraine-Krieg beschleunigte sich die Kursbewegung bis März exponentiell. Das bisherige Bewegungshoch erreichte das schwarze Gold am 08.März bezogen auf den aktuellen Future-Kontrakt bei 129,44. Damit wurde der höchste Stand seit Juli 2008 erreicht.

Im Mai wurde mit dem Überschreiten des Vormonatshochs erneut ein mittelfristiges Kaufsignal generiert. In einer ersten Reaktion stiegen die Preise des Rohöls bis zum 14. Juni auf ein Bewegungshoch von 123,68. Das bisherige Jahreshoch aus dem März wurde jedoch bis dato noch nicht erreicht.


Erster Umkehrstab seit November 2021

Im Juni hat der WTI-Future erstmals seit November 2021 niedriger geschlossen als zur Eröffnung am Monatsanfang. Bei dieser Bewegung gegen den Haupttrend spricht man in der klassischen Chartanalyse von einem Umkehrstab. Umkehrstäbe deuten häufig auf eine Ermüdung im bestehenden Trend und somit auf eine potentielle Trendunterbrechung, insbesondere auf den "großen Zeiteinheiten" hin.


Stochhastik-Indikator weiter mit negativer Divergenz

Aufgrund des oben angesprochenen exponentiellen Anstiegs ohne volle Korrektur auf dem Monatschart erhöht sich das langfristige Rückschlagspotential auf eine Korrektur im bestehenden Trend.

Zuletzt hatten erste Oszillatoren wie z.B. der Stochastik-Indikator zudem negative Divergenzen ausgeprägt, da die letzten Kurshochs nicht mehr nachvollzogen wurden. Als Divergenz bezeichnet man eine Situation, in der ein Indikator eine tatsächliche Kursbewegung nicht mehr mitmacht. Im Normalfall erreichen Kurs und Indikator gleichzeitig neue Bewegungshochs.

Negative Divergenzen weisen zum Beispiel darauf hin, dass der Kaufdruck der Bullen im Aufwärtstrend nachlässt und der Markt korrekturanfälliger wird. Derartige Divergenzen sind allerdings nur als Warnzeichen zu charakterisieren und eignen sich nur schwer zum Timing von Korrekturen. Divergenzen könnten sich beispielweise durch längere Seitwärtsphasen abbauen oder können durch einen neuen Aufschwung entkräftet/geheilt werden.


Abnehmende Trenddynamik

Aus der Perspektive des mittelfristigen Wochencharts ist der WTI-Future seit Mitte Juni wieder in die vorherige eingezeichnete Konsolidierungszone zwischen 93 und 112 zurück gefallen. Das mittelfristige technische Chartbild bleibt aber noch verhalten positiv. Kurse unter 100 verschlechtern die mittelfristige Ausgangssituation.


MACD mit Verkaufssignal

Durch die nachlassende Kursdynamik der letzten Wochen haben beispielsweise MACD und Stochastik (nicht eingezeichnet) auf dem Wochenchart ihre Signallinien von oben durchstoßen und dadurch aus einer rein markttechnischen Sicht neue Verkaufssignale geliefert.

Natürlich ist der MACD Indikator nicht das Evangelium, aber in Kombination mit dem realen Kursgeschehen, wie z.B. ein Unterschreiten einer wichtigen Aufwärtstrendlinie oder eines wichtigen Unterstützungsbereiches, wie beispielsweise der Barriere um 100, erhöht sich die analytische Bedeutung stark.


Zyklisches Hoch schon zwei Wochen vorher?

Aufgrund historischer Erfahrungswerte lassen sich für Aktien, Indizes und Rohstoffe statistische Durchschnittswerte berechnen.

Typische Durchschnittsverläufe der vergangenen 20 Jahre zeigen für den WTI-Future Anfang Juli ein zyklisches Hoch. Dieses Hoch dürfte in diesem Jahr schon etwa zwei Wochen vorher bei etwa 124 erreicht worden sein. Diesem Pivotpunkt folgte in der Vergangenheit mehrfach eine mehrwöchige Seitwärtsbewegung mit einem erneuten Anstieg in Richtung vorherigem Bewegungshoch (124) gegen Ende August. Erfahrungsgemäß scheitert die Wiederaufnahme des Aufwärtstrends, die potentielle Konsolidierung wurde nicht selten im September nach unten aufgelöst.

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Fazit:

Aus der Perspektive des langfristigen Monatscharts befindet sich Rohöl spätestens seit November 2020 wieder in einem übergeordneten Aufwärtstrend, dessen Fortsetzung nach aller Erfahrung und allem Lehrbuchwissen viel wahrscheinlicher ist als alle alternativen Szenarien. Nichtsdestotrotz mehren sich mit dem (über)starken Anstieg des letzten halben Jahres, den negativen technischen Divergenzen, der nachlassenden Trenddynamik, sowie dem Umkehrstab auf Monatschart die langfristigen Warnsignale.

Erfahrungsgemäß dürften die Bullen jetzt schneller an Gewinnmitnahmen denken bzw. ihre Stops näher an das Marktgeschehen heranziehen.

Aus der Perspektive des mittelfristigen Wochencharts hat sich das das Chartbild durch den Kursrückgang seit Mitte Juni und dem MACD-Verkaufssignal etwas verschlechtert, bleibt aber verhalten positiv, so dass in den nächsten Wochen ein erneuter Test der Widerstände um 124 möglich ist. Bei Kursen unter 100 neutralisiert sich das positive mittelfristige Chartbild wieder. Ein schnelles Absinken mit dem Etappenziel um 93 ist dann wahrscheinlich.

Bei Kursen darunter ist eine Korrektur im langfristigen Aufwärtstrend in Richtung 83 möglich, ohne den primären Haupttrend zu gefährden.

Für die nächsten Wochen sollte die verhalten positive Grundtendenz vorerst stehen. In Kombination mit den oben angegebenen Warnsignalen und einer sich neutralisierenden Saisonalität verschlechtert sich jedoch das Chance-Risiko-Verhältnis für die Bullen.


© Björn Heidkamp
www.kagels-trading.de
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