Die "Realkasse", nicht die "Nominalkasse" zählt
04.09.2022 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Sache mit der "Realkasse"
Wohl jeder, der tagtäglich Geld für Käufe und Verkäufe verwendet, kennt das: Werden die Güter teurer, steigt also ihr Preis, bekommt man weniger für sein Geld. Beispiel: Kostet ein Apfel 1 Euro pro Stück, kann ich mit meinen 10 Euro-Schein 10 Äpfel kaufen. Steigt der Apfelpreis auf, sagen wir, 2 Euro pro Stück, bekomme ich nur noch 5 Äpfel für den gleichen Geldbetrag. Steigende Güterpreise lassen also die Kaufkraft des Geldes fallen.
Nun gilt aber bekanntlich nicht alles, was für den einzelnen gilt, auch für die gesamte Volkswirtschaft. Beispiel: Wenn ich mich im Kino auf meinen Sitz stelle, kann ich besser sehen. Wenn aber alle das Gleiche tun, also alle auf ihre Sitze klettern, gilt die Aussage nicht mehr. Vielmehr werden mir nun vermutlich viele Kinobesucher die Sicht versperren. Die Aussage, dass steigende Güterpreise die Kaufkraft des Geldes fallen lassen, gilt allerdings für den einzelnen wie auch für die gesamte Volkswirtschaft.
Das obige Beispiel hat eine Entsprechung in der ökonomischen Theorie, und zwar unter dem Namen "Realkasseneffekt" (englisch: "Real balance effect"). Er geht auf die Arbeiten der Ökonomen von Gottried Haberler (1946), Don Pigou und (1943) und Arthur C. Patinkin (1965) zurück.
Ihnen ging es darum zu zeigen, dass eine Volkswirtschaft aus einer Krise sehr wohl allein, durch das Wirken der Marktkräfte zu ihrem Gleichgewicht zurückfindet, und zwar auch in dem Fall, in dem, wie die Keynesianer es behaupteten, eine sogenannte "Liquiditätsfalle" vorliegt (also eine Situation, in der die Zinsen nicht weiter abgesenkt werden können und, so die Keynesianer, die Wirtschaft in einer Unterbeschäftigungssituation gefangen ist).
Der Realkasseneffekt resultiert aus der Veränderung zwischen der Geldmenge in der Volkswirtschaft und dem vorherrschenden Preisniveau. Beispiel: Bei einer Geldmenge von 10 Euro und einem Preisniveau von 1 (zum Beispiel beträgt der Apfelpreis 1 Euro pro Stück) beläuft sich die Kaufkraft des Geldes auf 10 (also 10 Euro dividiert durch 1). Bei einem Preisniveau von, sagen wir 5, ist die Kaufkraft des Geldes nur noch 2 (10 Euro durch 5).
Der Anstieg des Preisniveaus (in diesem Beispiel von 1 auf 5) führt zu einem negativen Realkasseneffekt; gleiches bewirkt ein Schrumpfen der Geldmengen bei unverändertem Preisniveau. Fällt hingegen das Preisniveau und/oder steigt die Geldmenge im Verhältnis zum gegebenen Preisniveau, kommt es zu einem positiven Realkasseneffekt.
Eine einfache Illustration
Für den Realkasseneffekt spielt die Zentralbankpolitik eine ganz entscheidende Rolle. Die Zentralbank ist nämlich der Monopolist für die Geldmengenproduktion. Sie bestimmt in letzter Konsequenz die Höhe der Geldmenge in der Volkswirtschaft. Ein negativer Realkasseneffekt führt zu einem Abbremsen des Wirtschaftsgeschehens, er kann sogar eine Rezession auslösen. Hingegen treibt ein positiver Realkasseneffekt die Wirtschaftsaktivität an, er kann jedoch auch die Güterpreise ansteigen lassen beziehungsweise den Weg in eine Hoch- und sogar Hyperinflation ebnen. Um das zu verdeutlichen, sei ein Blick auf die nachstehenden Graphiken genommen.
