Ein Albtraum namens 'digitaler Neo-Feudalismus' - und wie er sich vertreiben läßt
08.01.2023 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Der "Neo-Sozialismus" ist grundlegend anders als der "alte Sozialismus". Der "alte Sozialismus" hatte - zumindest offiziell - noch zum Ziel, das wirtschaftliche Wohl der breiten Bevölkerung zu verbessern, sie mit mehr und besseren Gütern - Nahrungsmitteln, Kleidung, Wohnraum etc. - zu versorgen (auch wenn das nicht funktioniert hat).Der Neo-Sozialismus will hingegen den materiellen Wohlstand der Menschen an das politisch definierte, als akzeptabel angesehene Maß anpassen. Die Massen sollen fortan weniger Ressourcen beanspruchen - sie sollen weniger konsumieren, weniger reisen; und auch die Erdbevölkerung beziehungsweise ihre künftige Größe könnte Gegenstand der "politischen Bewirtschaftung" werden.
Die Eliten, die diese Herabsetzung des Lebensstandards der Massen propagieren, schweigen dazu, ob sie selbst künftig auf Flüge, Luxus-Hotels, Reisen, große Anwesen, hohe Einkommen etc. verzichten möchten.
Interpretiert man ihr Handeln, scheint die Auffassung vorzuherrschen, dass lediglich der Lebensstil der Massen das Problem sei, hingegen der Lebensstil einer kleinen Elite unverändert beibehalten werden kann, weil er nicht ins Gewicht fällt.
VIII.
Die Digitalisierung - die durch die Coronavirus-Krise und die politisch diktierten Lockdowns ganz erheblich befördert wurde - spielt den "Great Reset"-Befürwortern in die Hände. Digitale ID, digitaler Impfpass und digitales Zentralbankgeld sind die technischen Mittel, mit der der "Great Reset" sich in die Tat umsetzen lässt.
Vor allem das digitale Zentralbankgeld hat das Potential, die Great-Reset-Agenda entscheidend voranzutreiben. Digitales Zentralbankgeld wird nicht nur helfen, das Bargeld aus dem Verkehr zu ziehen und die finanzielle Privatsphäre der Menschen zu beenden. Es wird vermutlich auch dem Geschäftsbankengeld Marktanteile abringen.
Das Vordringen des digitalen Zentralbankgeldes eröffnet dem Staat ungeahnte Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten. Schließlich ist digitales Zentralbankgeld programmierbar, es lässt sich mit einen "Social-Credit-Score" a la China verbinden.
Der Staat kann bestimmen, wer was wann kaufen darf, und damit das Verhalten der Menschen maßgeblich beeinflussen. Es ist dann ein Einfaches für den Staat, systemkonformes Verhalten zu belohnen und Andersdenkende zu bestrafen.
Letztlich ist totale Kontrolle von jedem und allem möglich. Lockdowns, Regulierung von Reisen, Fleischkonsum, Energieverbrauch etc. ließen sich leicht durchsetzen. Ein Bürger, der sich mit digitalem Zentralbankgeld die Woche schon ein Schnitzel gekauft hat, kann sich nun kein weiteres kaufen, und im Lockdown könnten die Konten für alle Transaktionen gesperrt werden, ausgenommen für Käufe im Supermarkt oder in der Apotheke.
So etwas wie ein digitales Gefängnis entsteht; die Ideen, die den Neo-Sozialismus prägen, arbeiten, in die Tat umgesetzt, in die Richtung eines Albtraums namens "digitaler Neo-Feudalismus".
IX.
Die modernen Demokratien sind gegenüber einer solchen Entwicklung anfällig. Dem Soziologen Robert Michels (1876-1936) zufolge hat die Demokratie nämlich die Tendenz, sich zu oligarchisieren. In den Parteien bilden sich Parteieliten heraus, die das Parteiprogramm vom Wählerwillen loslösen können.
Zudem können die Parteien miteinander kooperieren, ein Kartell formieren, das die Souveränität der Wähler aushebelt, so dass die Gewählten, nicht die Wähler am Steuer sitzen. Die eigentliche Entscheidungsmacht liegt dann bei einer oligarchisierten Parteielite, nicht mehr beim Volk.
Das vergrößert die Möglichkeit, dass Sonderinteressengruppen den Staat für ihre Zwecke einspannen können: Sonderinteressengruppen wie etwa BigBusiness, Big-Pharma, BigTech, BigBanking und die Militärindustrie, aber auch andere Lobbygruppen und Klimaaktivisten.
In oligarchisierten Demokratien wird es für die Parteieneliten und die Sonderinteressengruppen leicht möglich, supranationale Entscheidungs- und Machtstrukturen zu errichten, die der parlamentarischen Kontrolle der nationalen Wähler entgleiten, die keine unmittelbare Legitimierung durch die Wähler mehr haben und die den Weg eröffnen zu einer Art - inoffizieller oder auch offizieller - Weltregierung, die gerade auch im Zeitalter der Digitalisierung nur allzu leicht ausarten kann in eine Welttyrannei, einen digitalen Neo-Feudalismus eben.
X.
Was voranstehend skizziert wurde, ist keine Zwangsläufigkeit. Die menschliche Zukunft wird nämlich von Ideen bestimmt, die das Handeln der Menschen leiten; und Ideen können sich ändern.
Soll der Sozialismus (der digitale Neo-Feudalismus) abgewendet werden, müssen die Ideen des Sozialismus und aller seiner Spielarten von der Idee der Freiheit überwunden werden. Die Idee der Freiheit bedeutet, kurz gesagt:
Dass jeder von uns (du und ich) als Eigentümer seiner selbst akzeptiert wird (das jeder Selbsteigentum an seinem Körper hat); dass es ihm zusteht, seine körperliche Existenz zu erhalten, das heißt sich externe Güter auf nicht-aggressivem Wege anzueignen - durch Erstinbesitznahme, Produktion und Tauschen; und dass es mit dem Selbsteigentum nicht vereinbar ist, dass eine Person eine andere Person gegen ihren Willen (gewaltsam oder durch Androhung von Gewalt) beherrscht.
Die Idee der Freiheit bedeutet im Kern den unbedingten Respekt vor dem Eigentum als Leitlinie für ein friedvolles und produktives Miteinander der Menschen in der Gemeinschaft.
Und sobald die Idee der Freiheit in dieser Weise begriffen und gelebt wird, ist die sozialistische Idee überwunden, ist die Gefahr, dass die Volkswirtschaften in einen digitalen Neo-Feudalismus abgleiten, gebannt.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH