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Die Hamburger “Mark Banco”: Ein vorbildliches Silbergeldsystem, das auch heute funktionieren würde

26.06.2023  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
"Kredit ist schlummerndes Mißtrauen." - Thomas Paine (1737–1809)

Die "Mark Banco" diente fast 250 Jahre als verlässliches Geld. Wir zeigen, wie dieses in Silber definierte Geld funktioniert hat, und welche Lehren unsere Zeit daraus ziehen kann.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts gab es eine große Münzverschlechterung. Es war die Zeit der "Wipper und Klipper", die 1620 und 1622, also während des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648), ihren Hochpunkt fand. Das Wippen bezog sich auf die Bewegung der Münzwaage-Balken, und das "Kippen" auf das Aussortieren der schwereren (also guten) Münzen. Auch damals gab es natürlich die Verlockung für die Münzherausgeber, den Metallgehalt der Münze zu verringern, während der aufgeprägte Nominalwert unverändert blieb. Nach der Reichsmünzordnung von 1559 war der Silbertaler die allgemeine Währungsmünze (Raugewicht 29,23 Gramm, 889/1000 Teile Silber).

Doch war es den Landesherren gestattet, eigene, nur im eigenen Territorium gültige Münzen zu prägen, die eine geringere Legierung hatten. Es handelte sich um Scheidemünzen (der aufgeprägte Nennwert der Münze war höher als ihr Metallwert) – im Gegensatz zu Kurantmünzen, deren Metallwert mindestens ihrem Münznominal entspricht. Betroffen von der Geldverschlechterung waren vor allem die kleineren Münzsorten (Pfennig, Kreuzer, Groschen). Sie wurden vorzugsweise stark vermehrt.

Sogleich stellte sich das Greshamsche Gesetz ein. Es besagt, dass das vom Staat überbewertete Geld das vom Staat unterbewertete Geld verdrängt. Man tauschte die minderwertigen Münzen in die schwere(re)n Münzen ein. Die guten Münzen wurden entweder gehortet, oder man ließ sie einschmelzen und aus ihnen mehr Münzen mit einem entsprechend geringeren Metallgewicht erzeugen.

Für Tauschzwecke liefen also die Münzen mit weniger Metallgewicht um. Das Ganze lief auf eine Entwertung der Kaufkraft der Münzen hinaus, war Güterpreisinflation, wie man heute sagen würde. Denn es handelte sich um nichts anderes als um eine Ausweitung der Geldmenge: Aus einem gegebenen Silberbestand wurden mehr und mehr Münzen mit unverändertem Nominalwert ausgeprägt. Die Geldentwertung wurde zusehends zu einem Problem, für die Bevölkerung, vor allem auch für den Handel national wie international.

Die Niederländer reagierten auf dieses Problem, indem sie 1609 die Amsterdamsche Wisselbank gründeten, die erste im öffentlichen Besitz befindliche Bank, die ihren Kunden Edelmetallkonten anbot, und die den Ausgleich zwischen Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen den Kunden bargeldlos vornahm. Auf diesen Vorstoß reagierte die Freie und Hansestadt Hamburg und ihre Kaufmannschaft mit der Gründung der Hamburger Bank im Jahr 1619.¹ Die Stadt übernahm die Haftung für mögliche Verluste aus Diebstahl und Feuer.

Das "Banco Mandat" vom 20. Februar 1619 gab der Hamburger Bank vor, Edelmetalle entgegenzunehmen und den Kunden ihren Wert auf Konten gutzuschreiben und auf Wunsch wieder auszuhändigen. Die Hamburger Bank war damit, wie auch die Amsterdamsche Wisselbank, eine Depositen-Giro-Bank. Sie nahm am 20. März 1619 ihre Tätigkeit auf. Durch ein weiteres Mandat vom 20. November des gleichen Jahres wurde übrigens auch die "Lehn-Banco" geschaffen. Es befugte die Hamburger Bank, Kredite zu vergeben, die mit Gold und Silber besichert waren.