Graphik (a) zeigt die Entwicklung der Geldmenge (blau) und des Preisniveaus (rot) im Zeitablauf. In Phase 1 nehmen Geldmenge und Preise mit gleichen Raten zu. Daraus ergibt sich eine entsprechende positive Realkasse (gemeint ist damit das Verhältnis von Geldmenge zum Preisniveau) in den Händen der Konsumenten und Produzenten (siehe Graphik (b)). In Phase 2 steigt die Geldmenge stärker als die Güterpreise zunehmen. Entsprechend nimmt die Realkasse in der Volkswirtschaft zu - und es ist davon auszugehen, dass solch eine Entwicklung zu einem (inflationärem) Wirtschaftsaufschwung führt.
In Phase 3 steigen die Güterpreise plötzlich stärker an, als die Geldmenge zunimmt, und entsprechend nimmt die Realkasse ab. Die Folge: Konsumenten und Produzenten verlieren Kaufkraft, sie können weniger Güter als vorher mit ihrem Geld kaufen. Die Wirtschaft schwächt sich ab. Die Realkasse sinkt in Phase 4 sogar unter das Ausgangsniveau (das in Phase 1 vorgeherrscht hat). Der Realkasseneffekt ist negativ, wie aus Graphik (b) zu entnehmen ist. Die damit verbundene Nachfragereduktion bremst die Wirtschaft, führt vielleicht sogar zu einer Rezession.
In Phase 5 steigt die Geldmenge wieder stärker als die Güterpreise. Annahmegemäß versucht hier nämlich die Zentralbank die Rezession zu verhindern, dem sie die Geldmenge erhöht. Gegen Ende von Phase 5 steigt die Realkasse der Marktakteure wieder (leicht) an. Dann jedoch, in Phase 6, steigen die Güterpreise wieder stärker an, als die Geldmenge zunimmt, und die Realkasse nimmt wieder (stark) ab. Warum aber sollten die Güterpreise das Geldmengenwachstum übersteigen?
Die Antwort lautet: Die Zentralbank versucht, die Wirtschaft mit immer größeren Dosen von Geldmengenvermehrung und Inflationsschüben in Gang zu halten. Das kann anfänglich gelingen. Aber irgendwann glauben die Menschen nicht mehr daran, dass die Zentralbank den Zuwachs des Preisniveaus im Zeitablauf (also die Güterpreisinflation) niedrig hält, sondern sie erkennen, dass die Zentralbank die Kaufkraft des Geldes opfert, um die Wirtschaft in Gang zu halten.
Wohl jeder, der tagtäglich Geld für Käufe und Verkäufe verwendet, kennt das: Werden die Güter teurer, steigt also ihr Preis, bekommt man weniger für sein Geld. Beispiel: Kostet ein Apfel 1 Euro pro Stück, kann ich mit meinen 10 Euro-Schein 10 Äpfel kaufen. Steigt der Apfelpreis auf, sagen wir, 2 Euro pro Stück, bekomme ich nur noch 5 Äpfel für den gleichen Geldbetrag. Steigende Güterpreise lassen also die Kaufkraft des Geldes fallen.
Nun gilt aber bekanntlich nicht alles, was für den einzelnen gilt, auch für die gesamte Volkswirtschaft. Beispiel: Wenn ich mich im Kino auf meinen Sitz stelle, kann ich besser sehen. Wenn aber alle das Gleiche tun, also alle auf ihre Sitze klettern, gilt die Aussage nicht mehr. Vielmehr werden mir nun vermutlich viele Kinobesucher die Sicht versperren. Die Aussage, dass steigende Güterpreise die Kaufkraft des Geldes fallen lassen, gilt allerdings für den einzelnen wie auch für die gesamte Volkswirtschaft.
Das obige Beispiel hat eine Entsprechung in der ökonomischen Theorie, und zwar unter dem Namen "Realkasseneffekt" (englisch: "Real balance effect"). Er geht auf die Arbeiten der Ökonomen von Gottried Haberler (1946), Don Pigou und (1943) und Arthur C. Patinkin (1965) zurück.
Ihnen ging es darum zu zeigen, dass eine Volkswirtschaft aus einer Krise sehr wohl allein, durch das Wirken der Marktkräfte zu ihrem Gleichgewicht zurückfindet, und zwar auch in dem Fall, in dem, wie die Keynesianer es behaupteten, eine sogenannte "Liquiditätsfalle" vorliegt (also eine Situation, in der die Zinsen nicht weiter abgesenkt werden können und, so die Keynesianer, die Wirtschaft in einer Unterbeschäftigungssituation gefangen ist).
