Eine Anatomie der Krisen: Von der Bankenkrise zur Kreditkrise, zur Währungskrise
09.04.2023 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums oder gar Rezession kann dann zu um sich greifenden Kreditausfällen führen. Banken schränken die Kreditvergabe weiter ein, die Zinsen steigen, eine Abwärtsspirale kommt in Gang, die den Weg in eine Finanz- und Wirtschaftskrise ebnet, mit hoher Arbeitslosigkeit, Kreditausfällen, Bankenpleiten, eine Depression eben. Damit sind wir an einem wichtigen Punkt angekommen: Bankenkrisen und Kreditkrisen sind keine Naturkatastrophen, sie sind vielmehr menschengemacht, und sie sind quasi vorprogrammiert, sind unvermeidbar im heutigen ungedeckten Geldsystem, einem Fiatgeldsystem. Im Fiatgeldsystem schaffen Zentralbanken und Geschäftsbanken neues Geld aus dem Nichts, vorzugsweise durch Kreditvergabe im Zuge heruntermanipulierter Zinsen; und die Banken sind dabei nicht in der Lage, ihre täglichen Auszahlungswünsche bei Bedarf, im Fall der Fälle, vollumfänglich zu erfüllen, weil sie mit einer Teilreserve operieren.
Das Fiatgeldsystem sorgt für wirtschaftliche und gesellschaftliche Fehlentwicklungen, für Spekulationsblasen und Börseneinbrüche, für Boom und Bust, für überbordende Schulden, für Schuldenkrisen. Und irgendwann steht dann der große Zahlungsausfall, die große Pleite, vor der Tür; und soll das verhindert werden, müssen die offenen Rechnungen mit neu geschaffenem Fiatgeld bezahlt werden. Wenn aber diese Politik der Geldmengenausweitung gewählt wird, dann steht bald auch die Währungskrise vor der Tür.
Eine Währungskrise bedeutet, dass die Menschen Zweifel am Wert der Währung entwickeln, dass sie die Sorge umtreibt, dass die Kaufkraft ihres Geldes immer weiter und immer heftiger entwertet wird. Sie beginnen daraufhin beispielsweise, die schlechte Währung gegen eine weniger schlechte Währung einzutauschen. Die schlechte Währung wertet daraufhin gegenüber den anderen weniger schlechten Währungen ab.
Wenn dann die Flucht aus dem Geld einsetzt – weil kein Geld mehr als hinreichend gut und verlässlich angesehen wird –, fragen die Menschen mit ihrem Geld verstärkt Sachgüter nach – beispielsweise Aktien, Häuser, Schmuck, Edelmetalle, vor allem Gold und Silber. Deren Preise steigen, die Kaufkraft des Fiatgeldes nimmt ab. Im Extremfall, wenn also die Geldmengenvermehrung durch die Zentralbank sich immer mehr beschleunigt und nicht mehr aufhört, kommt es zur befürchteten Hyperinflation: Extrem stark steigende Güterpreise, verursacht von einer extrem stark ansteigenden Geldmenge.
Wenn die Zinssteigerungen der Zentralbanken den Boom in einen Bust umkippen lassen, dann ist in einem Fiatgeldsystem eine Bankenkrise sehr wahrscheinlich; vor allem dann, wenn die Verschuldung in der Volkswirtschaft bereits sehr hoch ist und der künstliche Boom bereits lange angedauert hat. So gesehen wäre es nicht überraschend, wenn anhaltende Turbulenzen im Bankensektor, wie sie sich jüngst in den USA gezeigt haben, sich weltweit ausbreiten, also auch Europa erreichen können.
Und wenn sie sich nicht eindämmen lässt, dann kann daraus sehr leicht eine allgemeine Kreditkrise werden: Nicht nur Banken will man dann kein Geld mehr anvertrauen, sondern niemand will jemandem mehr Geld leihen, auch Firmen nicht mehr.
Dem Fiatgeldsystem stünden schwere Zeiten bevor. Und wenn dann Regierende und Regierte in der Geldmengenvermehrung das vergleichsweise kleinste Übel erblicken, erwächst aus der Kreditkrise die Währungskrise – eine Krise, in der die Kaufkraft des Geldes verfällt. Damit sollte deutlich geworden sein, wie Bankenkrise, Kreditkrise und Währungskrise zusammenhängen können; und dass sie in einem Fiatgeldsystem alles andere als eine Zufälligkeit sind, dass sie vielmehr systeminhärent sind.
Wenn man über eine Lösung nachdenkt, was wäre jetzt am besten zu tun?
Nein, die Lösung ist nicht, nach besseren Politikern oder besseren Zentralbankräten Ausschau zu halten. Die Lösung ist auch nicht, die Banken strenger zu regulieren. Man muss an der Wurzel des Problems ansetzen, und zwar am Fiatgeldsystem selbst. Wenn man Krisen, wie sie im Fiatgeld immer wieder und notwendigerweise auftreten, loswerden will, dann muss man sich vom Fiatgeld verabschieden. Wie das?
Im Grunde ist es ganz einfach. Man gewährt den Menschen die Freiheit, das Geld verwenden zu können, das ihren Zwecken am besten dient; und gleichzeitig billigt man den Menschen auch die Freiheit zu, ihren Mitmenschen ein Gut anbieten zu dürfen, das diese als Geld zu verwenden wünschen.
Anders gesagt: Man muss die Zwangsmonopolstellung der Geldproduktion, die der Staat innehat, beenden und einen freien Markt für Geld zulassen. Wenn die Menschen die Wahlfreiheit beim Geld haben, dann können sie zwischen Alternativen zum Fiatgeld wie US-Dollar, Euro, Yen, Renminbi etc. und Kryptoeinheiten, Gold und Silber wählen. Und selbstverständlich werden die Menschen dabei gutes Geld und kein schlechtes Geld wählen, genauso wie sie gute Äpfel, gute Urlaubsreisen und gute Autos wählen und keine schlechten.
Ein freier Markt für Geld würde die breite Bevölkerung am wirksamsten gegen die Schäden schützen, die das Fiatgeld verursacht. Für die Idee, einen freien Markt für Geld zu schaffen, zu werben und sie zu verbreiten, ist sehr wichtig. Denn wenn die Staaten, Zentralbanken, Aufsichtsbehörden und andere Sonderinteressengruppen bestimmen, wie in Banken- und Kreditkrisen zu verfahren ist mit dem Ziel, das Fiatgeld um jeden Preis zu erhalten, dann wird, so ist zu befürchten, nicht nur der Geldwert, sondern letztlich die freie Wirtschaft und Gesellschaft (beziehungsweise das, was von ihr noch übrig ist) auch noch unter die Räder geraten.
Eine ökonomisch überzeugende Lösung heißt also: ein freier Markt für Geld!
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH