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Ist die Krise an den Finanzmärkten vorbei?

13.05.2008  |  Dr. Dietmar Siebholz
- Seite 3 -
2. Ist das Gesamtrisiko schon bekannt?

Antwort 1: Die Veröffentlichungen von im Risiko befindlichen Beträgen erscheinen derzeit nur aus den Kernstaaten USA und Großbritannien. Länder wie Spanien, Australien und Südeuropa sind derzeit noch Niemandsland, haben jedoch auch große Risikopotentiale. Aktuell wird ausschließlich der Bereich Immobilienkredite in der Öffentlichkeit ausführlich diskutiert.

Antwort 2: Selbst für die schon bekannten Immobilien-Risiken erfolgen Veröffentlichungen über die Abschreibungspotentiale nur bei nicht mehr vermeidbaren Vorgaben/Terminen (Bilanzen, größere Forderungsausfälle, Verkauf von Forderungspaketen etc.)

Antwort 3: Jede weitere Verschlechterung der Immobilienmärkte (USA: Starke Steigerung bei den Zwangsversteigerungsfällen und Gefahr einer rezessiven Entwicklung erhöht das Risikovolumen - Allgemein: Neue Risikoländer wie Spanien und Australien u.a. kommen hinzu)

Antwort 4: Neue Risiken aus anderen Krediten wie Autofinanzierungen, Studienkostenfinanzierungen, allgemeinen Leasing-Verträgen, Leveraged-Buy-Out-Kredite, Firmenfinanzierungen und Kreditkartenüberziehungen erhöhen das Ausfallrisiko erheblich. Man schätzt folgende Kreditvolumen:
- Autofinanzierungen ... 400 Mrd. US$
- Studienfinanzierungen ... 120 Mrd. US$
- allg. private Leasing-Finanzierung ... 180 Mrd. US$
- Kreditkarten-Überziehungen ... 820 Mrd. US$
- LBO ... 200 Mrd. US$
- Commercial Credits ... unbekannt

Antwort 5: Jede Rezession, sei es in den USA oder in anderen Staaten erhöht das Risiko- und Abschreibungspotential, das ja nicht nur seit Matthäus-Meier´s Zeiten schon immer schön gesprochen (sprich: herunter gerechnet) wird. Glauben Sie nur diesen Zahlen nicht. Es wird nur das zugegeben, was überhaupt nicht mehr vermeidbar ist.

Antwort 6: Ein ungeheuer großes Potential "schlummert" in den CDS (Credit Default Swaps); mit diesen Derivaten wurden an sich riskante Kredite in Sammeleinheiten zusammengefasst und durch Sonderderivate (= CDS) quasi gegen Ausfall zu einer Zeit "versichert", in der das Risiko als eher gegen Null tendierend eingeschätzt wurde. Bei Prämien, die für diese "Versicherungen" im Promillebereich pro Jahr lagen, derzeit sich aber in hohen Prozent-Ausfällen niederschlagen, können Ausfälle, über die man ja täglich lesen muss, zum Untergang der "Versicherungen" (in der Regel sind das wieder die großen Player an den Finanzmärkten) führen. Bislang wurde vermieden, diese "Versicherungen" abzurufen, weil den Akteuren an den Märkten die Konsequenzen ("Dominostein-Theorie") bekannt sind.

Antwort 7: Es dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass sich die wirtschaftlichen und damit später auch die politischen Gewichte weg von den alten Industriestaaten westlicher Prägung hin zu den asiatischen Ländern verschieben; diese haben zwar auch einige von den Schrottwerten der USA erworben, sind aber nicht überschuldet und verfügen über ausreichend Kapital aus ihren Exporten in die alten Industrieländer und können - sofern sie sich sicher fühlen, die Schuldscheine dieser Länder (also Bargeld und Anleihen) jederzeit präsentieren, falls sie dies für richtig halten. (siehe dazu mein Essay "Meine Meinung zu..." aus dem September 2004 unter dem Titel "Die Strategie Chinas oder "Fasten your seal belts, ladies and gentlemen in the United States and elsewhere"

Zusammenfassung: Über das tatsächlich schon bekannte Risiko wird nicht berichtet (IKB, LBBW, Sachsen-LB, Bayern-LB, Northern Rock, Fannie Mae, Freddie Mac), über das neue Risikopotential aus neuen Kreditbereichen und aus neuen Ländern gibt es keine Erkenntnisse und über das drohende Risiko, das sich aus den Rezessionsfolgen in den USA und in anderen Ländern ergibt, kann man sich derzeit keine Vorstellungen machen.

Was bei einem Abruf von Sicherungsleistungen aus den CDS geschieht, kann man derzeit nicht einschätzen. Aber: Das Risikovolumen ist dermaßen hoch, dass man sich über die Bonität der Haftenden kaum Gedanken machen sollte, im Falle eines Falles reicht es sowieso nicht aus und es gilt zu entscheiden, ob die CDS wertlos sind oder die Garantierenden zu Asche verfallen.

Das Schlimmste kommt nun zu letzt: Alle diese Kontrakte und Scheinkontrakte wurden in einer Periode generiert, die wegen der Greespan´schen Geldschöpfungsmaschine völlig risikounempfindilch war: Es gab ja bei Fehlern und Pannen genug Geld. das man schaffen konnte und nicht vorher verdienen musste. Der Chart meines US-Informanten "Contrary Investor" sagt alles aus: Die letzten vier Jahre, in denen sich das Volumen der Derivate vervielfacht hat, zeigen geringste Ausfallraten. Ich kann mir vorstellen, dass die Zahlen des Jahres 2007 und der Folgejahre wieder einen erheblichen Anstieg der Ausfallraten zeigen werden und damit ein Ausfall-Multiplikations-Potential unvorstellbarer Größe.

Das Gleiche belegt eine Studie des Schweizer Bankhauses Wegelin & Co: Die Risikoprämien waren einfach zu gering kalkuliert. Jetzt kommt die Abrechnung für diese Nachlässigkeit.

Konsequenz: Die Krise an den Finanzmärkten ist noch lange nicht vorbei.

Emotionen: Der Auslöser einer weitaus größeren Krise wird das fehlende Vertrauen der Banken untereinander und daraus resultierende Panikpotential werden. Ansätze sind schon zu entdecken. Das Tollste dabei ist, dass die Deutsche Bank erst einmal Derivate an die IKB verkauft und später - als die Titel nicht mehr handelbar waren - die BAFIN auf die Risiken bei der IKB hinweist. Wer B (wie "Breuer") sagt, muss auch A (wie "Ackermann") sagen?

Die vielseitigen Erklärungen der Banken ("Wir werfen Ballast ab") etc. sind nur Schall und Rauch und sollen uns vom Hauptproblem nämlich dem realen Risikovolumen ablenken. Und was wird passieren, wenn die USA ihr TOP-Rating verlieren, wie es Standard & Poors kürzlich andeutete?

Was wird passieren, wenn große Kapitalanlage-Fonds wie z.B. der koreanische Staatsfonds nicht mehr in US-Titeln investiert? Fragen über Fragen, die wieder neue Facetten für zusätzlich aufkommende Probleme erkennen lassen.




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