Der Realkasseneffekt resultiert aus der Veränderung zwischen der Geldmenge in der Volkswirtschaft und dem vorherrschenden Preisniveau. Beispiel: Bei einer Geldmenge von 10 Euro und einem Preisniveau von 1 (zum Beispiel beträgt der Apfelpreis 1 Euro pro Stück) beläuft sich die Kaufkraft des Geldes auf 10 (also 10 Euro dividiert durch 1). Bei einem Preisniveau von, sagen wir 5, ist die Kaufkraft des Geldes nur noch 2 (10 Euro durch 5).
Der Anstieg des Preisniveaus (in diesem Beispiel von 1 auf 5) führt zu einem negativen Realkasseneffekt; gleiches bewirkt ein Schrumpfen der Geldmengen bei unverändertem Preisniveau. Fällt hingegen das Preisniveau und/oder steigt die Geldmenge im Verhältnis zum gegebenen Preisniveau, kommt es zu einem positiven Realkasseneffekt.
Eine einfache Illustration
Für den Realkasseneffekt spielt die Zentralbankpolitik eine ganz entscheidende Rolle. Die Zentralbank ist nämlich der Monopolist für die Geldmengenproduktion. Sie bestimmt in letzter Konsequenz die Höhe der Geldmenge in der Volkswirtschaft. Ein negativer Realkasseneffekt führt zu einem Abbremsen des Wirtschaftsgeschehens, er kann sogar eine Rezession auslösen. Hingegen treibt ein positiver Realkasseneffekt die Wirtschaftsaktivität an, er kann jedoch auch die Güterpreise ansteigen lassen beziehungsweise den Weg in eine Hoch- und sogar Hyperinflation ebnen. Um das zu verdeutlichen, sei ein Blick auf die nachstehenden Graphiken genommen.
Quelle: eigene Darstellung.
Graphik (a) zeigt die Entwicklung der Geldmenge (blau) und des Preisniveaus (rot) im Zeitablauf. In Phase 1 nehmen Geldmenge und Preise mit gleichen Raten zu. Daraus ergibt sich eine entsprechende positive Realkasse (gemeint ist damit das Verhältnis von Geldmenge zum Preisniveau) in den Händen der Konsumenten und Produzenten (siehe Graphik (b)). In Phase 2 steigt die Geldmenge stärker als die Güterpreise zunehmen. Entsprechend nimmt die Realkasse in der Volkswirtschaft zu - und es ist davon auszugehen, dass solch eine Entwicklung zu einem (inflationärem) Wirtschaftsaufschwung führt.
In Phase 3 steigen die Güterpreise plötzlich stärker an, als die Geldmenge zunimmt, und entsprechend nimmt die Realkasse ab. Die Folge: Konsumenten und Produzenten verlieren Kaufkraft, sie können weniger Güter als vorher mit ihrem Geld kaufen. Die Wirtschaft schwächt sich ab. Die Realkasse sinkt in Phase 4 sogar unter das Ausgangsniveau (das in Phase 1 vorgeherrscht hat). Der Realkasseneffekt ist negativ, wie aus Graphik (b) zu entnehmen ist. Die damit verbundene Nachfragereduktion bremst die Wirtschaft, führt vielleicht sogar zu einer Rezession.
In Phase 5 steigt die Geldmenge wieder stärker als die Güterpreise. Annahmegemäß versucht hier nämlich die Zentralbank die Rezession zu verhindern, dem sie die Geldmenge erhöht. Gegen Ende von Phase 5 steigt die Realkasse der Marktakteure wieder (leicht) an. Dann jedoch, in Phase 6, steigen die Güterpreise wieder stärker an, als die Geldmenge zunimmt, und die Realkasse nimmt wieder (stark) ab. Warum aber sollten die Güterpreise das Geldmengenwachstum übersteigen?
Die Antwort lautet: Die Zentralbank versucht, die Wirtschaft mit immer größeren Dosen von Geldmengenvermehrung und Inflationsschüben in Gang zu halten. Das kann anfänglich gelingen. Aber irgendwann glauben die Menschen nicht mehr daran, dass die Zentralbank den Zuwachs des Preisniveaus im Zeitablauf (also die Güterpreisinflation) niedrig hält, sondern sie erkennen, dass die Zentralbank die Kaufkraft des Geldes opfert, um die Wirtschaft in Gang zu halten.