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Die Post-Wachstumswelt. Der Abbau des Wohlstands und seine Folgen

11.07.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Energiepreis- und -versorgungskrise, die die "grüne Politik" bewirkt, setzt den Wohlstand für die große Zahl der Menschen in gewaltigem Ausmaß herab. Vor allem kommt die Kaufkraft des Geldes unter die Räder.


Wohlstandsvermehrung

Wirtschaftswachstum ist im Kern ein "Kuppelprodukt". Es ist die Folge von Freiheiten von Personen, produzieren und konsumieren zu können. Unternehmerisch tätig zu sein heißt: Seine Dienste den Mitmenschen anbieten zu können, Risiken einzugehen und investieren, zu versuchen, gegebene Produkte und Verfahren besser, effizienter zu machen, neues auszuprobieren. Konsumenten haben die Freiheit, die Güter nachzufragen, die ihren Wünschen am besten entsprechen.

Die meisten Menschen streben danach, ihren Lebensstandard, ihre materielle Güterausstattung, zu verbessern, bessere Güter zu günstigen Preisen zu kaufen. Aus Konsumwünschen und unternehmerischer Tatkraft entsteht Wirtschaftswachstum, das die materielle Versorgung der breiten Bevölkerung verbessert.

Die Wirtschaftsform, die das möglich macht, ist die freie Marktwirtschaft (Kapitalismus). In ihr richtet sich die Güterproduktion konsequent an den Nachfragewünschen aus. Deshalb liegt der Schwerpunkt der Erzeugung auch auf den Massengütern: Güter, die von der großen Zahl der Menschen tagtäglich gekauft werden - Nahrungsmittel, Schuhe, Kleidung, Pflegeprodukte, Küchengeräte und anderes mehr. Die Menge von Gütern, die von sogenannten "Reichen" nachgefragt werden ("Luxushäuser und Luxusjachten") ist vergleichsweise sehr, sehr gering.

Es ist die freie Marktwirtschaft, die in besonderer Weise in der Lage ist, den materiellen und letztlich auch kulturellen Wohlstand der Erdbevölkerung zu heben. Man kann sogar sagen: Die freie Marktwirtschaft entproletarisiert die Welt.

Die freie Preisbildung spielt dabei eine entscheidende Rolle. Steigt beispielsweise der Preis eines Gutes, so signalisiert das den Unternehmern, ihre Produktion für das betreffende Gut auszuweiten. Die Mehrerzeugung kommt den Konsumenten zugute: Sie erhöht das Angebot und wirkt dem Preisanstieg entgegen. Fällt der Preis eines Gutes, so ist das das Signal für den Unternehmer, seine Produktion auf andere Güter zu verlagern, deren Angebot vergleichsweise knapp(er) ist.

Der freie Preisbildungsmechanismus sorgt so dafür, dass die knappen Ressourcen zu Herstellung derjenigen Güter verwendet werden, durch die die dringlichsten Bedürfnisse der Nachfrager gestillt werden. Weniger dringliche Bedürfnisse werden zurückgestellt - überaus sinnvoll in einer Welt der Knappheit.

Wirtschaftswachstum ist zugleich auch ein Mechanismus zur Vermeidung beziehungsweise Linderung gesellschaftlicher Konflikte. Wenn die Wirtschaft wächst,die Einkommen insgesamt also zunehmen, wird jeder bessergestellt, auch wenn sein Anteil am Gesamtkuchen gleichbleibt. Wächst die Wirtschaft hingegen nicht, oder schrumpft sie gar, kann man sich nur besserstellen, wenn andere dafür schlechter gestellt werden. Man erkennt also leicht, dass bei positivem Wirtschaftswachstum die Verteilungskämpfe (wer bekommt wie viel vom Gesamtkuchen ab) weniger heftig ausausfallen, als wenn es keine wachsende oder gar eine schrumpfende Wirtschaft gibt.

Wirtschaftswachstum basiert auch auf einer immer weiter gespannten, verfeinerten Arbeitsteilung, die nicht an nationalen Grenzen haltmacht. Dadurch werdenauch Menschen aus Regionen, die wirtschaftlich rückständig(er) sind, in die internationale Arbeitsteilung eingebunden, und dadurch verbessert sich ihre Einkommenssituation (absolut und/oder im Vergleich zur Situation ohne Einbindung in die Arbeitsteilung).

Das Wirtschaftswachstum einer Region begünstigt auf diese Weise auch Menschen in anderen Regionen der Welt, wenn es freie Märkte und freien Handel gibt. Die freie Marktwirtschaft befördert aber nicht nur den materiellen Wohlstand aller daran Teilnehmenden, sie ist auch ein wirkliches Friedensprogramm für die Welt.

