Der US-Kreditzyklus: Eine Standortbestimmung
17.04.2023 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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KreditproblemeEigenkapitalverluste der Banken haben überproportionale Wirkung auf das Kreditangebot, das die Banken bereitstellen können. Das liegt dadaran, dass die Banken aufgrund regulatorischer Vorgaben ihre Kreditrisiken nur mit einem relativ geringen Anteil von Eigenkapital unterlegen müssen. [Nehmen wir an, ein Kredit erfordert 8 Prozent des Kreditbetrags in Form von Eigenkapital. Dann können mit 1 Euro Eigenkapital 12,5 Euro Kredit aufgebaut werden (also 1 dividiert durch 8).
Verliert aber eine Bank 1 Euro Eigenkapital (und kann ihn sich nicht neu beschaffen), so muss sie ihre Kredite in Höhe von 12,5 Euro verringern. Also schon relativ geringe Eigenkapitalverluste der Banken können beträchtliche Kürzungen im Kreditangebot zur Folge haben.]
Mittlerweile rollt einen zweite Problemwelle heran: Der gewerbliche Immobilienmarkt in Amerika ist in Schieflage geraten. Werden alle Immobilienschuldner ihren Schuldendienst wie versprochen leisten? Die bange Frage stellt sich vor allem für die kleinen und mittelgroßen Banken, die von den ausstehenden Immobilienkrediten in Höhe von 2,8 Billionen US-Dollar allein 1,7 Billionen US-Dollar herausgelegt haben. Zusätzlich zu den ohnehin bereits bestehenden Zweifeln an der Gesundheit der US-Banken erweist sich natürlich ein herannahendes Immobilienkreditproblem als besonders brisant.
Quelle: Refinitiv; Berechnungen Degussa.
Banken werden (noch) vorsichtig(er) bei der Neukreditvergabe beziehungsweise bei der Anschlussfinanzierung fälliger Kredite, und sie werden auch erhöhte Kreditausfallprämien in ihre Kreditzinsen einrechnen. Zudem werden Anleger und Kunden ihren Banken erhöhte Zinsforderungen für Einlagen und Kredite in Rechnung stellen. Das Verteuert die Refinanzierung des Kreditgeschäftes für die Banken.
Dieser Trend zeigt sich bereits deutlich, indem Kunden ihre niedrig verzinslichen Bankeinlagen in zum Beispiel Geldmarktfondsanteile umschichten. Das ist übrigens auch genau der Grund, der sich hinter dem Rückgang der Bankdepositen verbirgt, auf den in vielen Medien dieser Tage hingewiesen wird.
Die Kreditinstitute müssen sich die entgangenen Refinanzierungsmittel nun zu erhöhten Zinskosten (durch Zahlung erhöhter Zinsen auf Einlagen und/oder Ausgabe von Schuldpapieren) im Wertpapiermarkt (wieder-)beschaffen. Die Profitabilität des Kreditgeschäfts leidet dadurch natürlich. Die Kreditvergabe wird für die Banken weniger lohnend. Zudem wird die Rendite des Kreditgeschäfts geschmälert durch die stark inverse Zinsstrukturkurve in den USA: Die Langfristzinsen liegen (deutlich) unter den Kurzfristzinsen.
Das bedeutet, dass die Banken keine Gewinne mehr aus der Fristentransformation erzielen (d. h. Kredite mit langer Laufzeit vergeben und sie finanzieren mit Mitteln, die eine kürzere Laufzeit haben). Der Anreiz für die Banken, Kreditrisiken einzugehen, schwindet folglich.
Kredit und Misskredit
Das alles führt zu einer Verteuerung und Verknappung bei der Kreditfinanzierung – die sich natürlich auch auswirkt auf die Kapitalkosten in der Volkswirtschaft insgesamt. Das für sich genommen wirkt wie eine Bremsung der Konjunktur. Und erfahrungsgemäß bedeutet ein Abflachen der Konjunktur immer auch steigende Kreditausfälle. Denn wenn der Konjunkturmotor nicht mehr rund läuft, dann fallen mehr und mehr Kredite aus – vor allem dann, wenn es zuvor einen Kreditboom gegeben hat, in dem Schuldner sich stark verschuldet haben und Banken bereit waren, den Schuldenaufbau mit niedrigen Zinsen zu finanzieren.
Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa.