Ist der US-Dollar wirklich "Too Big To Fail"?
31.07.2024 | Matt Piepenburg
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Ist es ein Zufall, dass mehr und mehr Staaten Rohstoff- und andere Handelsgeschäfte auf Nettobasis in Gold und nicht Dollar abwickeln? Ist es ein Zufall, dass Staaten und deren Zentralbanken lieber in Gold sparen würden (ein begrenzt verfügbarer Wert mit unbegrenzter Laufzeit) als in US-Schuldtiteln (ein unbegrenzt verfügbarer Wert mit begrenzter Laufzeit), deren Renditen die Inflation nicht wettmachen und deren Kaufkraft, gemessen in Milligramm Gold, seit 1971 um 98% gefallen ist?
Ist es ein Zufall, dass schon innerhalb von 2 Jahren nach der Abkopplung des US-Dollar von Gold (1971) Washington verzweifelt die Zinssätze anhob und den Dollar stärkte, so dass sich Saudi-Arabien et al. bereiterklärten, dass die Welt Öl in starken US-Dollar ankaufen muss, womit ebenfalls Zwangsnachfrage nach einem ansonsten überschüssigen / überproduzierten US-Dollar erzeugt wurde?
Ist es auch nur Zufall, dass sich über 50 Jahre später (und nach einer 98%igen Schwächung des US$) Golfstaaten wie Saudi-Arabien langsam von diesem Petrodollar lösen, nachdem man eine Generation lang mit ansehen musste, wie sich dieser im Rahmen einer öffentlichen, unternehmerischen wie privaten US-Gesamtschuldenlast von mehr als 100 Billionen US$ entwertete – und insgesamt bewirkte, dass eine immer unbeliebter werdende US-Staatsanleihe auch immer weniger resistent gegen Zinserhöhungen und folglich Dollarstärke wurde?
Wie gut, ein König zu sein
Im Kontext des oben Beschriebenen ist es den smarten Bankern und der US-Notenbank weiterhin ein Anliegen, uns im Glauben zu lassen, dass der Greenback nach wie vor der König ist und all seiner Mängel zum Trotz weiterhin von jenem starken Nachfragesog aus der Dollar-zentrischen Welt profitiert, der den US-Dollar eben "too big to fail" macht. Doch was, wenn die Welt eigentlich Energie-zentrisch und nicht Dollar-zentrisch ist? Und was, wenn der Vorstoß der BRICS mehr ist als nur eine Chimäre, sondern eine neue Puck-Richtung? Denken Sie darüber mal nach! Das möchte niemand in Washington oder an der Wall Street…
Hochmut kommt vor dem Fall
Die Gewissheit, dass der Dollar von morgen immer noch der Dollar von gestern sein wird, ist in Tat ein gefährliches Anzeichen für Selbstüberschätzung vor dem Fall (und für Geschichtsunkenntnis). Überhaupt: Wenn wir den Kaufkraftverfall des US-Dollars seit 1971 beobachten können, warum nicht auch andere?
Und wenn wir erkennen können, dass US-Staatsanleiherenditen im Kampf gegen heutige und zukünftige Inflation unterliegen (und quasi technischer Anleiheausfall vorliegt), warum sollten das die anderen nicht erkennen können? Und wenn wir sehen können, dass die Falschliquidität (QE oder anderes), die zur Finanzierung von Uncle Sams wachsendem Kneipendeckel benötigt wird, auch weiterhin hoch inflationär (und Dollar-entwertend) bleiben wird, wäre es dann nicht vernünftig, davon auszugehen, dass der Rest der Welt all das auch sehen kann?
Umgehen statt Bekämpfen
Tatsächlich ist so – und zwar auf Grundlage dessen, was gemacht anstatt gesagt wird –, dass der Rest der Welt allem Anschein nach haargenau das sieht, was auch wir sehen. Die BRICS-Staaten möchten den Dollar weder zerstören noch ersetzen. Stattdessen sind sie ganz offensichtlich längst dabei, ihn so zu umgehen wie die Deutschen die französische Maginot-Linie. Wie das?
Indem sie lokale Währungen für lokale Güter nutzen und später auf Nettobasis abrechnen – in einem zeitlosen Asset: Gold. Und wenn wir sehen können, dass Goldhalter deutlich mehr Energie (d.h. Öl oder Gas) mit Goldunzen und -kilos kaufen können als mit amerikanischen Dollars und US-Staatsanleihen, dann ist es doch zumindest vernünftig anzunehmen, dass Gold als Asset bei der Abwicklung von Handelsgeschäften stärker nachgefragt werden wird, während der US-Dollar unter sinkender Nachfrage zu leiden hat, oder nicht?
Und sollte die Nachfrage nach dem US-Dollar als Asset für den Nettoausgleich von Handelsgeschäften weiterhin sinken und nicht steigen, wäre es dann nicht ebenso plausibel (insofern die Kräfte von Angebot und Nachfrage weiterhin gelten) zu behaupten, dass der Dollar von morgen vielleicht eher schwächer als stärker sein wird?
Zwei Königshäuser – das eine zeitlos, das andere temporär
Selbst wenn wir Zugeständnisse an das vernünftige Postulat der Milchshake-Theorie machen würden, wonach der US-Dollar, all seiner Makel zum Trotz, "der letzte ist, der fällt", so ändert das nichts an der Tatsache, dass der US-Dollar – unabhängig davon, ob er "als letzter" fallen wird oder scheitert – längst neu bepreist wird, auch ohne dabei vielleicht jemals ersetzt zu werden…?
Abschließend noch eine der vielleicht wichtigsten (und naheliegendsten) Feststellungen: Selbst wenn der US-Dollar im Vergleich zu allen anderen Fiat-Währungen "der König" bleibt (und das ist durchaus entscheidend in Ländern mit deutlich schwächeren Währungen – wie der Türkei oder Argentinien), so lässt sich dennoch objektiv feststellen, dass Gold sogar noch werthaltiger ist als dieser "US-Dollar-König".
Kurz und knapp: Es gibt einen weitaus besseren "König" als den US-Dollar; und er war nie weg. Doch die Zentralbanker möchten ihn einfach nicht sehen. Dieser edle König trägt eine Krone aus Gold und nicht aus Papier. Für welchen König werden Sie sich entscheiden?
© Matt Piepenburg
Kommerzdirektor bei VON GREYERZ AG
Dieser Artikel wurde am 14. Juli 2024 auf vongreyerz.gold veröffentlicht.