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Wie können wir uns gegen Antihelden absichern?

07:00 Uhr  |  Matt Piepenburg
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Kurz und knapp, und wie seit Anbeginn der Zeit: Die Währung wurde geopfert, um ein ruiniertes System zu "retten" und um Wählerstimmen zu kaufen. Nixon Wahlsieg war überwältigend. Seine Politik konsolidierte ein Modell, das sich heute als richtungsweisende Perversion freier Marktpreisbildung etabliert hat:

1) Abkopplung des Dollars vom Goldstandard
2) Zinssenkungen, um kurzfristige Spekulation zu fördern, was
3) letztlich zu unnatürlich großen Marktblasen und -korrekturen führt

Kommt Ihnen das bekannt vor?


Das Greenspan-Monster

Der zündende Funke hinter dem Marktcrash von 1987 waren ironischerweise Ängste / Gerüchte, der neue Sheriff (Alan Greenspan) werde dem großen Wall-Street-Rausch jetzt mit "Volcker-artigen" Zinserhöhungen ein Ende setzen. Und so fiel der Aktienindex innerhalb eines Tages urplötzlich um 23% - doppelt so stark wie am schlimmsten Tag des Crashs von 1929.

Noch verblüffender als dieser "Black Monday" war allerdings die Lazarus-artige Wiederauferstehung des Marktes, welcher sich am folgenden "White Tuesday" wie von selbst erholte: Ab 12.30 Uhr des Folgetages ging eine Welle von Kaufaufträgen ein, mit denen die Panik wie von Geisterhand schlagartig beendet war. Die US-Notenbank unter Greenspan war also eindeutig keine "Volcker-2.0-Fed" (und auch keine Bill-Martin-Fed); vielmehr erhielten die unberechenbaren Märkte und die überbewertete Wall Street Hilfe vom Ursprungs-Patient des aktuellen Marktblasen-Zyklus‘.

Also: Anstatt schmerzhafte Korrekturen (sprich den normalen Marktkater oder das, was die Österreicher "konstruktive Zerstörung" nennen) zuzulassen und ohne den Investoren eine Lektion über Derivate, Finanzhebel und andere Landminen erteilt zu haben, mit denen das Terminhandelsparkett des S&P (der an einem Tag um ganze 29% einbrach) übersät war, schritt die US-Notenbank mit eimerweise billigem Geld ein und verhinderte den reinigenden, knallharten, aber herzlichen natürlichen Lauf der Marktkorrekturkräfte von vorneherein.


Die moderne Wall Street - Fast nur noch Antihelden

Selbstsüchtige, karrierebesorgte Entscheidungsträger, die ein Umfeld schaffen, in dem der US-Dollar ungehindert, Kredit billig und Regulierung lax ist (oder "kreativ" gehandhabt wird), bleiben beliebt, werden reich und behalten ihre Jobs. Und das Mantra, das an der Wall Street jeder kennt, laut: "Bären werden gefeuert, Bullen angeheuert."

Einer solche Denkweise entspringen clevere Markt-Akteure, die ungehindert ihre Intrigen in einem Umfeld permanent wachsender Marktblasen schmieden, in dem Insider-Wale gedeihen und das Plankton aus Mittelklasse- / Kleinanlegern besteht.


Das Börsenparkett und der moderne Derivatekrebs

Irrationales Kreditwachstum führt dazu, dass sich in jeder Anlageklasse ein Krebsgeschwür bildet. Selbst an den einst bescheidenen Handelsbörsen. Und so kam es, dass an einer markttheoretisch noch bescheidenen Börse mit Sitz in Chicago ein weiterer Antiheld, Leo Melamed, seine Ideen verwirklichte und Terminkontrakte (die ursprünglich mit dem bescheidenen Gedanken geschaffen wurden, einfachen Landwirten und Lieferanten dabei zu helfen, Preisschwankungen zu entschärfen) auch auf globale Währungen anwendete.

