Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Jackson Hole im Fokus - D: Öffentliches Defizit bei nur 0,7% - EZB-Protokoll

26.08.2022  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 0,9972 (05:45 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Stunden bei 0,9950 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 136,71. In der Folge notiert EUR-JPY bei 136,32. EUR-CHF oszilliert bei 0,9613.


Jackson Hole im Fokus

Der Finanzmarkt zeigte sich milde risikofreudig vor dem Event in Jackson Hole. Aktienmärkte waren freundlich gestimmt. Die Rendite der 10 jährigen Bundesanleihe liegt aktuell bei 1,31% und die der 10 jährigen US-Staatsanleihe bei 3,05%. Am Devisenmarkt dominierte weitgehend Seitwärtsbewegung. Gleiches gilt für die Edelmetallmärkte. Der Fokus liegt auf Jackson Hole.


Deutschland: Öffentliches Defizit nur bei 13 Mrd. EUR

Die Steuereinnahmen liegen jetzt über dem Vorkrisenniveau (Corona). Im ersten Halbjahr 2022 lag das Staatsdefizit bei lediglich 13 Mrd. EUR oder 0,7% des BIP. Im Vorjahr lag das Defizit im identischen Zeitraum des 1. Halbjahres bei 75,6 Mrd. EUR oder 4,3% des BIP. Das Defizit des Bundes stellte sich auf 42,8 Mrd. EUR. Dagegen fiel bei den Ländern ein Überschuss in Höhe von 16,6 Mrd. EUR und den Kommunen von 5,7 Mrd. EUR an. Die Sozialversicherungen lieferten ein Plus in Höhe von 7,4 Mrd. EUR ab

Kommentar: Diese Entwicklung erfreut. Hintergründe des erhöhten Steueraufkommens um 11,6% im Jahresvergleich sind steigende Unternehmenssteuern im ersten Halbjahr. So lagen die Gewerbesteuereinnahmen 27,7% über dem Vorjahresniveau. Die Körperschaftssteuern stiegen um 19,4% und die Einkommenssteuer um 24,8%. Die Umsatzsteuer nahm um 15,5% zu. Dabei spielten auch Inflationseffekte eine Rolle.

Gleichzeitig ergab sich bei den Ausgaben trotz der Belastungen durch die Ukraine-Krise nur ein leichter Anstieg. Wesentlich war dabei, dass Corona-Subventionen wegfielen. Bei Subventionen kam es zu einem Rückgang im Jahresvergleich um 50,1%.

Hinsichtlich der Steuereinnahmen wird deutlich, dass der Kapitalstock, also die Gesamtheit der Unternehmen, für das staatliche Einkommen explizit und implizit (Beschäftigung, Einkommenssteuer) von elementarer Bedeutung ist. Diese Daten mahnen die Politik, die Zukunftsfähigkeit des Kapitalstocks nicht auf das Spiel zu setzen. Das gilt für das Feld der Innenpolitik ebenso wie für das Feld der Außenpolitik.



EZB-Protokoll: Ein kritischer Blick auf Verbalakrobatik

Bei der letzten EZB-Ratssitzung im Juli haben einige Ratsmitglieder mit Blick auf die Rezessionsgefahren für eine geringere Zinserhöhung argumentiert.

Kommentar: Das Mandat der EZB bezieht sich auf Preisstabilität. Sie hat kein duales Mandat wie die Federal Reserve. Ergo ist diese Argumentation bezüglich des Mandats irrelevant.

Die große Mehrheit der Währungshüter votierte hinsichtlich gestiegenen Inflationsdrucks, denmLeitzins um 0,50% zu erhöhen.

Kommentar: Das entspricht dem Mandat, das die EZB zu verfolgen hat.

Das würde als klares Signal der Entschlossenheit angesehen, handlungsfähig zu sein und das Mandat der Preisstabilität zu erfüllen.

Kommentar: Diese Einlassung nehme ich zur Kenntnis. Fakt ist, dass die EZB die Zügel zu lange schleifen ließ. Ansonsten hätten wir jetzt nicht einen real negativen Zins bezüglich des Verhältnisses Leitzins zu Verbraucherpreisinflation von -8,4% und im Verhältnis Leitzins zu Erzeugerpreisen von -35,3%.

Es wurde argumentiert, dass die EZB ihren Willen und ihre Fähigkeit zu antworten zeigen müsse, wenn sich die Aussichten änderten.

Kommentar: Die Aussichten änderten sich spätestens dramatisch am 24. Februar 2022, da seinerzeit feststand, dass sich die entspannende Wirkung der zuvor erwarteten Basiseffekte bezüglich der Rohstoffpreise nicht ergeben würde.

Eine Zinserhöhung um 0,50% brächte mehr Klarheit für die Marktteilnehmer in einem unsicheren Umfeld.

Kommentar: Ja, damit wurde jedoch lediglich ein spätes Zeichen gesetzt. Ja, die Markterwartungen wurden übertroffen. Ja, damit hat die EZB die Vorzeichen der Zinspolitik verändert und dynamisiert.

Die Verankerung der Inflationserwartungen sei davon abhängig, dass die EZB entschlossen vorginge angesichts der sich verschlechternden Inflationsaussichten.

Kommentar: In der Tat, aber es war und es ist spät. Das lässt sich an der Bewertung des Euros festmachen. Die Schwäche des Euros führt zu verstärkter importierter Inflation. Die Zinsdifferenz ist ein elementarer Baustein der Bewertung, es ist aber fraglos nicht der einzige Baustein. Die Folgen der Geopolitik kann die EZB eben nicht auffangen. Dieses Dilemma mag den zuvor gewählten Kurs der EZB ein Stück weit erklären.


