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Powell und Nagel forcieren Zinssorgen – UK: Schuldenstand über 100% - DIHK zum Brexit

22.06.2023  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0993 (06:02 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0906 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 141,73. In der Folge notiert EUR-JPY bei 155,80. EUR-CHF oszilliert bei 0,9807.


Märkte: Powell und Nagel forcieren Zinssorgen

An den Finanzmärkten setzt sich die Risikoaversion weiter fort. Die Aktienmärkte bleiben unter Druck. Das Thema weiterer Zinserhöhungen durch westliche Zentralbanken belastet unter anderem. Gestern meldeten sich diverse Vertreter der Fed zu Wort. Zusammenfassend passt die Einlassung des US-Notenbankchefs Powell. Er sagte, dass nahezu alle Mitglieder des Offenmarktausschusses die Erwartung haben, Zinsen bis Ende 2023 etwas weiter zu erhöhen. Im Raum stehen voraussichtlich weitere 0,50%. Zuvor hatte Bundesbankchef Nagel dieses Thema bezüglich der weiteren EZB-Politik aufgenommen.

Anzumerken ist, dass mit Ausnahme des UK, Preisdruck grundsätzlich weiter sinkt. Das gilt für die Vorlaufindikatoren der Verbraucherpreise, also Importpreise, Großhandelspreise und Erzeugerpreise. Was will ich sagen? Fed und EZB nähern sich dem Risiko an, unter Umständen eine Überreaktion mit nicht notwendigen Kollateralschäden zu forcieren.

Die Rentenmärkte zeigten sich wenig bewegt. 10 jährige Bundesanleihen rentieren heute früh mit 2,43% (Vortag 2,41%), 10 jährige US-Treasuries mit 3,73% (Vortag 3,74%).

Trotz Powells Einlassungen verlor der USD gegenüber dem EUR, aber nicht gegen Gold/Silber.


Britischer Schuldenstand erstmals seit 1961 über 100% des BIP

Der Schuldenstand des UK übertrifft erstmals seit 1961 die Wirtschaftsleistung des Landes. Die Nettoverschuldung des öffentlichen Sektors erreichte im Mai 2,567 Billionen GBP oder knapp drei Billionen EUR (in Deutschland lag der Schuldenstand im vergangenen Jahr bei rund 66%). Zudem zeigt sich die Inflation hartnäckiger (8,7%) als in anderen großen westlichen Ländern.

Kommentar: Diese Daten korrelieren mit den Folgen des Brexit. Die Lage des UK ist und bleibt als Konsequenz sehr kritisch. Entwicklungen wie der Brexit können dann Raum greifen, wenn populistische oder ideologische Polit-Akteure, welcher Ausrichtung auch immer, bar des notwendigen ökonomischen Wissens und bar des Verständnisses für die Komplexität der globalen Ökonomie mit ihrer unbestechlichen Gesetzmäßigkeiten, mit Hilfe von voreingenommenen Medien an die Macht kommen. Das gilt nicht nur für das UK. „Food for thought!“


Brexit-Jubiläum: DIHK beklagt negative Bilanz

Die DIHK zog gestern zum 7. Jahrestag der Brexit-Abstimmung im UK eine negative Bilanz. Außenwirtschaftschef Treier sagte, der Brexit sei ein wirtschaftliches Desaster für beide Seiten. Erkennbar seien die Folgen am Handel zwischen beiden Ländern. 2022 exportierte Deutschland Waren im Wert von 73,8 Mrd. EUR in das UK. Das waren 14,1% weniger als 2016, dem Jahr des Brexit-Votums. Während das UK im Jahr 2016 noch drittwichtigster Exportmarkt Deutschlands war, sei das Land im Jahr 2022 auf Platz acht abgerutscht, so Treier. Als Handelspartner (Gesamtbilanz der Importe und Exporte) hätte das UK seitdem sogar noch mehr an Bedeutung verloren und sei von Platz fünf auf Platz elf abgesackt.

Auch der Bestand deutscher Direktinvestitionen im UK hätte abgenommen. 2021 lag er noch bei rund 140 Mrd. EUR, was einem Rückgang von 16,1% im Vergleich zu 2016 entspräche. Ebenso seien dem DIHK zufolge mit 2163 deutschen Unternehmen mittlerweile 5,2% weniger im UK aktiv als 2016. Die Zahl ihrer Beschäftigten sei um 3% auf 415.000 gesunken.

Dafür hätten sich in den vergangenen Jahren viele britische Unternehmen neu in Deutschland niedergelassen. Die für das Standortmarketing der Bundesrepublik zuständige Germany Trade and Invest (GTAI) zählte seit dem Brexit-Votum mehr als 1000 Neuansiedlungen. 2022 lag die Zahl bei 170 – eine Zahl, die nur von den USA und der benachbarten Schweiz übertroffen wurde. Die GTAI erwartet, dass die Anfragen aus dem UK auf hohem Niveau bleiben würden.