Nach Rücksprache mit gut bezahlten "Beratern" wie Alan Greenspan und anderen kreditfreundlichen, eigennützigen Köpfen (darunter Milton Friedman) erhielt Melamed kurz darauf grünes Licht für den Einsatz auf breiter Front; durch den Einsatz süchtig machender Finanzhebel wurde nun der gesamte Währungsbereich auf eine ganz neue Ebene spekulativer Alchemie gehoben.

Vier Jahrzehnte später übertraf das stündliche Währungsvolumen (aber auch Risikovolumen), das an der ausschließlich von Bankern betriebenen Handelsbörse getradet wurde, das jährliche Transaktionsvolumen der ursprünglichen, allein von Landwirten genutzten, Warenbörse (MERC).

Wie alle Märkte nach 1971 haben sich auch die Börsensäle längst in ein Kasino verwandelt, in dem (dank des Einsatzes derivativer Zeitbomben) Wachstumsraten von verblüffenden 50.000% erzielt wurden, wobei das Verhältnis zwischen Absicherungsvolumen und der Aktivitätsrate beim eigentlich gehandelten Basiswert auf bis zu 100:1 gespreizt wird.

Diese "modernen Derivate-Zechen" (deren theoretischer Risikowert inzwischen die Grenze zu den Billiarden-Beträgen überschritten hat) sind nichts anderes als gehebelte, kanzeröse heiße Eisen, deren Risikograd, aber auch gewollter Verwirrungsgrad, bei der nächsten Liquiditätskrise noch eine Rolle spielen wird.

Kurzum: Das hier hat nichts mehr mit den Warenbörsen unserer Großväter zu tun…


Long Term Capital Management

Ein weiteres Beispiel für nicht-heldenhaftes Benehmen endete 1998 mit dem Zusammenbruch von LTCM - alias Long Term Capital Management -, eines Hedgefonds, der auf der Höhe seiner trunkenen Pracht eine Bilanzsumme von 125 Mrd. US$ zusammengehebelt hatte. Diese in Greenwich (Connecticut) beheimate Kreation des eher unheldenhaften John Meriwethers, ausgestattet mit den besten und intelligentesten Algorithmus-Programmierern der Wall Street sowie Beratern von Nobelpreisrang, sticht als aufschlussreiche Bestätigung dreier Beobachtungen hervor, die bezüglich der Wall Street wiederholt gemacht wurden:

1) Die schlauen Köpfe sind gar nicht so schlau,

2) wann immer übertriebene Finanzhebel im Spiel sind, kommt auch ein Tag der Abrechnung,

3) die Federal Reserve wird der Wall Street erneut unter die Arme greifen (= ihr eigentliches Schattenmandat), sobald die eigenen unanständigen "Eliten" wieder beim Rauschmittelmissbrauch im Marktverkehr erwischt wurden. Sprich: Trading unter Einfluss von günstigen Kreditkonditionen und somit günstigen Finanzhebelverhältnissen.

Selbstverständlich wurden die Muster (und Lektionen) nach dem Untergang von LTCM nicht ernst genommen, sondern einfach fortgeführt…


Die Antihelden der Dot.Com-Ära...

Als in Connecticut der Rauch über den LTCM-Trümmern langsam verschwand, begann sich mit der "Dotcom-Technologiesektor-Hysterie" schon eine weitere Vermögensblase abzuzeichnen, die als Ausdruck marktwirtschaftlicher Hochkonjunktur missdeutet wurde.

Rückblickend erscheint die "Dotcom-Implosion" so offensichtlich. Doch selbst als sie damals einsetzte, herrschte noch (genau wie heute) der Eindruck, der Markt sei... naja… unsterblich, plakativ und surreal. Man denke nur an Dell Inc.: Dell startete mit 0,05 US$ pro Aktie, wuchs dann auf 54,00 US$ / Aktie (das 1.100-fache!), um schließlich wieder auf einen Aktienkurs von 10,00 US$ abzusacken.


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