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Finanzmärkte beruhigt – Fed: Zwischen den Zeilen – G-20: Xi und Putin dabei

19.08.2022  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0080 (05:45 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0071 im fernöstlichen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 136.30. In der Folge notiert EUR-JPY bei 137.38. EUR-CHF oszilliert bei 0,9664.


Finanzmärkte beruhigt

Aktienmärkte in Europa und den USA konnten in den letzten 25 Stunden geringe Teile der zuvor erlittenen Verluste gutmachen.

Der USD gewann an Boden. Die Marke von 1,0000 in dem Währungspaar EUR-USD kommt wieder in greifbare Nähe. Auch die edlen Metalle verloren weiter gegenüber dem USD.

Hintergrund: Der USD ist die Währung, deren Wirtschaft sich laut technischer Definition in einer Rezession befindet (Eurozone noch nicht). Per August hat die öffentliche Neuverschuldung der USA im laufenden Jahr die Marke von 1 Billion oder 1000 Mrd. USD überschritten. Das können Gold und Silber, die Währungen ohne Fehl und Tadel, in der Tat nicht bieten, ebenso wenig wie historisch hohe Leistungsbilanzdefizite und einen realen Kaufkraftverlust bei circa 6%. Fall sie hier einen ironischen Unterton erkennen wollen, liegen Sie richtig.

An den Kapitalmärkten stellt sich die Rendite des Bundesanleihe (Laufzeit 10 Jahre) heute früh auf 1,11%. Das Pendant aus den USA rentiert mit 2,91%.


Federal Reserve: Warnung vor zu starken Schritten

Die Gouverneurin der Fed San Francisco Mary Daly warnte davor, die Zinszügel zu stark anzuziehen. Das wäre ein unnötiger Fehler. Ein Ziel von jenseits 3% Endes des Jahres und dann weiterer leichter Steigerungen per 2023 sei angemessen. Der Chef der Fed St. Louis Bullard favorisiert auf der kommenden Sitzung eine Erhöhung des Leitzinses um 0,75% und begründete es damit, dass es notwendig sei, sich auf ein Zinsniveau zuzubewegen, dass die Inflation deutlich reduziere. Es würde 18 Monate dauern, bis das Inflationsziel bei etwa 2% erreicht würde.

Kommentar: Zwischen den Zeilen steht, dass der Zinserhöhungszyklus in den USA voraussichtlich bei 3,50% - 4,00% auslaufen wird. Zwischen den Zeilen steht auch, dass dazu die Wirtschaft weiter abgebremst werden muss, die sich ohnehin bereits in einer Rezession bewegt. Damit werden die Stresszustände insbesondere für private Haushalte zunehmen. Die "Midterm Elections" werden vor diesem Hintergrund interessant. Diesbezüglich nehmen politische Risiken in den USA zu.


G-20 Treffen: Xi und Putin dabei

Die Versuche der USA, Präsident Putin und Russland aus der G-20 Welt zu eliminieren, sind gescheitert. Das war nach dem G-20 Finanzministertreffen auf Bali bereits absehbar. Der Präsident Indonesiens Joko Widodo, der Gastgeber dieser G-20 Veranstaltung ist, und dem Land mit der viertgrößten Bevölkerung der Welt vorsteht, gab gestern bei Bloomberg bekannt, dass der russische Präsident als auch Chinas Präsident an der G-20 Sitzung im November teilnehmen werden. Indonesiens Präsident wehrte sich erfolgreich gegen massiven Druck seitens der USA, Russland auszuschließen.

Kommentar: Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass damit dieser Kanal der Diplomatie geöffnet bleibt, denn nur durch Diplomatie lässt such dieser Konflikt lösen.

Indonesiens Präsident erklärte, dass im Rahmen neuer globalen Achsen, Asien an der Seite Chinas und Russlands stünde. Weiter führte er aus, dass die Rivalität großer Länder beängstigend sei. Indonesien wolle für die asiatische Region Stabilität (USA/Taiwan-Eskalation) und Friedfertigkeit, um Wachstum und Wohlstand zu ermöglichen. Nicht nur Indonesien hege diesen Wunsch in Asien. Indonesien will mit allen Ländern gute Verhältnisse. Man habe kein Problem mit irgendeinem Land. Jedes Land hat seine eigenen Ansätze (Kultur, Moral, politisches System). In Indonesien brauche man Investments und Technologie, die das Land voranbringen.

Kommentar: Dieses Statement ist stark. Es belegt genau das, was sich in anderen Formaten, unter anderem BRICS, abzeichnete. Diese Länder haben eigene Interessen, die sie nicht mehr leichtfertig US-Interessen unterordnen. Sie sehen sich nicht mehr als geopolitische Verfügungsmasse des Westens, allen voran der USA. Sie sind sich ihrer Bedeutung in der Weltwirtschaft bewusst. 1980 hatte der Westen einen Anteil von 80% der Weltwirtschaft und konnte kommandieren. Heute hat der Westen noch 35% (12% Anteil an Weltbevölkerung) und verliert von Jahr zu Jahr mehr an Boden.

