Die Pleite der Silicon Valley Bank. Oder: Das Problem der "Teilreserve"
18.03.2023 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Gleichzeitig haben sie jedoch das, was unter Liquidität zu verstehen ist, definitorisch ausgeweitet. So müssen 60 Prozent der liquiden Mittel der Banken aus Bargeld, erstklassigen Staatsanleihen und anderen zentralbankfähigen Papieren bestehen, bis zu 40 Prozent dürfen Unternehmensanleihen mit hoher Bonität ausmachen. Firmen- und Hypothekenanleihen zählen mittlerweile auch dazu, die jedoch nur zum Teil angerechnet werden. Eine so definierte Liquidität der Bank muss ausreichen, einen innerhalb von 30 Tagen zu erwartenden Nettomittelabfluss zu finanzieren.In normalen Marktphasen mag das ausreichend erscheinen. Das Bild ändert sich jedoch, wenn Einleger und/oder Investoren skeptisch werden, wenn die Wertpapierkurse verfallen, die Handelsaktivität in den Märkten einfriert. Angesichts solcher Marktphasen fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, dass die ein oder andere Bank dann doch als
illiquide entlarvt wird. Dann kann ein "Bankensturm" (englisch: "Bank-Run") entstehen.
Einen Bank-Run kann es seitens der institutionellen Investoren geben: Versicherungen, Pensionsfonds, Kapitalanlagegesellschaften sind plötzlich nicht mehr willens, die fälligen Kredite, die sie den Banken gewährt haben, zu erneuern. Finden die Banken daraufhin keine Anschlussfinanzierung, werden sie zahlungsunfähig. Üblicherweise springt bei einem Bankensturm von Seiten institutioneller Investoren die Zentralbank ein: Sie stellt die erforderlichen Kredite und die benötigte Geldmenge bereit.
Bei einem Bankensturm der Privatanleger gibt es die gefürchteten Schlangen vor den Bankschaltern: Die Kunden ziehen ihre Einlagen in bar ab. Meist reichen die Bargeldbestände jedoch nicht aus, alle Auszahlungswünsche zu erfüllen. Die Zentralbank kann jedoch auch hier "rettend" einspringen, die "Bank in Not" mit zusätzlichem Bargeld versorgen. Oder aber den Kunden wird die Bargeldauszahlung verwehrt, stattdessen wird ihnen weiterhin die Möglichkeit offengehalten, ihre Guthaben an andere Banken zu überweisen, und die Zentralbank finanziert die Zahlungen mit neu geschaffenem Geld.
Boom & Bust
Ein Bankensystem, das mit einer Teilreserve operiert, ist krisenanfällig, wird immer wieder in Krisen enden. Zwar wurden den Banken seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 viele Regularien vorgeschrieben, die die Risiken aus ihrer Verschuldungs-, Liquiditäts- und Kapitalposition reduziert haben. Jedoch verbleibt natürlich ein "Restrisiko". Banken sind Unternehmen, und der Firmenleitung können mitunter auch schlechte Entscheidungen unterlaufen, die letztlich der Bank das Überleben kosten.
Neben diesen unternehmensspezifischen Risiken unterliegt das Bankgeschäft jedoch vor allem auch den Gefahren, die aus dem Fiatgeldregime selbst erwachsen. Das Fiatgeldregime, das die Zentralbanken betreiben, sorgt für Boom und Bust: für Aufstieg und Absturz, für Hochkonjunktur und Krise. Eben war die Wirtschaftslage noch vielversprechend, plötzlich verdunkeln sich die Wolken. Kreditnehmer geraten in Zahlungsverzug, Darlehen fallen aus, die Zinsen steigen, weil Kreditgeber vorsichtiger werden, so mancher Schuldner wird von steigenden Kreditkosten überfordert.
Quelle: FDIC. Bis Ende Q3 2022.
Banken erleiden Verluste, die sie mit ihren Rücklagen decken müssen. Reicht das nicht aus, schrumpft ihr Eigenkapital. Spätestens dann wird es gefährlich: In angespannten Marktlagen als Bank neue Aktien ausgeben zu wollen, lässt bei Investoren die Alarmglocken schrillen. Die Investoren werfen ihre Bankschuldverschreibungen und Bankanteile auf den Markt, die Kurse verfallen. Die Kapitalkosten der Banken schnellen dadurch in die Höhe, drohen die Ertragskraft der Bank zu übersteigen. Setzt in Bank-Run von Seiten der institutionellen Investoren ein, folgt nicht selten auch ein Bank-Run von Seiten der Privatkunden.
Haben die Zinserhöhungen der US-Zentralbank (Fed) mit der Pleite der Silicon Valley Bank etwas zu tun? Die extreme Niedrigzinspolitik der Fed in den letzten Jahren hat zweifelsohne viele Fehlentwicklungen bewirkt. Eine davon ist die gewaltige Geldschwemme, die der Silicon Valley Bank hohe Einlagenzuflüsse gebracht hat. Diese Einlagen wurden in vermeintlich sichere Staatsanleihen investiert.