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Wie können wir uns gegen Antihelden absichern?

18.09.2024  |  Matt Piepenburg
- Seite 3 -
Auch heute haben wir jede Menge Einhörner und die "Magnificent 7", welche 30% der S&P-Marktkapitalisierung auf sich vereinigen (und gleichzeitig jedes Kartellrechtsprinzip verletzen, das ich aus dem Jurastudium kenne), die nach wie vor als Sirenen fungieren und "FOMO-Segler" auf tödliche Felsen locken. Die Dotcom-Schampus-Party der 1990er endete, wie schon die Vorgängerversion aus den feschen 1920er Jahren, im Ruin: Der S&P verlor 45%, und der junge, wilde NASDAQ lag 2003, gemessen an seinen vorherigen Höchstständen, bei ganzen 80% im Minus.

Übrigens: Auch den heutigen Technologie-, Immobilien- und Anleiheblasen wird es letztlich nicht anders ergehen, auch sie werden in Ungnade fallen...


An den Zinsen schrauben, nicht an der Realität

In den Trümmerhaufen der Dotcom-Bubble brachten die marktverliebten Entscheidungsträger der Federal Reserve nun die größten Zinssatzsenkungen auf den Weg, die es bislang gegeben hatte. Nun standen die Weichen richtig für günstige und einfache Kreditversorgung, aber auch für Finanzhebeleinsatz und somit schuldeninduzierte Deformierung der Märkte. Das heißt also: Die alte Technologieblase wurde mit der Schaffung einer neuen Immobilienblase überwunden. Darüber hinaus kam es zu einer breiten und beschämenden Welle aus unwirtschaftlichen Fusionen & Übernahmen (M&A), Aktienrückkaufprogrammen sowie fremdfinanzierten Unternehmensübernahmen (LBO).

Zu den Höhepunkten dieses Tiefpunkts "amerikanischer Deal-Kultur" zählt der Kurssturz der Aktie von General Electrics (GE) von 50 US$ auf 10 US$ pro Anteil. Aber mit welchen Folgen? Reagierte GE-Chef Jeffrey Immelt etwa heldenhaft auf den verdienten Rückschlag? Zog das Unternehmen die notwendigen Lehren aus seiner rücksichtslosen Spekulationspraxis, die General Electrics einen Aktienkurs bescherte, welcher zu Spitzenzeiten noch beim 40-fachen gelegen hatte?
Nein! Der CEO von GE ließ sich stattdessen retten…


Larry Summers

Und dann gibt es noch den ewigen Larry Summers - der eigentliche Ursprungs-Patient der Derivate-Krebserkrankungen…

Larry Summers war Präsident der Harvard-Universität. Er arbeitete für Clinton und diente als US-Finanzminister. Er hatte zahlreiche eigenwillige (und gut bezahlte) Aufritte als Redner. Selbst Ray Dalio hängt mit ihm ab. Allerdings sollten Referenzen nicht die Sicht auf die Fakten verstellen. Und wie Rouchefoucauld schon vor Jahrhunderten feststellte: Die höchsten Ämter werden selten - wenn überhaupt - von den größten Geistern bekleidet.

Auch wenn die Meinungen darüber natürlich auseinandergehen, so fällt es schwer, Larry Summers nicht als einen der zentralen Architekten des Finanzdebakels von 2008 aufzulisten: "Was Larry Summers falsch gemacht hat". Die meisten Veteranen der zeitgenössischen Marktzyklen vor und nach 2008 räumen ein, dass die außerbörslich gehandelten Derivate (OTC derivatives) das Herz der Marktfinsternis von 2008 bildeten.


Schikanierte Helden

Zu dieser Zeit warnte Brooksley Born, damalige Vorsitzende der CFTC (Commodity Futures Trading Commission) offen vor den Gefahren derivativer Natur, die… nun ja… von Derivaten ausgingen. Doch dann rief der damalige stellvertretende Finanzminister Larry Summers 1998 bei ihr an und schikanierte sie ganz offen: "Ich habe 13 Banker in meinem Büro", schrie er, "die mir sagen, dass Sie die schlimmste Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg auslösen werden", sollte sich Born weiterhin für die dringend benötigte Transparenz und die Meldepflichten im außerbörslichen Wertpapierhandel (OTC) einsetzen wollen.

Anschließend wurde sie von Summers auch öffentlich angegriffen; gegenüber dem US-Kongress versicherte er in herablassendem Ton, dass ihre Bedenken hinsichtlich der potenziellen Unübersichtlichkeit dieser Instrumente überzogen seien. Dabei versprach er: "Bei den Parteien, die hinter dieser Art von Kontrakten stehen, handelt es sich größtenteils um hochentwickelte Finanzinstitutionen, die sehr gut in der Lage zu sein scheinen, sich vor Betrug und Insolvenzen der Gegenpartei zu schützen."

Doch knapp zehn Jahre später (das Volumen des OTC-Derivatemarkts war nicht zuletzt durch Summers Hilfe inzwischen von 95 Bill. US$ auf 670 Bill. US$ angewachsen) mussten wir alle erfahren, dass es eben jene "außerordentlich fähigen" und "größtenteils hochentwickelten Finanzinstitutionen" (Bear Stearns, Goldman, AIG et al.) waren, die die schlimmste Finanzkrise (und den schlimmsten "Bail-Out") seit dem Zweiten Weltkrieg mit sich zogen.


Noch mehr schlechte Ideen, noch mehr Antihelden

Es sei daran erinnert, dass weder Greenspan (2001) noch Bernanke (2008) diese Markteinbrüche kommen sahen. Und natürlich auch kein anderer jener "Helden", die Spitzenpositionen in den Privatbanken und im US-Finanzministerium besetzten. Auch Powell wird hier keine Ausnahme sein. Die Erfolgsbilanz der US-Notenbank bei der Vorhersage von Rezessionen oder Marktimplosionen liegt bei 0 von 10.


Apropos "Erfolg"

Ein Mensch, daran erinnert uns Walt Whitman, ist so vieles. Die meisten werden sich vielleicht darauf einigen können, dass wir philosophisch, ökonomisch, moralisch und historisch so aufgestellt sind, dass wir es einfach vermasseln werden - immer wieder und wieder. Weniger verzeihlich als dieser Mangel an Perfektion ist jedoch der Mangel an Verantwortlichkeit, ja sogar Demut.

Nicht jeder kann ein mutiger Pilot der Royal Air Force sein. Doch manchmal ist Ehrlichkeit schon heldenhaft genug.

Leider sind die oben angesprochenen Antihelden, aber auch die zahllosen anderen "Wall-Street-Übermenschen" (deren Einkommen beim 333-fachen des durchschnittlichen Arbeiterlohns liegen) nun überhaupt kein Beispiel für Menschen, die einem höheren Zweck dienen als ihren Einkommen oder Positionen. Antihelden wie sie sind aber ein Erklärungsansatz für das folgende Diagramm und auch für den neuen Feudalismus, der an den Platz des amerikanischen Kapitalismus getreten ist:

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