Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Finanzmärkte marginal erholt - Augen auf Jackson Hole - Deutschland: Quo vadis?

25.08.2022  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 0,9985 (05:54 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Stunden bei 0,9911 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 136,78. In der Folge notiert EUR-JPY bei 136,58. EUR-CHF oszilliert bei 0,9630.

An den Finanzmärkten dominierten in den letzten 24 Stunden Stabilisierungstendenzen. Die Aktienmärkte befreiten sich von zuletzt markierten Tiefstständen. Der Euro konnte sich gegenüber dem USD leicht erholen. Die edlen Metalle legten gegenüber dem USD zu. Weniger erbaulich sind die weiteren Renditeanstiege am Kapitalmarkt (Diskontierungsfaktor für alle anderen Märkte). So steht die Rendite der 10 jährigen Bundesanleihe heute früh bei 1,37% und die 10 jährige US-Staatsanleihe bei 3,10%.

Die Finanzmarktteilnehmer fokussieren sich auf das morgen beginnende Treffen in Jackson Hole. Bleibt der Chef der US-Notenbank Falke oder schielt er in Richtung Taube? Fakt ist, dass die aktuellen US-Wirtschaftsdaten ernüchtern. Die jüngst geführte Debatte über Rezession in den USA erübrigt sich hinsichtlich der aktuellen Daten (vorgestern PMIs, gestern Immobilienmarkt, siehe Datenpotpourri).

Ich gehe davon aus, dass Powell dem Falkenlager treu bleiben wird, um Glaubwürdigkeit zu etablieren. Es gibt aber ein Dilemma. Die US-Zinspolitik kann die exogenen Inflationstreiber nicht in den USA einfangen. Das kann nur die US-Außenpolitik im Rahmen einer Bereitschaft zur Deeskalation in der Ukraine-Krise. Das ist jedoch nicht ansatzweise erkennbar. Im Jahr 2021 ergab sich in den USA schon vor der Ukraine-Krise ein massives Haushaltsdilemma, das Fragen über die Qualität der US-Wirtschaft hinsichtlich selbst tragender Kräfte aufwirft.

Open in new window

Diese Darstellung unterstreicht die qualitative Schwäche der US-Ökonomie. Tatsache ist, dass die Finanzmärkte dieses Thema ausblenden. Strukturelle Haushaltsprobleme sind nur außerhalb der USA für Finanzmärkte relevant. Noch mag diese Regel gelten, aber sollte der Westen weiter an Akzeptanz verlieren (UN-Abstimmung wegen Ukraine gestern nur 58 von 198 Ländern auf US-Seite) droht Ungemach.


Deutschland: Quo vadis?

Außenhandel in Not

Laut DIHK wurde die deutsche Außenwirtschaft durch erhöhte Import- und Erzeugerpreise mit 70 Mrd. EUR belastet. Es gebe eine massive Kostenklemme.

Kommentar: Deutschland hat ein exportseitiges Geschäftsmodell. Das ist erfolgreich, weil unsere Produkte gut sind. Sie waren bisher auch preislich konkurrenzfähig. Das vom DIHK angesprochene Problem ist geeignet, das deutsche Geschäftsmodell und damit die Existenzgrundlage Deutschlands zu gefährden. Wie gestern berichtet sehen sich gut 42% des Mittelstands existentiell bedroht. Strukturen zu zerstören, ist einfach. Sie aufzubauen, ist teuer, langwierig und mit hohen Risiken begleitet. Von der Politik darf man erwarten, dass diese Zusammenhänge erkannt und begriffen werden. Sind die Erwartungen zu hoch?


Deutschland: Wohnungsunternehmen droht Kollaps wegen Gas

Laut Umfrage des Spitzenverbands GdW stehe jedes dritte sozial orientierte Wohnungsunternehmen (stehen für 30% aller Mietwohnungen in Deutschland) durch Insolvenz wegen der Energiepreise (Steigerung von 200% - 300%) vor dem Ruin. 38% der Unternehmen bräuchten staatliche Hilfen, weil sie die Vorfinanzierung der Gaspreise aus eigener Liquidität nicht leisten könnten.

Kommentar: Hier wird die Komplexität der Folgen der aktuellen Außenpolitik deutlich. Das Risikopotenzial hört nicht in der Ökonomie und den Arbeitsmärkten auf, sondern geht in die ultimative Grundversorgung der Bürger in Breite und Tiefe.


DIW-Präsident beruhigt und redet Wohlstandsverlusten das Wort

Der Präsident des DIW Fratzscher glaubt nicht an die Gefahr zu hoher Lohnabschlüsse, die dann die hohe Inflation weiter anheizten. Er bezeichnete das als Märchen. Die Gefahr sei nicht akut. Man müsse keine Panik schieben. Die Gewerkschaften hätten nicht mehr eine so starke Verhandlungsmacht, wie in den 1970er Jahren. Wahrscheinlicher seien deutliche Reallohnverluste. Dieses Jahr dürften die Löhne im Schnitt um 4,5% steigen, während die Inflation um circa 8% zulegen würde.

