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Eine Portion Risikoaversion – Bundesbankchef Nagel, bemüht, zu beruhigen

06.07.2023  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0840 (05:52 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0835 im fernöstlichen Geschäft markiert wurde: Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 144,23. In der Folge notiert EUR-JPY bei 156,34. EUR-CHF oszilliert bei 0,9739.


Märkte: Eine Portion Risikoaversion

Die letzten 24 Handelsstunden waren von leicht erhöhter Risikoaversion geprägt. Aktienmärkte standen bei wenigen Ausnahmen unter Druck. Dabei verloren Europas und Japans Märkte überdurchschnittlich. Die Verluste bei S&P 500 und dem Dow Jones fielen geringfügig aus. Der NASDAQ konnte sogar marginal zulegen.

Zinssorgen belasteten die Aktienmärkte. Sie wurden aus Sicht des Marktes auch von der Veröffentlichung der Fed-Protokolle unterfüttert. Laut Fed-Protokollen votierte die Mehrheit für eine Zinspause per Juni. Nahezu alle Verantwortlichen erwarten weitere Zinserhöhungen im Jahresverlauf. Das war keine "Neuigkeit". Diese Position war bereits zuvor diskontiert worden. Auch die Nachrichten ob der zu erwartenden Zinspolitik der EZB (siehe unten) lieferten keinen Ansatz für Zinssorgen, ganz im Gegenteil (Visco).

Gleiches gilt für Rahmendaten bezüglich der zu erwartenden Preisinflation in der Eurozone und in Deutschland. Die Verbraucher in der Eurozone rechnen gemäß Umfrage der EZB mit einem Nachlassen des Inflationsdrucks. Sie erwarten, dass die Teuerungsrate in den kommenden 12 Monaten bei 3,9% liegen wird. Im April waren es noch 4,1%. Laut Studie von ImmoScou24 nahmen die Mieten im 2. Quartal 2023 im Jahresvergleich bei Bestandswohnungen um 2,5% und bei Neubauwohnungen um 2,2% zu. Im Quartalsvergleich zeigt sich eine abnehmende Tendenz der Anstiege. Für Märkte waren das wohl zu viele Fakten (Ironie).

Die Rentenmärkte reagierten "verschnupft". Renditen legten zu. Die 10-jährige Bundesanleihe rentiert aktuell mit 2,51% (Höchstrendite seit dem 19. Juni 2023 ), die 10-jährige US-Staatsanleihe mit 3,96% (Höchstrendite seit dem 9. März 2023).

Der USD gewann gegenüber dem EUR nur leicht an Boden. Die Tagestiefstkurse wurden bei 1,0835 im fernöstlichen Handel markiert. Die Aspekte "Sicherer Hafen", bessere Konjunkturlage und zu Gunsten des USD veränderte Zinsphantasie mögen unterstützt haben.

Gold verlor gegenüber dem USD überschaubar an Boden. Silber konnte dagegen geringfügig zulegen. Hier ist der Hintergrund, dass die industrielle Nachfrage im Bereich alternativer Energien und IT gestern an Märkten thematisiert wurde, die steigende Silbernachfrage impliziert


Bundesbankchef Nagel bemüht, zu beruhigen

Bundesbankpräsident Nagel erwartet keine Dauerrezession. Ab Frühjahr sollte die deutsche Wirtschaft auf einen verhaltenen Expansionskurs eingeschwenkt haben. Starke Lohnsteigerungen sollten die Konsumausgaben stabilisiert haben.

Kommentar: Der verbale Konjunkturoptimismus, den Bundesbankchef Nagel bemüht ist, zu generieren, nehme ich zur Kenntnis. Ich schließe auch nicht aus, dass es im zweiten Quartal 2023 zu marginalem Wachstum im Quartalsvergleich gekommen sein kann. Das ist aber nahezu irrelevant. Der Blick auf den Moment und die jüngere Vergangenheit sollte nicht den Blick auf die Perspektive verrücken.

