Krisenszenario nimmt zu - Verbalakrobatik auch!
13.03.2008 | Folker Hellmeyer
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Die massiven Liquiditätsmaßnahmen der internationalen Zentralbankgemeinde hatten nur eine kurzfristige stabilisierende Auswirkung auf das globale Finanzsystem. Nach Champagnerlaune bedingt durch die Interventionen setzte sich Nüchternheit hinsichtlich vielfältiger ungelöster Problemstellungen durch. In der Folge kam es zu Gewinnmitnahmen an den Aktienmärkten. In Asien dominierte ein Aktienkonzert in tiefem Moll, das den JPY-Carry-Trade unerwartet nachhaltig belastete. Die globale Finanzkrise ist weiter im Wachstum begriffen.
Herr Lipsky vom IWF erkennt, dass aktuell geldpolitische Maßnahmen weniger effektiv seien und fordert die Fiskalpolitik, interventionistisch mitzumischen. Nachdem in den letzten Jahren die Gewinne insbesondere in der Finanzbranche auf Investmentbankebene dank exzessiver geschäftspolitischer Gangart losgelöst der Berücksichtigung der volkswirtschaftlichen Funktionen der Banken als Finanzintermediäre (Thema Verantwortung) privatisiert wurden, darf nun das angehäufte Verlustpotential sozialisiert werden. Na, wir sind schon so "Freie Markt Akrobaten" …
Im Zuge der zunehmenden globalen Finanzkrise wird aktuell das Konzert der Verbalakrobatik lauter. Herr Trichet spricht über exzessive Bewegungen am Devisenmarkt. US-Präsident Bush erkennt Zusammenhänge zwischen schwachem USD und importierter Inflation und wünscht sich einen festen USD. Wir nehmen die Wünsche von Herrn Bush zur Kenntnis.
Inflation ist dank hoher Energiepreise in aller Munde. An den Finanzmärkten sehen wir derzeit eine massive Deflation. Die Inflationierung der Finanzmärkte stellte in den vergangenen fünf Jahren eine wesentliche Alimentierung des Wachstums und damit auch des aktuellen Inflationsdrucks dar. Das hier jetzt vorherrschende negative Vorzeichen als Folge der globalen Finanzkrise wird sich realwirtschaftlich auswirken. Diese Auswirkung wird auch an der Preisfront nachhaltige Konsequenzen mit sich bringen. So wie die Virulenz der Krise in den letzten Monaten latent unterschätzt wurde, mag auch die Nachhaltigkeit der Inflationsentwicklung aktuell überschätzt werden. "Food for thought!"
Die Industrieproduktion der Eurozone setzte gestern mit einem Anstieg per Januar um 0,9% positive Akzente. Die Prognose war bei 0,3% angesiedelt. Darüber hinaus wurde der Vormonatswert von -0,2% auf 0,0% revidiert. Im Jahresvergleich stellte sich der Anstieg damit auf 3,8% nach zuvor 1,7%. Mithin liefern die Daten aus der Eurozone aktuell weiter Töne in Dur.
Das Defizit im "Federal Budget" (Teilmenge des gesamten öffentlichen Defizits) stellte sich per Februar auf -175,6 Mrd. USD (Vorjahr 119,9 Mrd. USD). Analysten hatten einen Fehlbetrag von "nur" 160 Mrd. USD unterstellt. Ergo liefern die USA unverändert überwiegend Töne in Moll.
Heute stehen Daten aus den USA zur Veröffentlichung an. Von hervorgehobener Bedeutung sind die Einzelhandelsumsätze per Februar. Analysten unterstellen eine Zunahme um 0,2% im Monatsvergleich. Wir werden uns morgen an dieser Stelle dezidiert mit den US-Daten beschäftigen und verweisen auf die unten angeführte Datenbox.
Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro favorisiert. Ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.5270 - 00 neutralisiert den positiven Bias des Euros.
Viel Erfolg!
© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank
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