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Die US-Geldmenge schrumpft. Das sind die Gründe – und die Folgen für Anleger

12.06.2023  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Das Schrumpfen der US-Geldmenge hat mehrere Gründe. Insbesondere das Abflauen der US-Bankkreditvergabe signalisiert Abwärtspotential für die Konjunktur, und der nun abnehmende "Geldmengenüberhang" signalisiert Abwärtsdruck auf die Inflation. Die Befürchtung, dass die US-Zentralbank die Zinsen zu stark angehoben hat, lässt sich nicht von der Hand weisen.


Achtung: Geldmenge schrumpft

Abb. 1 zeigt die Entwicklung der US-Dollar-Geldmenge M2 von Januar 1960 bis April 2023 in nominaler und realer (das heißt inflationsbereinigter) Rechnung. Wie zu erkennen ist, sind die jährlichen Veränderungsraten von M2 seit Dezember 2022 rückläufig. Im April 2023 fiel die Geldmenge M2 um 4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. So etwas hat es seit den frühen 1960er Jahren (hier beginnt die M2-Datenreihe) nicht gegeben.

Zudem geht auch die reale (das heißt) inflationsbereinigte Geldmenge M2 stark zurück – sie fiel um 9,6 Prozent im April 2023. Auch das ist ein sehr wichtiger Befund: Schließlich repräsentiert die reale Geldmenge die Kaufkraft von Konsumenten und Produzenten, sie ist also eine Art Indikator für die Konjunktur. Es liegt auf der Hand, dass die Schrumpfung der realen Geldmenge M2 gleichbedeutend ist mit einem gewaltigen Tritt auf die Konjunkturbremse – und damit negativ für die Konjunkturentwicklung ist.

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Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa.
Im April 2023 ging die US-Geldmenge um 4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück. Inflationsbereinigt schrumpfte sie sogar um 9,6 Prozent.


Nun muss man allerdings beachten, dass die aktuelle Kaufkraft-Abbremsung einer gewaltigen Ausweitung der Kaufkraft ab Beginn 2020 nachfolgt. Denn als Reaktion auf die politisch-diktierte Lockdown-Krise weitete die US-Zentralbank die Geldmenge sehr stark aus (in der Spitze um etwa insgesamt 40 Prozent). Der jüngste Rückgang der Geldmenge könnte also so gesehen eine Art Normalisierung sein. Zu beachten ist allerdings hier, dass die Geldmengenausweitung mit einem starken Anstieg der Güterpreise (Hochinflation) verbunden war, und ein Rückgang der Geldmenge folglich einen Güterpreisverfall erwarten lässt.

Das wäre ein durchaus heikles Szenario. Fragen wir daher: Was sind die Gründe für das Schrumpfen der Geldmenge? Und vor allem: Welche Folgen gehen von einem Rückgang der Geldmenge aus, was sind die Folgen für die Edelmetallpreise? In den folgenden Zeilen wird versucht, Antworten auf diese Fragen zu gewinnen. Am Anfang muss dabei eine kurze Erklärung stehen, wie die US-Geldmenge eigentlich erzeugt wird.


Geldschaffen aud dem Nichts

Der US-Dollar ist – und darauf haben wir in vielen unseren Berichten schon hingewiesen – ungedecktes Geld, er ist Fiat-Geld. Der US-Staat beziehungsweise seine Zentralbank (Fed) haben das Monopol zur Erzeugung des Fiatgeldes. Die Zentralbank produziert das Fiat-Zentralbankgeld. Private Geschäftsbanken, die quasi eine staatliche Lizenz haben, erzeugen auf der Basis des staatlichen Fiat-Zentralbank ihr eigenes Fiat-Geschäftsbankengeld. Fiatgeld ist entmaterialisiertes Geld. Es existiert in Form von bunt bedruckten Papierscheinen, der Großteil in Form von Computerfestplatteneinträgen (Bits & Bytes).

Das Fiatgeld wird vorzugsweise durch Kreditvergabe in die Welt gebracht: Vergeben Zentralbank und/oder Geschäftsbanken Kredite an Konsumenten, Produzenten oder staatliche Stellen, erhöhen sie die Geldmenge in der Volkswirtschaft. Die Bankkreditvergabe erhöht also die Geldmenge, während eine Netto-Rückzahlung der Bankkredite die Fiatgeldmenge sprichwörtlich zerstört und absinken lässt. Diese Einsicht ist besonders wichtig, denn sie erklärt in entscheidendem Maße, wie sich das Güterpreisniveau in einer Volkswirtschaft entwickelt.


Bestimmung das Güterpreisniveaus

Die Entwicklung des volkswirtschaftlichen Güterpreisniveaus hängt (eng) mit der Entwicklung der Geldmenge zusammen. Eine einfache Erklärungsformel dafür ist die sogenannte Quantitätsgleichung. Sie hat folgendes Aussehen:

(1) M x V = Y x P.

Dabei steht M für die Geldmenge, V für die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, Y für das Güterangebot und P für das Güterpreisniveau. Löst man Gleichung (1) nach P auf, erhält man:

(2) P = M x V / Y.

Gleichung (2) zufolge steigt P wenn M zunimmt. Aber was ist mit V und Y? Nehmen wir an, V und Y sind relativ konstant im Zeitablauf. In diesem Fall bestimmt M dann P. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass V und Y nicht immer unverändert bleiben. So kann M steigen, während V abnimmt, so dass der Anstieg von P womöglich gemildert wird oder gar nicht stattfindet.

Lassen wir jedoch an dieser Stelle mögliche Veränderungen von V und Y beiseite und betrachten nur M – beziehungsweise die Faktoren, die zu einer Veränderung von M führen (können). Dazu bietet es sich zunächst an, auf die inhaltliche Zusammensetzung der US-Geldmenge M2 zu schauen. Das bringt uns zu den sogenannten "Umschichtungen".


Umschichtungen

Abb. 2 zeigt die Jahresveränderungen der Geldmenge M2 von August 2021 bis April 2023 in Mrd. US-Dollar. Man erkennt, dass in diesem Zeitraum die Geldmenge M2 im Sommer 2021 noch um 2.270 Mrd. US-Dollar gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist. Im April 2023 lag sie hingegen 993 Mrd. US-Dollar unter ihrem Vorjahresniveau. Weiterhin ist zu erkennen, dass insbesondere die liquiden Komponenten der Geldmenge M2 (vor allem Giroguthaben) im Betrachtungszeitraum immer schwächer gewachsen sind und ab August 2022 sogar abgesunken sind. Ihr Rückgang lag im April bei 2115 Mrd. US-Dollar gegenüber dem Vorjahr.

Gleichzeitig legten kleine Termineinlagen (+639 Mrd. US Dollar) und Geldmarktfondsanteile der Privaten (+379 Mrd. US-Dollar) zu. Auch die Bargeldbestände wuchsen weiter an (+51 Mrd. US-Dollar).


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