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Die Bedeutung der Immobilienblase wird noch immer dramatisch unterschätzt

21.05.2008  |  Claus Vogt
- Seite 7 -
Geld- und Fiskalpolitik sind die relevanten Frühindikatoren

Mittelfristig werden die Weichen allerdings schon wieder auf höhere Inflationsraten gestellt. Die Zinssenkungen der Fed und das erstaunlich hohe Geld- und Kreditmengenwachstum Europas und anderer Regionen sorgen nämlich dafür.

Außerdem können Sie sicher sein, dass auch diese Rezession - wie alle ihre Vorgängerinnen - zu einem Rückgang der Steuereinnahmen führen wird. Gleichzeitig erhöhen sich gewissermaßen automatisch die Staatsausgaben aufgrund der zusätzlichen Belastungen der Sozialsysteme bei steigender Arbeitslosigkeit. Später werden dann wohl auch in diesem Zyklus wieder zusätzliche Belastungen des Staatshaushalts hinzukommen, weil die Regierungen mit Konjunkturprogrammen auf die Rezession reagieren werden. Eine wahrscheinlich wieder sehr deutliche Zunahme der Staatsverschuldung wird die Folge sein. Damit sehe ich schon jetzt wieder die beiden notwendigen Bedingungen zukünftiger Geldentwertung für erfüllt an, nämlich eine laxe Geldpolitik und eine zunehmende Staatsverschuldung.

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Offizielle EU-Inflationsrate (Konsumentenpreisindex), 1960 bis 2008
Wenn das ein Aktienchart wäre, spräche man von einer ausgeprägten Bodenbildung und einem anschließenden Ausbruch nach oben,
der einen Aufwärtstrend einleitet. Quelle: Bloomberg


Inflationen sind gesellschaftlicher Sprengstoff

Sie kennen mich als unerbittlichen Kritiker inflationärer Politik. Hinter dieser Haltung steht das Wissen um die zerstörerische Kraft der Geldentwertung. Inflationen sind gesellschaftlicher Sprengstoff. Sie sorgen für eine über die Maßen ungerechte Umverteilung des Wohlstands. Gerade die ärmeren Gesellschaftsschichten werden dabei besonders hart getroffen. Und in Gesellschaften, die von Hyperinflationen betroffen sind, verarmt sogar der gesamte Mittelstand - wenn er nicht durch den Kauf von Gold Vorsorge getroffen hat.

Einen gewissen Vorgeschmack auf das Zerstörungspotenzial der Geldentwertung geben Ihnen die gerade für Schlagzeilen sorgenden Meldungen aus einigen Entwicklungsländern.

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Weizenpreis in US-Dollar, 1988 bis 2008
Vergessen Sie bitte nicht, dass Inflation immer ein monetäres Phänomen ist. Quelle: Bloomberg


Steigende Lebensmittelpreise sorgen in Entwicklungsländern für Aufruhr

Die Preise von Reis und Weizen sind in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Die genauen Ursachen sind zwar vielschichtig, die weltweit inflationäre Politik der vergangenen Jahre spielt aber selbstverständlich die wichtigste Rolle in diesem Drama.

Besonders hart treffen Preissteigerungen von Grundnahrungsmitteln natürlich die Ärmsten der Armen, die den größten Anteil ihrer sehr bescheidenen Einkünfte für Grundnahrungsmittel ausgeben müssen. Zu Recht fühlen sie sich verraten und verkauft und machen ihrem sehr gerechtfertigten Umnut früher oder später Luft. So kam es bereits zu Unruhen in Ägypten, Haiti und den Philippinen.

Indien, Vietnam, Kambodscha und China, allesamt wichtige Reisexportländer, haben auf die Preissteigerungen bereits mit Exporteinschränkungen reagiert, um der billigen Versorgung der eigenen Bevölkerung den Vorzug zu geben. Insgesamt verschärft sich die angespannte Preissituation auf dem Weltmarkt dadurch natürlich noch, und das Problem der von Importen abhängigen Länder wird größer. Was lernen wir daraus?

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Reispreis in US-Dollar, 1988 bis 2008
Vergessen Sie bitte nicht, dass Inflation immer ein monetäres Phänomen ist. Auch wenn jetzt andere Sündenböcke präsentiert werden.
Quelle: Bloomberg


Die falsche Geldpolitik kann dramatische "Nebenwirkungen" haben

Diese traurige und gefährliche Entwicklung gefährdet den fast schon zur Gewohnheit gewordenen Aufschwung der Entwicklungsländer. Der Westen erlebte eine durchaus vergleichbare Episode in den 70er Jahren, in deren Mittelpunkt bekanntlich nicht die Lebensmittelpreise standen, sondern der Ölpreis. Damals kam es zu einer lang anhaltenden Stagflation.

