Inflation, Hochinflation, Hyperinflation
03.09.2022 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Von Hyperinflation spricht man dann, wenn die Steigerungsraten der Güterpreise sehr, sehr hoch ausfallen und im Zeitablauf immer weiter zunehmen; man sagt auch: zu galoppieren beginnen. In den modernen Ökonomie-Lehrbüchern ist meist zu lesen, dass eine Hyperinflation bei Preissteigerungen von 50 % oder mehr pro Monat vorliegt. Diese Einstufung geht auf einflussreiche Arbeiten des US-amerikanischen Ökonomen Philip Cagan zurück.Man mache sich jedoch klar: Eine Preissteigerung von 50% pro Monat läuft auf eine Jahresrate der Inflation von fast 12.900% hinaus. Das ist erschreckend hoch. Es würde beispielsweise bedeuten, dass der Preis einer Tasse Kaffee binnen eines Jahres von 3 Euro auf 390 Euro steigt. Angesichts der fatalen Wirkung hoher Inflation auf die Kaufkraft des Geldes in ganz kurzer Zeit, wäre es ökonomisch gesehen durchaus sinnvoll, die Schwelle viel niedriger anzusetzen - und bereits bei einer dauerhaften Preissteigerung von, sagen wir, 3 Prozent pro Monat bereits von Hyperinflation zu sprechen.
Denn allein schon ein Preiszuwachs von 3 Prozent pro Monat läuft auf eine Jahresrate von 43% hinaus, und eine solche Inflation hat die Kaufkraft des Geldes bereits nach 2 Jahren halbiert und nach 5 Jahren um 83% herabgesetzt - also eine nahezu völlige Zerstörung des Geldwertes bewirkt.
Wie kommt es zu Hyperinflation?
Die Hyperinflation ist gewissermaßen mit dem ungedeckten Papiergeld, dem sogenannten Fiat-Geld, in die Welt gekommen. Sie war und ist eine latente Gefahr des ungedeckten Papier- beziehungsweise Fiatgeldes. Denn die staatliche Zentralbank kann - vereinfachend gesagt - die ungedeckte Fiatgeldmenge jederzeit und in jeder beliebigen Menge vermehren. Und das geschieht üblicherweise dann, so zeigt die Währungsgeschichte leidvoll, wenn der Staat Krieg führt, oder wenn er so überschuldet ist, dass er keine andere Möglichkeit mehr sieht, seine Ausgaben zu finanzieren, als sich sprichwörtlich von seiner Zentralbank neues Geld drucken zu lassen.
Eine Hyperinflation ist also im Regelfall politisch herbeigeführt. Dazu der Ökonom Ludwig von Mises. der im Jahr 1923 schrieb: "Wir sahen, daß eine Regierung sich immer dann genötigt sieht, zu inflationistischen Maßnahmen zu greifen, wenn sie den Weg der Anleihebegebung nicht zu betreten vermag und den der Besteuerung nicht zu betreten wagt, weil sie fürchten muß, die Zustimmung zu dem von ihr befolgten System zu verlieren, wenn sich seine finanziellen und allgemein wirtschaftlichen Folgen allzu schnell klar enthüllen.
So wird die Inflation zu dem wichtigsten psychologischen Hilfsmittel einer Wirtschaftspolitik, die ihre Folgen zu verschleiern sucht. Man kann sie in diesem Sinne als ein Werkzeug antidemokratischer Politik bezeichnen, da sie durch Irreführung der öffentlichen Meinung einem Regierungssystem, das bei offener Darlegung der Dinge keine Aussicht auf die Billigung durch das Volk hätte, den Fortbestand ermöglicht."
Wie sich die Inflation, über Hochinflation zur Hyperinflation aufschaukelt, das will ich nun kurz skizzieren. Nehmen wir an, der Staat ist hoch verschuldet und gerät in finanzielle Bedrängnis - weil beispielsweise die Konjunktur plötzlich einbricht. In seinem Haushalt tun sich große Löcher auf. Um sie zu schließen, gibt der Staat neue Anleihen aus, die von der Zentralbank gekauft werden, und die diese mit neuem Geld bezahlt.
Der Staat gibt das Geld aus (für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Sozialtransfers etc.), und die Geldmenge in den Händen der Konsumenten und Produzenten schwillt an. Die Empfänger des neuen Geldes tauschen es daraufhin gegen Güter ein, und in der Folge steigen die Güterpreise.
Die Menschen sind allerdings durch die plötzliche Geldmengenvermehrung und den daraus resultierenden Inflationsanstieg sprichwörtlich überrascht worden: Die tatsächliche Inflation fällt höher aus als ursprünglich erwartet war, das heißt höher als die Inflation, die ihnen von Zentralbank und Regierung hoch und heilig versprochen wurde.
Die Überraschungsinflation hat bewirkt, dass die Güterpreise stärker angestiegen sind als Löhne und Pensionen zugenommen haben, und dadurch wird die breite Bevölkerung ärmer. Ihre realen, das heißt inflationsbereinigten Löhne und Einkommen sinken. Die Menschen erkennen den Betrug, erkennen, dass sie durch Überraschungsinflation getäuscht wurden. Daraufhin passen sie ihre Lohn-, Miet- und Kreditverträge an, indem sie sie mit einer nunmehr höheren erwarteten Inflation neuaushandeln.
Wenn der Staat in dieser Situation nicht seine Ausgaben kürzt, sondern sie noch weiter ausweitet, weil zum Beispiel die Zahlungen für Sozialtransfers (Wohngeld, Lebensmittelzuschüsse etc.) durch den Anstieg der Güterpreisinflation weiter beschleunigen, dann ist eine immer stärkere Ausweitung der Geldmenge durch die Zentralbank vorprogrammiert.
Erhöht die Zentralbank den Geldmengenzuwachs (indem sie beispielsweise noch mehr Staatsanleihen aufkauft), werden die Menschen erneut von der Überraschungsinflation heimgesucht, und die Kaufkraft ihres Geldes schwindet noch stärker.