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5 Gründe, warum Zinssenkungen schon wieder vor der Tür stehen

22.07.2022  |  Ronald Peter Stöferle
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Angenommen wird zudem, dass sich die Verzinsung der 10jährigen US-Treasuries auf 3,3% im Jahr 2030 und auf 4,9% im Jahr 2050 erhöht. Das wäre im historischen Vergleich ein eher moderater Anstieg. 2001 rentierte die 10-jährige US-Staatsanleihe bei 5,0%, 1991 waren es sogar 7,9%. Unterstellt man ein höheres Zinsniveau mit einer durchschnittlichen Verzinsung der Staatsschulden von 2,7% im Jahr 2030 und von 6,6% im Jahr 2050, statt 2,2% bzw. 4,6% im Basisszenario, so würde man bei einem Zinsendienst von 15,8% des BIP landen.

Zugleich würde die Staatsverschuldung bis 2051 auf 260% zulegen, wobei in all diesen Berechnungen die veranschlagten Ausgaben des zweiten großen Corona-Unterstützungsprogramms, des „American Rescue Plan Act“, im Umfang von 1,9 Bill. USD oder fast 10% des BIP noch nicht enthalten sind. Auch die unterstellten realen Wachstumsraten von im Schnitt etwas über 1,6% pro Jahr könnten sich als zu optimistisch erweisen und die Problematik noch weiter verschärfen.

In vielen Staaten der Welt sieht es nicht besser aus. Ächzen Staaten wie Griechenland und Italien allen voran unter ihrer hohen Staatsverschuldung, sind es in Skandinavien und in der Schweiz die privaten Haushalte und/oder der Unternehmenssektor, die aufgrund seiner ihrer hohen Verschuldung unter Zinsanhebungen zu leiden hätten.

Dass in dieser gesamtwirtschaftlichen Betrachtung Frankreich mit einer Gesamtverschuldung von fast 350% des BIP sogar Griechenland in den Schatten stellt, mag die naheliegende Erklärung sein, warum Christine Lagarde als EZB-Präsidentin gar so zögerlich agiert.


4. Entschuldung durch Inflation wird durch Erhöhung der Staatsausgaben konterkariert

Es gehört zu den vermeintlichen Standardweisheiten, dass sich Staaten in Phasen hoher Inflationsraten entschulden können. Diese perfide Entschuldung funktioniert jedoch nur, solange die Staatsausgaben langsamer wachsen als die Inflationsrate. Erhöhungen der Transferzahlungen unterhalb der Inflationsrate sind somit ein einfaches und naheliegendes Instrument zur Entschuldung durch Inflation, das allerdings zu Lasten der Schwächeren in der Gesellschaft geht. Pointiert ausgedrückt: Transferbezieher sanieren den Staatshaushalt durch erzwungenen Konsumverzicht infolge real sinkender Transferleistungen.

Dieser Automatismus ist jedoch nicht so stark, wie er auf den ersten Blick scheinen mag. Eine gesetzlich vorgeschriebene Inflationsanpassung von Ausgaben schmälert diesen Effekt. In den USA ist etwa die automatische Erhöhung der Zahlungen aus der Alters-, Hinterbliebenen- und Invalidenversicherung (OASDI, Social Security) in der Höhe des CPI gesetzlich vorgeschrieben.

Ebenso schmälern zusätzliche Ausgaben oder Steuersenkungen zur Bekämpfung der Inflationsfolgen den Schuldenabbaueffekt der Inflation. Zahlreiche Staaten haben mittlerweile schon mehrere Maßnahmenpakete beschlossen, das Geringverdiener und die Industrie von den erheblichen Mehrbelastungen durch die stark anziehende Inflation entlasten soll.

Ab einer gewissen Höhe der Inflationsraten kehrt sich der Entschuldungseffekt der Inflation auf die Staatshaushalte sogar um. Denn mit zunehmender Inflation erodieren die realen Steuereinnahmen, da der Zeitpunkt der Feststellung der Steuerschuld und die Begleichung derselbigen bei einigen ertragreichen Steuerarten wie der Einkommensteuer deutlich auseinanderliegen kann. Dieser fiskalisch bedeutsame Effekt ist als "Tanzi-Effekt" bekannt.