Menschen, die sich arbeitsteilig organisieren - wie es der Fall ist im freien Marktsystem -, lernen sich gegenseitig zu schätzen, erkennen einander als nützlich an in der Bewältigung ihrer jeweils eigenen Lebensherausforderungen. Wer sich arbeitsteilig organisiert, der ist am Wohlergehen seiner Mitmenschen interessiert. Die Arbeitsteilung verbindet die Menschen miteinander, ermutigt sie zum Erhalt und Ausbau einer friedvollen Kooperation. Und nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass sich viele Produkte überhaupt nur durch intensive und vor allem auch dauerhafte internationale Arbeitsteilung erzeugen lassen. Die internationale Arbeitsteilung ermöglicht es, Menschen mit unterschiedlichen Zielen und Fähigkeiten produktiv und zum Nutzen aller Beteiligten zusammenzubringen.


Wohlstandsabbau

Die (relativ) freie Marktwirtschaft (nirgendwo war und ist sie wirklich "ganz frei") hat den Wohlstand der Menschen in der westlichen Welt in den letzten Jahrzehnten beträchtlich gemehrt. Doch damit soll nun Schluss sein, so wollen es die Befürworter der "Postwachstumswelt". Sie befürchten eine Übernutzung der weltweiten Naturressourcen, verweisen dabei auf den "menschengemachten Klimawandel". Aus ihrer Sicht ist die Lösung in einer Verminderung des CO2-Ausstosses, einer Verteuerung fossiler Energieträger zu finden, die fortan durch "grüne Energie" ersetzt werden soll. Der politisch vorangetriebene Versuch, das Ende der fossilen Energienutzung herbeizuführen, stellt die Volkswirtschaften der Welt jedoch vor ungeahnte Herausforderungen.

In 2020 betrug der Anteil des Rohöls 31,2% am weltweiten Primärenergieverbrauch, Kohle 27,2% und Erdgas 24,7% - zusammen entfielen also gut 83% des weltweiten Primärenergieverbrauchs auf fossile Energieträger. Erneuerbare Energie belief sich lediglich auf 5,7%, Atomenergie auf lediglich 4,3%. Das Bestreben der Politik, den Einsatz von fossilen Energieträgern zu beenden - und der "Glasgow Climate Pact" vom November 2021 mag dabei ein zentraler Meilenstein gewesen sein -, hat nunmehr zu einem gewaltigen Preisanstieg fossiler Energieträger geführt. Im Detail betrachtet, sind die Gründe dafür vielschichtig.

So macht die grüne Politik das Investieren im Bereich fossiler Energieträger (im Upstream, Midstream und Downstream) unattraktiv(er). Das zeigt sich bereits in den Zahlen. Die International Energy Agency (IEA) berichtet, dass das weltweite Investitionsvolumen im Energiesektor in 2022 zwar voraussichtlich um 8% gegenüber dem Vorjahr zunehmen wird (auf geschätzte 2,4 Billionen US-Dollar). Aber die Hälfte des Investitionsvolumens ist erhöhten Kosten zuzuschreiben. Investiert wurde vor allem in erneuerbare Energien und Stromnetze, während Investitionen in Öl, Gas und Kohle in 2022 geringer ausfallen ist als noch im Jahr 2019.

Zudem weist die IEA darauf hin, dass die Investitionen in erneuerbare Energien zwar zugenommen haben, dass sie aber bei weitem nicht ausreichen, bis 2050 fossile Energien ersetzen zu können. Da der weltweite Energiebedarf steigt, ist eine wachsende Knappheit von Energie und damit ihre Verteuerung vorprogrammiert.

Energie steckt in jedem produzierten Gut. Daher schlägt sich der Anstieg der Energiepreise auch (teilweise) in einer Verteuerung der Güter nieder: Produktionsgüter (Vor- und Zwischenleistungen) und entsprechend auch Konsumgüter. Der aktuell zu beobachtende gewaltige Anstieg der Energiepreise hat entsprechend weitreichende Folgewirkungen. Er wird beispielsweise Produzenten aus dem Markt drängen, weil ihre Produktionskosten zu hoch werden, die Verkaufspreise ihrer Erzeugnisse keine Abnehmer mehr finden.

Konsumenten werden nicht mehr in der Lage sein, ihre bisherigen Ausgaben zu bestreiten, sie müssen ihre Nachfrage einschränken. Der explosive Energiepreisanstieg lässt erwarten, dass die Produktions- und Beschäftigungsstruktur, die noch vor kurzem auf nationaler wie auch internationaler funktions- und leistungsfähig war, sich nicht mehr aufrechterhalten lässt.

Der Energiepreisschock wird dabei nicht dazu führen, dass "alle" fortan "etwas weniger" verdienen, dass jeder "etwas Verzicht" leistet und ansonsten alles beim Alten bleibt, nur dass eben die Einkommen für alle in gleicher Weise "etwas" geringer ausfallen. So wird es nicht sein.


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