In den Entwicklungsländern steht leider noch wesentlich mehr auf dem Spiel als damals im Westen. Diese Länder haben ohnehin bereits das dramatische Aufgehen der Schere zwischen Arm und Reich zu verkraften. Eine Stagflation würde den sozialen Frieden vermutlich nachhaltig zerstören - mit kaum absehbaren Folgen.


Das Gesamtmodell

Die fundamentale Bewertung der Aktienmärkte ist weltweit noch immer sehr hoch. Wie Sie der nebenstehenden Grafik entnehmen können, beträgt das KGV für den S&P500 Index 21 und die Dividendenrendite lediglich 2,03%. Diese Zahlen sprechen eine klare Sprache und zwingen mich leider zu der Prognose, dass Aktienkäufe auf dem aktuellen Niveau nur ein sehr unterdurchschnittliches langfristiges (7 bis 15 Jahre) Ergebnis erzielen werden.

Wie schon so oft an dieser Stelle gesagt, muss man aufgrund der veränderten Rechnungslegungspraxis in Europa den Cashflow als fundamentale Kennzahl heranziehen. Das Kurs-Cashflow-Verhältnis der europäischen Aktienmärkte befindet sich derzeit rund 50% über seinem langfristigen Durchschnitt. Von günstig bewerteten Aktienmärkten kann also leider nicht die Rede sein.

Die monetären Rahmenbedingungen haben sich nach den geldpolitischen "Ankurbelungsmaßnahmen" der vergangenen Monate wieder normalisiert. Das heißt, die US-Zinsstrukturkurve ist nicht mehr invers, sondern verläuft wieder relativ steil. Und das Geldmengenwachstum hat weltweit wieder bzw. weiterhin beängstigende Ausmaße angenommen. Beispielsweise wächst in Europa M-3 im Jahresvergleich um stattliche 11,1%. Und in den USA zeigt sich jetzt folgendes Bild: M-2 wurde im Jahresbergleich um 6,6% ausgeweitet, und die annualisierte Wachstumsrate der vergangenen drei Monate beträgt 10,8%. Bei MZM belaufen sich die entsprechenden Zuwächse auf 16,3% bzw. 31,3%. (Das ist kein Druckfehler.) Lediglich M-1 zeigt mit minus 0,1% bzw. plus 1,1% noch keine echte Belebung.

Bekanntlich können die Gäule zwar zur Tränke geführt werden, müssen aber selber saufen. Die Anspannungen an den Kreditmärkten sind - zu Recht - noch nicht vorüber. Die Banken haben ihre absurd laxen Kreditvergabestandards der vergangenen Jahre aufgegeben, und am Hypothekenmarkt gibt es wohl kein Zurück zu den spekulativen Exzessen. Es wird also überaus interessant sein zu beobachten, welchen Weg die Geldschöpfung letztlich nehmen wird.

Die Sentimentindikatoren haben sich von ihren Mitte März erreichten recht pessimistischen Werten im Lauf der Aktienrallye der vergangenen acht Wochen deutlich erholt. Teilweise erreichten sie die Werte des Oktober-Hochs schon wieder. Das gilt auch für Deutschland. Diese extrem schnelle Rückkehr des Börsenoptimismus’ ist angesichts der sich entfaltenden Krise und der sich abzeichnenden Rezession nicht nur erstaunlich. Er ist vielmehr die Voraussetzung dafür, dass der nächste große Baisseschub beginnen kann.


Fazit

Die vermutlich größte Immobilienblase aller Zeiten ist geplatzt. Die Baisse hat begonnen - sowohl an den Aktien- also auch an den Immobilienmärkten. Die realwirtschaftlichen Folgen der geplatzten Blase werden noch immer deutlich unterschätzt, während der fast schon kindlich naive Glaube an die Fähigkeiten der zentralen Wirtschaftslenker der Notenbanken weiterhin Bestand hat. Aufgrund dieser Konstellation halte ich das Potenzial für eine unter Umständen sehr unangenehme Überraschung für überaus groß.


© Claus Vogt
Leiter Research der Berliner Effektenbank



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