Berechnungen der "DZ Bank" zeigen, dass unter Heranziehung des BIP-Deflators als Inflationskennzahl eine Inflation von 3% pro Jahr die Schuldenquote in jenen Ländern deutlich reduzieren würde, die ein geringes Primärdefizit oder womöglich sogar einen Primärüberschuss sowie eine vergleichsweise hohe Schuldenquote aufweisen.

Die italienische Staatsverschuldung könnte so bis 2026 um 20 Prozentpunkte oder 13% auf immer noch hohe 136% des BIP zurückgehen. Bei einer Inflationsrate von 5%, die mehr der aktuellen Realität entspricht, würde der Rückgang sogar 32 Prozentpunkte oder rund 20% betragen. Die entsprechenden Zahlen für Deutschland ergeben im 3%-Szenario einen Rückgang von 69% auf 58% im Jahr 2026, im 5%-Szenario auf 53%. Damit läge die deutsche Staatsverschuldung wieder deutlich unter der 60%-Schuldenobergrenze. Aber wie gesagt, dieser Entschuldungseffekt der Inflation setzt voraus, dass die Staaten weiterhin einen Primärüberschuss erzielen.

Doch dagegen spricht, dass bereits unzählige fiskalisch wirksame Maßnahmenpakete zur Bekämpfung der Inflationsfolgen für die Bevölkerung verabschiedet wurden - und viele weitere werden noch folgen. Folglich wird die (Staats-)Schuldenlast nicht markant zurückgehen und der Spielraum für Zinserhöhungen überschaubar bleiben.

Wie sehr heute kurzfristiges Denken dominiert und die möglichen Inflationsgewinne des Staates mindert, zeigt sich aktuell in Deutschland. Um vom niedrigen Inflationsniveau zu profitieren, hatten die Finanzminister früherer Regierungen verstärkt auf inflationsindexierte Anleihen gesetzt,. Die Rechnung bekommt Deutschland jetzt präsentiert. Obwohl inflationsindexierte Anleihen nur 5% an den Gesamtschulden des Bundes ausmachen, beträgt ihr Anteil an den Zinszahlungen 2023 rund 25%. Allein im nächsten Jahr fallen - defiziterhöhende - Mehrausgaben von über 7 Milliarden Euro an.


5. Der Markt preist bereits Zinssenkungen ein

An den Märkten hat sich die Einsicht nach dem engen Handlungsspielraum der Zentralbanken bereits durchgesetzt. Für die USA erwarten die Märkte aktuell schon für das zweite Quartal 2023 erste Zinssenkungen im Umfang von im Schnitt 60 Basispunkten. Der Zinserhöhungszyklus wird also an sein Ende kommen, noch bevor er richtig begonnen hat.


Fazit

Negative Realzinsen werden uns noch lange Zeit erhalten bleiben und damit ein für Gold positives Umfeld. Wegen der hohen Verschuldung würden Zinssätze, die die Inflation tatsächlich bekämpfen, auf direktem Wege in eine veritable Schuldenkrise führen sowie eine tiefgreifende Rezession auslösen. Keine Regierung der Welt würde ein derartiges ökonomisches Horrorszenario überleben. Auch wenn die Inflation ebenso Regierungen ins Wanken bringt, so steht mit dem Ukraine-Krieg eine politisch plausible Ausrede parat.

Für den Euroraum sieht die Lage für Gold noch positiver aus. Die extrem zögerliche Vorgehensweise hat den Euro zwischenzeitlich sogar schon unter die Parität zum US-Dollar gedrückt. Die fundamentale Euro-Schwäche hat die Schwäche von Gold in den vergangenen Wochen zu einem Gutteil kompensiert, seit Jahresbeginn ist Gold in Euro daher weiterhin kräftig im Plus.

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© Ronni Stoeferle
Matterhorn Asset Management AG



Dieser Artikel wurde am 21. Juli 2022 auf www.goldswitzerland.com veröffentlicht.


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