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Finanzmarkt: Moderate Risikoaversion – Deutschland/China: Verbale Ergebnisse

21.06.2023  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0915 (05:50 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0893 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 141,63. In der Folge notiert EUR-JPY bei 154,59. EUR-CHF oszilliert bei 0,9809.


Märkte: Moderate Risikoaversion

An den Finanzmärkten dominiert zu Wochenbeginn moderate Risikoaversion. Die Entspannungssignale an der Preisfront, Deutschlands Erzeugerpreise fielen stärker als erwartet (siehe Datenpotpourri), hatten ebenso wie die überraschend starken Daten vom US-Immobilienmarkt (siehe Datenpotpourri) keinen dauerhaften Markteinfluss. Auch die konzilianten Töne bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen hatten keine messbare Marktwirkung.

Die moderate Risikoaversion wird deutlich an überschaubaren Verlusten an den Aktienmärkten Europas und der USA. Ausnahmen sind zum Zeitpunkt des Verfassens des Kommentars heute früh Japans Nikkei-Index, der Vietnam Index als auch der indische Sensex-Index. Dagegen verlieren sowohl der Hangseng-Index als auch der chinesische CSI-Index.

Die Rentenmärkte profitierten aus dieser Konstellation. So stellt sich die Rendite der 10 jährigen Bundesanleihe aktuell auf 2,41% (Vortag 2,50%). US-Staatsanleihen mit 10 jähriger Laufzeit bringen derzeit 3,74%. Gestern früh rentierten sie noch mit 3,80%.

Gold und Silber konnten von der moderaten Risikoaversion nicht profitieren, sondern verloren messbar an Boden (Gold -14,700 USD, Silber -0,80 USD).

Der USD konnte gegenüber dem EUR zart an Boden gewinnen. Nach einem kurzen Unterschreiten der Marke von 1,09 wurde die Marke dann wieder im weiteren Geschäft überboten.


Deutschland/China: Verbale Ergebnisse

China verdeutlichte gleich zu Beginn den Willen zur Kooperation. In China strebt man eine neue Ebene der Beziehungen an.

Kommentar: Die deutsch-chinesischen Regierungsgespräche lieferten auf ersten Blick mehr Harmonie als zuvor denkbar war (u.a. Problem Baerbock, Auftritte in China). Chinas Bereitschaft impliziert zwingend eine erhöhte gegenseitige Kompromissfähigkeit, denn anders wären neue Ebenen nicht zu erreichen.

Beide Länder vereinbarten einen Klima- und Transformationsdialog als auch einen Finanzdialog und betonten grundsätzliche Kooperationsbereitschaft.

Kommentar: Es ist positiv, dass Themenfelder definiert wurden, wenn auch nur grobschlächtig.

Die Problemstellungen deutscher Firmen in China wurden adressiert, unter anderem Urheberrechte.

Kommentar: Hier gilt es, nachhaltige Rechtssicherheit für beide Seiten zu generieren. Unser Geduldsfaden sollte hier nicht sehr lang sein, denn der Faden wurde schon über Jahre strapaziert.

Berlin mahnte Chinas Verantwortung als eines der größten Gläubigerländer der Welt im Hinblick auf die Situationen in den Entwicklungsländern an.

Kommentar: Anzumerken ist hier, dass das bisher der Fall war (u.a. Kooperation mit Asian Infrastructure Investment Bank und New Development Bank).

Kanzler Scholz forderte zur Fortsetzung des Dialogs auf und betonte, dass beide Länder von den gegenseitigen Investitionen profitierten und dass die ins Auge gefasste Risikominimierung keine Abkehr von der Globalisierung darstellte.

Kommentar: Als Fazit lässt sich ziehen, dass diese erste Gesprächsrunde das Maximum der Erwartungen hinsichtlich der gesprochenen Worte lieferte. Entscheidend wird sein, ob den Worten auch entsprechende Taten folgen werden.

In der jetzigen Lage, die für Deutschland und Kontinentaleuropa von massivsten historischen Herausforderungen geprägt ist, ist eine außenpolitische Stabilisierung zum Epizentrum der asiatischen Wachstumsmärkte, die auch das globale Epizentrum der Weltwirtschaft sind, von hoher wirtschaftlicher und strategischer Bedeutung. Es bedarf einer deutschen und europäischen interessenorientierten Politik, nicht einer außenwirtschaftspolitischen Unterordnung.

Das gilt um so mehr, als dass den quantitativen und qualitativen Verschiebungen in der Weltwirtschaft zu Gunsten des "Globalen Südens", die hier regelmäßig mit Fakten unterlegt dargestellt wurden, nun verstärkt ein politisches und ökonomisches Organigramm folgt (u.a. BRICS+, Koordination G13).

Anders ausgedrückt, die bisherige quantitative und qualitative finanz-ökonomische Machtachsenverschiebung hatte kaum oder wenig Koordination. Diese mangelnde Koordination führte zu weitgehender weltpolitischer Impotenz trotz der finanz-ökonomischen Machtachsenverschiebung. Das ändert sich seit circa 18 Monaten dynamischer als je zuvor. Die aktuelle Gesprächsbereitschaft der USA und Deutschlands mit China, auch im Nachgang der erfolgreichen diplomatischen Offensiven Pekings im Nahen Osten (historisch im Hinblick auf den westlichen "Trackrecord" der letzten gut 75 Jahre), mag Ausdruck der zuvor genannten Kenntnisse in Washington und in Berlin sein.

In diesem Kontext sei an die Worte von Kanzler Scholz vom 15. Mai 2023 in Berlin erinnert. Die Regierungen des "Globalen Südens" stellten nicht Grundsätze der internationalen Ordnung infrage. Was ihnen zu schaffen machte, sei deren ungleiche Anwendung (= Unterordnung). Sie erwarteten Repräsentation auf Augenhöhe. Sie erwarteten ein Ende der westlichen Doppelmoral.

Jede funktionierende internationale Ordnung müsse den multipolaren Charakter der Welt widerspiegeln. Scholz sagte, die uni- oder bipolare Welt von gestern mochte leichter zu gestalten gewesen sein, sie sei aber nicht länger die Welt, in der wir leben. Der Kanzler hält die internationale Finanzordnung für reformbedürftig (Weltbank, IWF). Es gebe die Notwendigkeit, über die globale Finanzordnung zu diskutieren. Scheinbar kommt es zu Erkenntnissen, die veränderte Handlungsmaximen eröffnen
.


Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone: Leistungsbilanz "mau" – D: Erzeugerpreise (M) fallen deutlicher

Die Leistungsbilanz der Eurozone wies per April in der saisonal bereinigten Fassung einen Überschuss in Höhe von "nur" 4 Mrd. EUR nach zuvor 31,16 Mrd. EUR aus. Es war der geringste Wert seit Oktober 2022.

Die Bauleistung der Eurozone sank per April im Monatsvergleich um 0,44%. Der Vormonatswert wurde von -2,41% auf -1,64% revidiert.

Deutschland: Die Erzeugerpreise fielen per Mai im Monatsvergleich um 1,4% (Prognose -0,7%) nach zuvor +0,3%. Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 1,0% (Prognose 1,7%) nach zuvor 4,1%. Es war die geringste Zunahme seit Januar 2021.


USA: Neubaubeginne legen unerwartet zu

Die Neubaubeginne stellten sich per Mai in der auf das Jahr hochgerechneten Fassung auf 1,631 Mio. (Prognose 1,400 Mio.) nach zuvor 1,340 Mio. (revidiert von 1,401 Mio.). Die Baugenehmigungen wiesen per Mai in der annualisierten Darstellung 1,491 Mio. (Prognose 1,420 Mio.) nach zuvor 1,417 Mio. aus.


Japan: Reuters Tankan Indices wenig verändert

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Taiwan: Der "Preis" für "gute" Freunde

Die Export-Auftragseingänge fielen per Mai im Jahresvergleich um 17,6% (Prognose -20,0%) nach zuvor -18,1%. Nachfolgender Chart belegt, dass die geopolitische Krisenlage Taiwans einen erheblichen ökonomischen Preis zur Folge hat. Europa mag gewarnt sein.

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Derzeit ergibt sich für das Währungspaar EUR/USD eine neutrale Haltung. Erst ein Ausbruch aus der Bandbreite 1,0650 – 1,1100 eröffnet neue Trendsignale.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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