Die aktuelle deutsche und europäische Politik generiert eine massive Verunsicherung, die negativ auf das Potenzial der Wirtschaft wirkt. Die Unternehmen stimmen mit ihren „Füßen“ ab. Der Blick auf den Economic Sentiment Index der EU und der Eurozone (vergleichbar mit dem IFO-Index für Deutschland) belegt augenfällig den Konjunkturverfall, implizit auch den Strukturverfall, der die Konjunktur im weiteren Verlauf belasten wird.



Chart: Konjunkturerwartungen laut Economic Sentiment Indicator für EU und Eurozone

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© Statista


Hehre Worte werden wenig ändern, der strukturelle Rahmen muss dauerhaft und verlässlich (!) erhöhte Attraktivität gewinnen, um Kontinentaleuropa die Chance zu geben, im internationalen Konkurrenzkampf bestehen zu können. Das ist derzeit im politischen Umfeld kaum erkennbar. Die Tatsache, dass Deutschland in den internationalen Rankings durchgehend zurückfällt, spricht für sich und faktisch gegen den Verbaloptimismus, der hier bezüglich einer Vergangenheitsbetrachtung (2. Quartal 2023) verabreicht wurde.

Weiter zu den Einlassungen des Bundesbankpräsidenten: Der weitere Zinskurs hinge von der Inflationsentwicklung ab und sei hochgradig unsicher. Aus aktueller Sichtweise müssten Zinsen weiter steigen, wie weit, ließe sich derzeit nicht beantworten.

Kommentar: Die Töne des Bundesbankpräsidenten werden etwas konzilianter. Fakt ist, dass die Frühindikatoren der Verbraucherpreise (Import-, Großhandels- und Erzeugerpreise) markant nach unten weisen, die Konjunktur- und Strukturindikatoren gleichfalls. Das Risiko, dass die Zinspolitik überziehen könnte, ist vor diesen Hintergründen ernst zu nehmen. Im EZB-Rat geht es nicht mehr nur „falkenhaft“ zu. EZB-Ratsmitglied Visco (Italien) betonte, dass die Inflation auch ohne weitere Zinserhöhungen sinken könne. Das Zinsniveau sei bereits restriktiv. Als Fazit lässt sich ziehen, dass die Zinspolitik wohl weniger stringent ausfallen wird.


Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone: PMIs belegen, Eurozone und Deutschland fallen zurück

Die Erzeugerpreise der Eurozone sanken per Mai im Monatsvergleich um 1,9% (Prognose 1,8%) nach -3,2%. Im Jahresvergleich kam es zu einem Rückgang um 1,5% (Prognose -1,3%). Die finalen Fassungen der Einkaufsmanagerindices per Juni fielen wie folgt aus.

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Frankreich: Die Industrieproduktion verzeichnete per Mai einen unerwarteten Anstieg im Monatsvergleich um 1,2% (Prognose -0,2%) nach zuvor 0,8%.


UK: PMIs deutlich besser als in Eurozone!

Die finalen Fassungen der Einkaufsmanagerindices per Juni fielen wie folgt aus:

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USA: US-Auftragseingang mit weniger positiver Dynamik als erwartet

Die Auftragseingänge der US-Industrie verzeichneten per Berichtsmonat Mai einen Anstieg um 0,3% (Prognose 0,8%) nach zuvor 0,3% (revidiert von 0,4%).


Russland: Russlands Dienstleistungssektor gewinnt Dynamik

Der von S&P ermittelte Einkaufsmanagerindex des Dienstleistungssektors nahm per Berichtsmonat Juni von zuvor 54,3 auf 56,8 Punkte zu.


Brasilien: PMIs schwächer

Die Einkaufsmanagerindices per Juni fielen wie folgt aus:

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Derzeit ergibt sich für das Währungspaar EUR/USD eine neutrale Haltung. Erst ein Ausbruch aus der Bandbreite 1,0650 – 1,1100 eröffnet neue Trendsignale.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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