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Die Bedeutung der Immobilienblase wird noch immer dramatisch unterschätzt

21.05.2008  |  Claus Vogt
- Seite 5 -
Eine Anmerkung zum US-Wirtschaftswachstum, oder: Hurra, die Wirtschaft wächst

Der ersten offiziellen Schätzung zufolge betrug das reale US-Wirtschaftswachstum (Bruttoinlandsprodukt, BIP) im ersten Quartal 2008 0,6%. Das ist zwar eine sehr bescheidene Zahl, aber sie zeugt noch immer von Wachstum. Prompt wurde sie von den Daueroptimisten mit großer Freude aufgenommen und als Beweis dafür herangezogen, dass die Auswirkungen der Immobilienkrise auf die Gesamtwirtschaft wesentlich harmloser ausfallen werden als von den Realisten befürchtet. Grund genug, uns diese Wachstumszahl etwas genauer anzuschauen.

Zunächst halte ich den Hinweis für wichtig, dass der Lageraufbau mit 0,8 Prozentpunkten zum BIP beigetragen hat. Ohne Lageraufbau wäre das BIP-Wachstum also leicht negativ ausgefallen. Das Produzieren auf Halde muss natürlich kein Hinweis auf eine gesunde Wirtschaft sein. Vielmehr ist es durchaus möglich, dass die Unternehmen den erhofften Absatz nicht erzielen konnten und der Lageraufbau nicht ganz freiwillig erfolgte.

Viel wichtiger ist aber der Einfluss der Inflationsberechnung bei der Schätzung des realen BIP. Das nominale US-Wirtschaftswachstum betrug im ersten Quartal nur 3,2%. Davon wurde eine Inflationsrate von 2,6% abgezogen. Puh, da hatten wir ja wirklich Glück, dass zur Berechnung des BIP nicht der Consumer Price Index herangezogen wird, der im 1. Quartal eine Inflation von 4,1% auswies. (Beide Inflationsraten werden übrigens vom Department of Commerce berechnet.) Sonst wäre die Wirtschaft trotz Lageraufbau um immerhin 0,9% geschrumpft.

Dem folgenden Chart können Sie entnehmen, dass die Differenz der beiden Inflationsberechnungen just zur rechten Zeit besonders groß ausgefallen ist.

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Differenz des Konsumentenpreisindex’ und des Preisdeflators, 1950 bis 2008
Letzterer wird zur Berechung des realen Wirtschaftswachstums verwendet und fiel just zur rechten Zeit deutlich niedriger aus als ersterer.
Quelle: www.financialsense.com


Stellen Sie sich darauf ein, dass diese BIP-Zahl revidiert werden wird - aber dann wird sich kaum noch jemand dafür interessieren. Dieses Spielchen wurde im vergangenen Zyklus bereits "erfolgreich" gespielt. Dass jene Rezession bereits im 3. Quartal 2000 begann, erfuhren wir erst einige Jahre später.

Die Unternehmensgewinne lassen sich dadurch natürlich nicht beeinflussen, und auch die Börse längerfristig nicht. Das war im vergangenen Zyklus so und es wird in diesem Zyklus wieder so sein.


Überraschten die US-Arbeitsmarktdaten wirklich?

Die zweite "Zahl des Monats" waren sicherlich die US-Arbeitsmarktdaten. Auch sie verdienen einen kurzen Kommentar. Auf die Bedeutung des sogenannten "Birth-Death-Models" bei der Schätzung der Arbeitsmarktdaten habe ich Sie schon mehrmals hingewiesen. Es handelt sich um eine statistische Methode, um den Teil des Arbeitsmarkts zu schätzen, von dem den Statistikern zunächst keine Daten vorliegen. In der Vergangenheit hat diese Schätzmethode im Bereich der ökonomischen Wendepunkte leider sehr schlechte Ergebnisse geliefert. Am Beginn eines Wirtschaftsaufschwungs wird die Zahl neu geschaffener Stellen systematisch unterschätzt, und am Beginn von Rezessionen überschätzt.

Dieser Effekt macht sich vermutlich auch jetzt wieder bemerkbar. Jedenfalls gehen die Statistiker in ihrem Modell davon aus, dass 267.000 neue Jobs geschaffen wurden, für die keine Daten vorliegen. Davon sollen 45.0000 in der Bauwirtschaft und 8.000 in der Finanzwirtschaft entstanden sein. Beide Sektoren befinden sich im Zentrum der aktuellen Krise und bauen Arbeitsplätze ab. In dem Teil der Bauwirtschaft, für den Daten vorliegen, gingen beispielsweise 61.000 Jobs verloren. Es darf vermutet werden, dass die Arbeitsmarktzahlen zu einem späteren Zeitpunkt deutliche Revisionen zum Schlechteren erfahren werden.

Außerdem beinhaltete dieser angeblich so bullishe Arbeitsmarktbericht noch einen anderen Hinweis, den ich für sehr bedenklich halte. Die Zahl der unfreiwillig nur noch Teilzeit Arbeitenden ist regelrecht nach oben geschossen. Hier wurde eine der schlechtesten Zahlen der vergangenen 50 Jahre gemeldet. Das ist mit Sicherheit kein Zeichen eines sich positiv entwickelnden Arbeitsmarktes.


Die Medien und mit ihnen die breite Öffentlichkeit haben das Inflationsthema wieder entdeckt

Ganz plötzlich und scheinbar unerwartet ist das Thema Inflation zurück. Selbst die mit vielen statistischen Tricks geschönten offiziell ausgewiesenen Inflationsraten zeigen weltweit ein Ausmaß von Geldentwertung, das allenthalben als problematisch und zu hoch angesehen wird. Auch in Europa. Hier wurde kürzlich eine offizielle Inflationsrate von 3,5% veröffentlicht, die natürlich zu Recht kritisiert wird. Außerdem werden auch hierzulande die Stimmen lauter, die gewisse Zweifel an der Richtigkeit bzw. Relevanz der ausgewiesenen Geldentwertung äußern. Endlich, kann ich da eigentlich nur sagen, denn ich räumte diesem wichtigen Thema ja bereits im "Greenspan Dossier" den ihm angemessenen Platz ein.

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EU-Geldmengenwachstum (M2), 1980 bis 2008
Nicht nur der berühmte Ökonom Milton Friedman wusste, dass Inflation immer und überall ein monetäres Phänomen ist.
Diese Erkenntnis ist sehr viel älter als Friedman’s Publikationen zu diesem wichtigen Thema. Quelle: Bloomberg





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