Das G-20 Treffen ist umso interessanter, als dass auch der ukrainische Präsident anwesend sein wird, obwohl sich sein Land im Hinblick auf die ökonomische Größe nicht ansatzweise für diesen Club der G-20 qualifiziert.

Kommentar: Man sollte hier bemüht sein, Positives daraus abzuleiten. Unter Umständen ergibt sich eine Chance, um den Ukraine-Konflikt zu entschärfen.

Somit werden sich diese Staatschefs das erste Mal seit Ausbruch des Ukraine-Konflikts am 24. Februar 2022 live gegenüber stehen.

Kommentar: Das letzte G-20 Finanzministertreffen auf Bali war meines Erachtens ein G-13 und G-7 Treffen unter der Flagge von G-20.

Die Ernüchterung auf der G-7 Seite war hoch. Man versuchte, Russland zu isolieren und fand sich selbst am Ende isolierter denn je. Der Westen trägt die Kosten der Sanktionen, der Westen verschlechtert damit seine eigenen Terms of Trade und damit die Investitionsbedingungen, der Westen riskiert damit seine innere politische Stabilität, der Westen sorgt damit für Verarmungstendenzen der eigenen Bevölkerung und der Westen sorgt damit dafür, dass sich neue politische und wirtschaftliche Achsen schneller bilden (BRICS, SCO), die alle zu Lasten der weltpolitischen Bedeutung des Westens gehen.

In einer so kurzen Zeitspanne von circa sechs Monaten hat der Westen noch nie seit 1945 einen solch markanten Bedeutungs- und Wohlstandsverlust im Verhältnis zum Rest der Welt erlitten. Es ist ernüchternd. Was heißt das für Europa? Sich der Realität stellen oder mehr Echokammer?



Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone: Bauleistung schwächer

Der Anstieg der Verbraucherpreise stellte sich im Juli im Monatsvergleich erwartungsgemäß auf 0,1% und im Jahresvergleich auf 8,9%. Die Kernrate sank im Monatsvergleich um 0,2% und legte im Jahresvergleich um 4,0% zu. Die Bauleistung der Eurozone fiel per Juni im Monatsvergleich um 1,25% nach zuvor -0,27% (revidiert von +0,36%).


UK: Verbrauchervertrauen an historischem Tiefpunkt

Der von GfK ermittelte Index des Verbrauchervertrauens sank per Berichtsmonat August von zuvor -41 auf -44 Punkte (Prognose -42). Das war der niedrigste Indexwert in der bis 1975 zurückgehenden Historie dieser Datenreihe


USA: Divergierende Signale

Die Arbeitslosenerstanträge sanken in der Berichtswoche per 13. August von zuvor 252.000 (revidiert von 262.000) auf 250.000 (Prognose 265.000). Der Philadelphia Fed Business Index legte unerwartet per August von zuvor -12,3 auf +6,2 Zähler zu. Die Prognose lag bei -5 Punkten. Der Absatz zuvor genutzter Wohnimmobilien sank per Juli um 5,9% von zuvor 5,11 Mio. (revidiert von 5,12 Mio.) auf 4,81 Mio. Objekte (annualisierte Darstellung). Die Prognose lag bei 4,89 Mio. Immobilien. Es wurde der niedrigste Wert seit Juni 2020 erreicht. Der Index der Frühindikatoren nach Lesart des Conference Board sank per Juli im Monatsvergleich um 0,4% (Prognose -0,5%) nach zuvor -0,7% (revidiert von -0,8%).


Japan: Überschaubare Inflation im Vergleich zu Europa und USA

Die Verbraucherpreise stiegen per Juli im Jahresvergleich um 2,6% nach zuvor 2,4% (viel Atomkraft). Die Kernrate legte im Jahresvergleich um 2,4% nach zuvor 2,2% zu.


Russland: Devisenreserven nehmen zu

Die Devisenreserven nahmen per Stichtag 12. August 2022 von zuvor 574,8 auf 580,6 Mrd. USD zu.


Türkei: Unerwartete Zinssenkungen um 1% bei Inflation von 79,6%

Die Zentralbank senkte die Leitzinsen um 1%. Die "Lending Rate" wurde von 15,50% auf 14,50%, die „Borrowing Rate“ von 12,50% auf 11,50% und de4r Reposatz von 14% auf 13% reduziert.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein Überschreiten des Widerstandsniveaus bei 1.0450 - 1.0480 neutralisiert den positiven Bias des USD.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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