Kommentar: Ja, die Gewerkschaften sind mittlerweile eingehegt. Als Märchen würde ich die „Preis- Lohnspirale“ nicht bezeichnen. Wenn sozialer Dissens (Baerbock: Risiko von Volksaufständen) vermieden werden soll, muss markanten Verarmungstendenzen entgegen gewirkt werden.

Auch für die kommenden Jahre will Fratzscher keine Anzeichen einer Lohn-Preis-Spirale erkennen. Er sagte, viele Unternehmen seien nicht überfordert mit den Lohnforderungen. Es gebe durchaus Spielräume in vielen Branchen, beispielsweise der Energiebranche. In anderen Branchen, die vor großen wirtschaftlichen Problemen stehen, sehe das anders aus und Lohnzurückhaltung sei richtig und notwendig.

Kommentar: Die aktuellen Sorgen im Mittelstand belegen, dass die Anführung des Beispiels der Energiewirtschaft eine Ausnahme darstellt. Die Zurückhaltung ist nur dann akzeptabel, wenn es sich um ein temporäres Problem dreht. Erwartet Fratzscher damit ein nahes Ende der Ukraine-Krise? Dauerte die Krise an, redeten wir von einer dauerhaften Verarmungstendenz.

Seiner Ansicht nach, sei die Politik gefragt. Sie könne den Druck auf viele Verbraucher senken, die mit einer sinkenden Kaufkraft konfrontiert seien. So solle die Bundesregierung ein drittes Entlastungspaket auflegen. Zielgenau müssten mittlere und geringe Einkommen auf für circa 18 Monate entlastet werden. Das würde den Druck aus den anstehenden Lohnrunden nehmen. Für die Finanzierung schlägt Fratzscher vor, höhere Schulden zu akzeptieren.

Kommentar: So sieht Situationsmanagement, aber nicht Lösungsmanagement aus.


Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

USA: Immobilienmarkt mit klaren Schwächesignalen

Der von der MBA ermittelte Hypothekenmarktindex sank in der Berichtswoche per 19. August von zuvor 273,3 auf 270,1 Punkte und markierte den tiefsten Stand seit Januar 2000.

Open in new window

Der Index anhängiger Hausverkäufe fiel per Berichtsmonat Juli um 1,0% (Prognose -4,0%) von zuvor 90,7 (revidiert von 91,0) auf 89,8 Zähler. Damit wurde der niedrigste Wert seit 2011 unter Ausklammerung der Corona-Krise (Anomalie) markiert.

Open in new window

Der Auftragseingang für langlebige Wirtschaftsgüter verfehlte per Berichtsmonat Juli einem zum Vormonat unveränderten Stand die bei 0,6% angesiedelte Prognose. Der Vormonatswert wurde von 2,0% auf 2,2% revidiert.


Russland: Industrieproduktion weniger schwach

Die Industrieproduktion sank per Juli im Jahresvergleich um 0,5% (Prognose -2,4%) nach zuvor -2,4% (revidiert von -1,8%).


Südkorea: Leitzins von 2,25% auf 2,50%

Die Zentralbank Südkoreas hat den Leitzins auf der heutigen Sitzung erwartungsgemäß von 2,25% auf 2,50% angehoben.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein Überschreiten des Widerstandsniveaus bei 1.0300 - 1.0330 neutralisiert den positiven Bias des USD.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



Hinweis: Der Hellmeyer Report ist eine unverbindliche Marketingmitteilung der Netfonds AG, die sich ausschließlich an in Deutschland ansässige Empfänger richtet. Er stellt weder eine konkrete Anlageempfehlung dar noch kommt durch seine Ausgabe oder Entgegennahme ein Auskunfts- oder Beratungsvertrag gleich welcher Art zwischen der Netfonds AG und dem jeweiligen Empfänger zustande.

Die im Hellmeyer Report wiedergegebenen Informationen stammen aus Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität wir jedoch keine Gewähr oder Haftung übernehmen können. Soweit auf Basis solcher Informationen im Hellmeyer Report Einschätzungen, Statements, Meinungen oder Prognosen abgegeben werden, handelt es sich jeweils lediglich um die persönliche und unverbindliche Auffassung der Verfasser des Hellmeyer Reports, die in dem Hellmeyer Report als Ansprechpartner benannt werden.

Die im Hellmeyer Report genannten Kennzahlen und Entwicklungen der Vergangenheit sind keine verlässlichen Indikatoren für zukünftige Entwicklungen, sodass sich insbesondere darauf gestützte Prognosen im Nachhinein als unzutreffend erweisen können. Der Hellmeyer Report kann zudem naturgemäß die individuellen Anlagemöglichkeiten, -strategien und -ziele seiner Empfänger nicht berücksichtigen und enthält dementsprechend keine Aussagen darüber, wie sein Inhalt in Bezug auf die persönliche Situation des jeweiligen Empfängers zu würdigen ist. Soweit im Hellmeyer Report Angaben zu oder in Fremdwährungen gemacht werden, ist bei der Würdigung solcher Angaben durch den Empfänger zudem stets auch das Wechselkursrisiko zu beachten.



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!



Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"