Texas und Florida nehmen Abstand von ESG

Das Thema ESG dominierte in den letzten Jahren. Der politischen Ausrichtung auf Nachhaltigkeit wurde seitens der Finanzwirtschaft und der Realwirtschaft größtenteils entsprochen. Nun regt sich in den USA Widerstand.

In Texas, dem US-Bundesstaat mit der größten Erdöl- und Erdgaswirtschaft innerhalb der USA, gilt seit dem 1. September 2021 ein bundesstaatliches Gesetz, dass es der texanischen Regierung verbietet, Verträge mit Firmen abzuschließen, die ihre Beziehungen zu kohlenstoffemittierenden Energieunternehmen eingeschränkt haben. Das wird jetzt umgesetzt. Betroffen sind unter anderem Blackrock, UBS, BNP neben weiteren Instituten. Auch in Florida kommt es zu Absatzbewegungen von ESG-Kriterien. Der Gouverneur Floridas verpflichtete den State Pension Fund, ESG-Kriterien zu ignorieren.

Kommentar: Um nachhaltige Umweltpolitik zu machen, bedarf es eines globalen Ansatzes. Dieser Ansatz erfährt derzeit Fissuren.


Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone: BIP und IFO besser als erwartet, Frankreich relativ stabil

Deutschland: Das BIP legte per 2. Quartal 2022 im Quartalsvergleich um 0,1% (Prognose und vorläufiger Wert 0,0%) zu. Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 1,7% (Prognose und vorläufiger Wert 1,4%).

Deutschland: Der IFO Geschäftsklimaindex sank per August von zuvor 88,7 (revidiert von 88,6) auf 88,5 Punkte (Tiefpunkt seit Juni 2020, Prognose 86,8). Der Lageindex stellte sich auf 97,5 (Prognose 96,0) nach 97,7 Zählern, während der Erwartungsindex von 80,4 (revidiert von 80,3) auf 80,3 Punkte fiel (Prognose 79,0).

Frankreich: Der Geschäftsklimaindex für die Gesamtwirtschaft verharrte per August bei 103 Punkten (Tiefpunkt seit April 2021). Der Index für das Verarbeitende Gewerbe sank von 106 auf 104 Zähler (Prognose 104, Tiefpunkt seit April 2021).


UK: CBI-Einzelhandelsindex schießt in die Höhe

Der CBI Index für den Einzelhandel schoss per August unerwartet von -4 auf +37 Punkte in die Höhe (Prognose -7) und markierte den höchsten Stand seit November 2021. Die Divergenz zu den verfügbaren Daten wirft Qualitätsfragen auf.


USA: Daten überwiegend etwas besser als unterstellt

Das BIP sank laut zweiter Schätzung per 2. Quartal 2022 um 0,6% (Prognose und Erstschätzung bei -0,8%). Die US-Unternehmensgewinne legten im 2. Quartal 2022 im Quartalsvergleich um 9,1% nach zuvor -4,9% zu. Die Arbeitslosenerstanträge sanken in der Berichtswoche per 20. August von zuvor 245.000 (revidiert von 250.000) auf 243.000 (Prognose 253.000). Der Kansas City Fed Composite Index stellte sich per Berichtsmonat August auf 3 nach zuvor 13 Punkten und markierte den niedrigsten Stand seit Juli 2020.


Russland: Devisenreserven sinken

Die Devisenreserven sanken in der Berichtswoche per 18. August von zuvor 580,6 auf 574,0 Mrd. USD.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein Überschreiten des Widerstandsniveaus bei 1.0300 - 1.0330 neutralisiert den positiven Bias des USD.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



Hinweis: Der Hellmeyer Report ist eine unverbindliche Marketingmitteilung der Netfonds AG, die sich ausschließlich an in Deutschland ansässige Empfänger richtet. Er stellt weder eine konkrete Anlageempfehlung dar noch kommt durch seine Ausgabe oder Entgegennahme ein Auskunfts- oder Beratungsvertrag gleich welcher Art zwischen der Netfonds AG und dem jeweiligen Empfänger zustande.

Die im Hellmeyer Report wiedergegebenen Informationen stammen aus Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität wir jedoch keine Gewähr oder Haftung übernehmen können. Soweit auf Basis solcher Informationen im Hellmeyer Report Einschätzungen, Statements, Meinungen oder Prognosen abgegeben werden, handelt es sich jeweils lediglich um die persönliche und unverbindliche Auffassung der Verfasser des Hellmeyer Reports, die in dem Hellmeyer Report als Ansprechpartner benannt werden.

Die im Hellmeyer Report genannten Kennzahlen und Entwicklungen der Vergangenheit sind keine verlässlichen Indikatoren für zukünftige Entwicklungen, sodass sich insbesondere darauf gestützte Prognosen im Nachhinein als unzutreffend erweisen können. Der Hellmeyer Report kann zudem naturgemäß die individuellen Anlagemöglichkeiten, -strategien und -ziele seiner Empfänger nicht berücksichtigen und enthält dementsprechend keine Aussagen darüber, wie sein Inhalt in Bezug auf die persönliche Situation des jeweiligen Empfängers zu würdigen ist. Soweit im Hellmeyer Report Angaben zu oder in Fremdwährungen gemacht werden, ist bei der Würdigung solcher Angaben durch den Empfänger zudem stets auch das Wechselkursrisiko zu beachten.



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!



Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"