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Inflationsdivergenzen – EU: Chipförderung – Kuba/China/USA

09.06.2023  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0780 (05:24 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0702 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 139,25. In der Folge notiert EUR-JPY bei 150,10. EUR-CHF oszilliert bei 0,9694.


Blick auf den Markt: Inflationsdivergenzen

Die Inflationsdivergenz zwischen den westlichen Ländern und China als auch anderen Ländern des so genannten "Globalen Südens" bleibt augenfällig. Chinas heute veröffentlichten Erzeugerpreise per Berichtsmonat Mai mit jetzt -4,6% im Jahresvergleich implizieren weiter perspektivischen Druck auf die Verbraucherpreise, die per Mai bei +0,2% im Jahresvergleich liegen.

Die von den USA seit Jahren vorangetriebene Teilung der Welt zeitigt für den Westen ungewünschte Folgen. Die Strukturdaten des "Globalen Südens" sind zu größten Teilen besser als die des Westens. Das manifestiert sich auch in den Konjunkturdaten, denn die Konjunktur folgt der Struktur (Aristoteles). Laut IWF (World Economic Outlook per 04/2023) wächst der "Globale Süden" in den Jahren 2023 und 2024 dreimal so stark wie die Industrienationen. Das Tempo der Divergenz erhöht sich. Zuvor lag der Faktor tendenziell bei 2.

Früher waren übrigens die Strukturdaten des Westens besser. Die Bewertung an den Finanzmärkten spiegelt diese Veränderung bestenfalls in Nuancen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Kapitalallokation westlicher Investoren eine starke politische Prägung erfahren hat. Die Finanzmärkte zeigen sich weiter widerstandsfähig. Der MSCI World Aktienindex konnte 0,54% zulegen. Dieser Index markierte die höchsten Stände seit April letzten Jahres.

An den Rentenmärkten ergaben sich leichte Entspannungssignale. Die 10 jährige Bundesanleihe rentiert aktuell mit 2,42% nach 2,45% gestern früh. 10 jährige US-Staatsanleihen werfen derzeit eine Rendite in Höhe von 3,73% ab. Gestern früh lag der Satz noch bei 3,79%.

Im Zuge unerwartet schwacher, jedoch historisch betrachtet nicht prekärer US-Arbeitslosenerstanträge verlor der USD gegenüber dem EUR an Boden und konnte sich bis auf 1,0786 in der Spitze im US-Handel befestigen.

In der Folge legten die edlen Metalle gegenüber dem USD zu. Gold konnte die Vortagesverluste wettmachen. Silber war zuletzt stabiler als Gold und setzte mit Kursen über 24 USD einen positiven Akzent.


Deutschland darf 31 Chip-Projekte fördern

Deutschland bekam grünes Licht aus Brüssel, 31 Halbleiterprojekte mit Subventionen zu fördern. Die Projekte umfassen laut Ministerium die gesamte Wertschöpfungskette der Chipbranche (Materialherstellung, Chipdesign, Produktion von Halbleitern). Von diesen 31 Projekten profitieren elf Bundesländern. Deutsche Unternehmen würden mehr als 10 Mrd. EUR investieren. Die Subventionen würden sich auf circa 4 Mrd. EUR belaufen.

Kommentar: Im Hinblick auf eine Autarkie in diesem sensiblen Wirtschaftssektor ist diese Entwicklung zu begrüßen. Insbesondere die USA nutzen ihre Position im IT-Sektor zur unzulässigen Nachrichtengewinnung als auch für politischen Druck nachweislich aus (Snowden). Es sind aber weitere Anstrengungen im Bereich Software und Hardware erforderlich (IT-Airbus).

Die EU-Kommission, die Wettbewerbsverzerrungen in Europa durch Subventionen verhindern soll, hatte zuvor eine europaweite Initiative zur Förderung der Branche gebilligt. Insgesamt geht es dabei um rund 100 Projekte.

Kommentar: Hinsichtlich der strategischen Bedeutung (Souveränität, Schutz vor Erpressungspotential, Schutz des geistigen Eigentums) dieses Sektors ist es richtig, dass es eine ganzheitliche Vorgehensweise in der EU gibt. Insbesondere in den USA hält man sich in diesem Sektor nicht an internationale Regeln der Subventionspolitik (IRA-Programm). Ergo erfordert das auch eine Anpassung in der EU, um den mit der US-Politik korrelierten Risiken entgegenzuwirken.