Eine Entscheidung, die sich als nicht ganz so vorteilhaft für die Bank erweisen sollte.

Der große Wurf war nun, dass die Hamburger Bank eine eigene Rechnungseinheit, die "Mark Banco" schuf. Hinterlegten Kunden einen vollwertigen Silberreichtaler, wurden ihnen 3 Mark Banco gutgeschrieben. Im Jahr 1622 entsprach demnach ein Mark Banco einem Silbergewicht von 8,66 Gramm.

Die Mark Banco wurde nicht ausgeprägt, sondern war ausschließlich als Buchgeld verfügbar, sie wurde für den bargeldlosen Zahlungsverkehr verwendet (die Hamburger Kaufleute lehnten Banknoten als unseriös ab). Die Hamburger Commerz-Deputation (Vorläufer der modernen Handelskammer) gab regelmäßig Kurszettel heraus, auf denen Warenpreise, die Wechselkurse gegenüber anderen Geldsorten und auch Versicherungsprämien in Mark Banco ausgewiesen wurden.

Eine ganz bedeutsame Sache: Denn es zeigt, dass der Mark Banco auch tatsächlich zur Bepreisung der Güter Verwendung fand – und damit die Geldfunktion(en) vollumfänglich erfüllte. Die Mark Banco erwies sich als solide und verlässlich in den Wirren des 17. Jahrhunderts.

Dann, nach dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) wurde ein Problem immer offenkundiger: Der Münzfuß des Reichssilbertalers hatte sich im Laufe der Zeit immer weiter verschlechtert, während die Mark Banco weiterhin in den alten, vollwertigen Silbertalern, die in Hamburg auch noch ausgeprägt wurden, definiert war. Die Entnahme der schweren Silbertaler durch die Kunden und die (Neu-)Einlagerung verschlechterter Münzen beschädigte natürlich auch den Wert der Mark Banco.

Es war der Architekt Ernst Georg Sonnin (1713–1794), Erbauer der Hamburger Michaelis Kirche (des "Michel"), der eine großartige Idee vorbrachte. Er sagte, so Adolf Soetbeer (1814–1892): "Ei, Ei! was doch die Chinesen für kluge Leute sind! Die kehren sich an kein Gepräge, sondern nehmen alles Silber nach Gewicht und Gehalt. Wenn wir das doch auch thäten, so brauchten wir uns nicht die Köpfe darüber zu zerbrechen, sondern wir rechneten alsdann am einfachsten und gewissesten."²

Sonnin sprach sich damit dafür aus, die Wertbestimmung der Mark Banco vom Nominalwert der Münzen zu lösen und sie fortan in Gewicht ungemünzten Feinsilbers zu definieren. Im Jahr 1770 wurde der Vorschlag im Zuge einer Bankreform in die Tat umgesetzt. Die Silbertaler, die bei der Hamburger Bank eingelagert waren, wurden in Barren eingeschmolzen. Ab 1790 wurden keine Münzen mehr, sondern nur noch Silberbarren als einlagerungsfähig akzeptiert. Damit hatte die Hamburger Bank einen reinen Feinsilberstandard geschaffen. Der deutsche Ökonom Ernst Levy von Halle (1868–1909) schrieb im Jahr 1891:

"Durch die Fundirung auf feines Silber hat die Bank gegen Ende vorigen Jahrhunderts sich in der ganzen Welt den Ruf außerordentlicher und unwandelbarer Sicherheit erworben, und ihre Valuta ist namentlich in der Zeit von 1797–1819 resp. 1821 – der englischen Bankrestriktionsperiode, d. h. der Zeit, in welcher die Bank von England ihre Noteneinlösungen suspendiert hatte – der Maßstab und Standard aller Währungen, Wechsel- und Edelmetallpreise gewesen."³


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