Für britische Unternehmen sei es wichtig, ein Standbein in der EU zu haben. Für Deutschland spreche dabei die Größe und die zentrale Lage in Europa.

Kommentar: Zahlen drücken unmissverständlich Realitäten aus. Sie sind Ausdruck des "normativ Faktischen". Narrative zerschellen am "normativ Faktischen". Der Brexit hat insbesondere der britischen Wirtschaft Schaden zugefügt. Die 1000 Neuansiedlungen britischer Unternehmen in Deutschland muss den verlorenen Handelsanteilen gegenüber gestellt werden (Verlagerung von Außenwirtschaft in Binnenwirtschaft). Ergo liegt der Schaden maßgeblich im UK.


China verlängert Milliardenpaket für E-Autos

Die chinesische Regierung will die Nachfrage nach Elektroautos und anderen umweltfreundlichen Fahrzeugen mit der Fortsetzung von Subventionen ankurbeln. Dazu wurde ein 520 Mrd. Yuan (66 Milliarden Euro) großes Paket beschlossen, mit dem der jüngst reduzierten Nachfrage auf dem weltgrößten Automarkt entgegengewirkt werden soll. So sollen elektrisch betriebene Fahrzeuge, die ab 2024 erworben werden, von der Steuer (bis zu 30.000 Yuan) befreit werden. Ab 2026 würde der Nachlass um 50% gekürzt.

Bereits jetzt werden New Energy Vehicles (NEVs) -zu denen batteriebetriebene Elektrofahrzeuge, benzinelektrische Plug-in-Hybride und Wasserstoff-Brennstoffzellenautos gehören -bis Ende 2023 von der Steuer befreit. Diese Maßnahme würde nun verlängert. Der Generalsekretär des Verbandes China Passenger Car Association sagte, dass die Verlängerung um vier Jahre die Markterwartungen übertroffen hätte. Es würde das Wachstum von Elektrofahrzeugen in China fördern. Rystad Energy erwarte, dass der Absatz 2024 um 30% steigen würde, doppelt so stark wie bisher unterstellt.

Kommentar: Chinas Regierung gibt Gas, um Konjunkturimpulse zu setzen. Neben Zinssenkungen kommen jetzt spezifische Maßnahmen dazu. Sollte geopolitische Entspannung (USA/China) dazu kommen, ergäbe sich ein starker Potpourri unterstützender Impulse. Letzteres ist ein Hoffnungswert, dem durch die aktuelle Diplomatie-Offensive der Achse Washington/Berlin/Peking etwas Nahrung zugeführt wurde.


Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone: Eurozone: Kfz-Registrierungen (M) höher

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Die aktuelle Stärke im Monatsvergleich speist sich zu guten Teilen aus der Schwäche des Vormonats. Der Jahresvergleich ist grundsätzlich "erfrischend".


Großbritannien: Inflationsbild "unbefriedigend"

Die Verbraucherpreise nahmen per Berichtsmonat Mai im Monatsvergleich um 0,7% (Prognose 0,5%) nach zuvor 1,2% zu. Im Jahresvergleich verharrte der Anstieg bei 8,7% (Prognose 8,4%).

Die Kernrate der Verbraucherpreise verzeichnete per Mai im Monatsvergleich eine Zunahme um 0,8% (Prognose 0,6%) nach zuvor 1,3%. Im Jahresvergleich stellt sich der Anstieg auf 7,1% (Prognose und Vormonatswert 6,8%). Es war der höchste Wert seit März 1992.

Damit ergibt sich für das UK bezüglich des Inflationsdrucks im Vergleich zu den USA, zu der Eurozone und zu Japan das kritischste Bild mit potenziellen Konsequenzen für die Zinspolitik der Bank of England. Der vom CBI ermittelte Index für den britischen Auftragseingang stellte sich per Berichtsmonat Juni auf -15 Punkte (Prognose -17) nach zuvor -17 Punkten.


USA: MBA Index marginal höher

Der von der Mortgage Bankers Association (MBS) ermittelte Hypothekenmarktindex stellte sich in der Berichtswoche per 16. Juni auf 209,8 nach zuvor 208,8 Punkten. Das Niveau ist historisch betrachtet schwach.


Russland: Erzeugerpreise (M) legen deutlich zu

Die Erzeugerpreise verzeichneten per Mai im Monatsvergleich einen Anstieg um 3,7% nach zuvor 2,4%. Im Jahresvergleich ergab sich ein Rückgang um 3,6% nach zuvor -12,7%.

Derzeit ergibt sich für das Währungspaar EUR/USD eine neutrale Haltung. Erst ein Ausbruch aus der Bandbreite 1,0650 – 1,1100 eröffnet neue Trendsignale.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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