Der "italienische Patient" ist zurück
22.08.2022 | Vertrauliche Mitteilungen
Nach 524 Amtstagen reichte Italiens aktueller Premierminister Mario Draghi seinen Rücktritt ein. Die unter ihm agierende Regierung war damit überdurchschnittlich lange im Amt - in der 76-jährigen Geschichte der italienischen Republik wurden bis jetzt 67 Regierungen "verschlissen", so daß jede im Durchschnitt nur 414 Tage währte.
Italien ist aktuell also nur wieder da angelangt, wo es sich seit 1946 meistens befand: im politischen Chaos mit unklaren Mehrheiten, die oft schon bei ihrem Entstehen wieder zum Scheitern verurteilt sind.
Gehört die gefühlte Unregierbarkeit Italiens augenzwinkernd nicht zuletzt auch zu dessen "La Dolce Vita"? Denn haben die Italiener im letzten dreiviertel Jahrhundert nicht auch bewiesen, daß sie trotzdem in der Lage waren, einen respektablen Industriestaat auf die Beine zu stellen?
Manche Ökonomen beantworten diese Frage mit einem Ja und Nein zugleich. Denn in den ersten fünfzig Jahren wurde diese positive Entwicklung ganz einfach mit einer stetigen Abwertung der Landeswährung Lira erkauft, sagen diese Experten. Seit Einführung der Euro-Kunstwährung vor 23 Jahren ist Rom dies nun aber nicht mehr möglich.
Und weil bei der Euro-Gründung die zeitgleiche Einführung verbindlicher Richtlinien für die Fiskal- und Wirtschaftspolitik versäumt wurde, gleicht die Lage Italiens inzwischen der von Schwellenländern, die ihre jeweilige Landeswährung fix an eine als "hart“ empfundene Währung gebunden haben: Ohne interne Maßnahmen zur ständigen Verbesserung ihrer internationalen Konkurrenzfähigkeit drohen diesen Ländern existenzgefährdende Leistungsbilanzdefizite, die sich vor dem tiefen Fall in einer in astronomische Höhen steigenden Verschuldung widerspiegeln.
Hatte Italien im Jahr 2010 noch einen Schuldenstand in Höhe von knapp 120% des Bruttoinlandsproduktes (BIP), so waren es Anfang dieses Jahres bereits 150%. Italiens Staatsschulden liegen damit gemessen an diesem Indikator über denen Griechenlands (146%), als vor 12 Jahren die erste Eurokrise ausbrach.
Griechenland hatte damals allerdings noch mit einer entsprechend hohen Zinslast zu kämpfen, was Italien wegen der bisherigen Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) - und deren Anleihekaufprogrammen - bisher weitgehend erspart blieb. Doch nun war die EZB wegen der ausbordenden Inflation zum Anziehen der geldpolitischen Zügel gezwungen, was Mitte Juli auch endlich in einem ersten Schritt geschah.
Für Italien und andere hoch verschuldete Eurostaaten wird sich daraus noch ein zunehmendes Problem ergeben. Seitens der EZB wird man einstweilen wie gewohnt mit neuen Hilfsmaßnahmen reagieren. Damit könnte eine neue und heftige Eurokrise zwar vorübergehend vermieden werden. Dies allerdings zu dem hohen Preis, daß - sinnbildlich gesprochen - die Euro-Notenpresse erneut rotieren wird.
© Vertrauliche Mitteilungen
Auszug aus den "Vertrauliche Mitteilungen", Nr. 4508
Italien ist aktuell also nur wieder da angelangt, wo es sich seit 1946 meistens befand: im politischen Chaos mit unklaren Mehrheiten, die oft schon bei ihrem Entstehen wieder zum Scheitern verurteilt sind.
Gehört die gefühlte Unregierbarkeit Italiens augenzwinkernd nicht zuletzt auch zu dessen "La Dolce Vita"? Denn haben die Italiener im letzten dreiviertel Jahrhundert nicht auch bewiesen, daß sie trotzdem in der Lage waren, einen respektablen Industriestaat auf die Beine zu stellen?
Manche Ökonomen beantworten diese Frage mit einem Ja und Nein zugleich. Denn in den ersten fünfzig Jahren wurde diese positive Entwicklung ganz einfach mit einer stetigen Abwertung der Landeswährung Lira erkauft, sagen diese Experten. Seit Einführung der Euro-Kunstwährung vor 23 Jahren ist Rom dies nun aber nicht mehr möglich.
Und weil bei der Euro-Gründung die zeitgleiche Einführung verbindlicher Richtlinien für die Fiskal- und Wirtschaftspolitik versäumt wurde, gleicht die Lage Italiens inzwischen der von Schwellenländern, die ihre jeweilige Landeswährung fix an eine als "hart“ empfundene Währung gebunden haben: Ohne interne Maßnahmen zur ständigen Verbesserung ihrer internationalen Konkurrenzfähigkeit drohen diesen Ländern existenzgefährdende Leistungsbilanzdefizite, die sich vor dem tiefen Fall in einer in astronomische Höhen steigenden Verschuldung widerspiegeln.
Hatte Italien im Jahr 2010 noch einen Schuldenstand in Höhe von knapp 120% des Bruttoinlandsproduktes (BIP), so waren es Anfang dieses Jahres bereits 150%. Italiens Staatsschulden liegen damit gemessen an diesem Indikator über denen Griechenlands (146%), als vor 12 Jahren die erste Eurokrise ausbrach.
Griechenland hatte damals allerdings noch mit einer entsprechend hohen Zinslast zu kämpfen, was Italien wegen der bisherigen Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) - und deren Anleihekaufprogrammen - bisher weitgehend erspart blieb. Doch nun war die EZB wegen der ausbordenden Inflation zum Anziehen der geldpolitischen Zügel gezwungen, was Mitte Juli auch endlich in einem ersten Schritt geschah.
Für Italien und andere hoch verschuldete Eurostaaten wird sich daraus noch ein zunehmendes Problem ergeben. Seitens der EZB wird man einstweilen wie gewohnt mit neuen Hilfsmaßnahmen reagieren. Damit könnte eine neue und heftige Eurokrise zwar vorübergehend vermieden werden. Dies allerdings zu dem hohen Preis, daß - sinnbildlich gesprochen - die Euro-Notenpresse erneut rotieren wird.
© Vertrauliche Mitteilungen
Auszug aus den "Vertrauliche Mitteilungen", Nr. 4508