Bundeswirtschaftsminister Habeck sprach von einem wichtigen industriepolitischen Meilenstein. Nun könne es zügig an die Umsetzung gehen. Die EU will die Schlüsselbranche ausbauen und so den großen Abstand zu den USA sowie Asien verringern.

Kommentar: Das ist überfällig. Der "Tiefenschlaf" der Merkel-Jahre trotz der "Snowden-Erkenntnisse" war und ist mehr als irritierend. Diese Neustrukturierung hat jedoch auch einen potentiellen Preis. Weltweit werden neue IT-Kapazitäten aus genannten Gründen errichtet. Damit korrelieren perspektivisch die Risiken der Überproduktion und des Margenverfalls.


Wall Street Journal: China will Abhörstation auf Kuba erstellen

China hat sich laut Wall Street Journal (Berufung auf US-Kreise) mit Kuba auf die Einrichtung einer elektronischen Abhörstation auf der Insel verständigt. Damit könnte China die Kommunikation im Südosten der USA abfangen und den Schiffsverkehr überwachen. Die Regierung in Washington sei alarmiert über die neue Bedrohung durch die beiden Staaten im Hinterhof der USA.

Kommentar: Diese Haltung der US-Regierung wirft Fragen auf. In osteuropäischen Ländern betont man die Souveränität dieser Staaten im Hinblick auf die Wahl ihrer außenpolitischen Partner in Wirtschaft und Außenpolitik unter Verweis auf das Völkerrecht (Souveränität).

Gilt dieses Recht nicht für Länder, die die USA als ihren "Hinterhof" bezeichnen? Am 15. Mai sagte Kanzler Scholz in Berlin, dass der "Globale Süden" nicht die Grundsätze der internationalen Ordnung infragestellte, sondern deren ungleiche Anwendung. Der Globale Süden erwarte ein Ende der westlichen Doppelmoral. "Food for thought!"



Der IWF meldet sich zu Wort

Laut IWF sei ein Kriegsende in der Ukraine der beste Ansatz für erhöhtes globales Wachstum. Kommentar: Frieden ernährt, Unfrieden verzehrt.


Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone: BIP sinkt unerwartet im Quartalsvergleich

Das BIP der Eurozone per 1. Quartal 2023 sank laut Revision im Quartalsvergleich um 0,1% (Prognose und vorläufiger Wert 0,0%). Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 1,0% (Prognose 1,2%, vorläufiger Wert 1,3%).

Die Beschäftigung nahm per 1. Quartal 2023 im Quartalsvergleich um 0,6% (Prognose und vorläufiger Wert 0,6%) zu. Die Anzahl der Beschäftigten markierte mit 166,42 Millionen einen neuen Rekordwert. Im Jahresvergleich ergab sich eine Zunahme um 1,6% (Prognose und vorläufiger Wert 1,7%).


China: Inflation kein Thema, Deflation sehr wohl

Die Verbraucherpreise verzeichneten im Jahresvergleich per Mai einen Anstieg um 0,2% (Prognose 0,3%) nach zuvor 0,1%. Im Monatsvergleich kam es zu einem Rückgang um 0,2% (Prognose -0,1%) nach -0,1%. Die Erzeugerpreise sanken per Mai im Jahresvergleich um 4,6% (Prognose -4,3%). Im Vormonat kam es zu einem Rückgang um, 3,6%.


USA: Arbeitslosenerstanträge höher

Die Arbeitslosenerstanträge legten in der Berichtswoche per 3. Juni 2023 von zuvor 233.000 (revidiert von 232.000) auf 261.000 zu (Prognose 235.000). Die US-Lagerbestände sanken per April um 0,1% (Prognose -0,2%). Der Absatz im US-Großhandel legte um 0,2% zu (Prognose 0,4%). Der Vormonatswert wurde von -2,1% auf -2,7% revidiert.


Russland: Devisenreserven marginal geringer


Die Devisenreserven stellten sich per Berichtswoche 2. Juni 2023 auf 585,0 nach zuvor 586,3 Mrd. USD.

Aktuell ergibt sich für das Währungspaar EUR-USD eine neutrale Einschätzung.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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