Die Bedeutung der Immobilienblase wird noch immer dramatisch unterschätzt
21.05.2008 | Claus Vogt
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Inflation um jeden PreisAußerdem lautet der aus heutiger Sicht fast prophetisch anmutende Untertitel dieses gemeinsam mit Roland Leuschel im Jahr 2003 geschriebenen und im Frühjahr 2004 erschienenen Buchs über Geldpolitik, Spekulationsblasen, Inflation und Währungssysteme: "Inflation um jeden Preis".
Vielleicht erinnern Sie sich noch an die damals in epischer Breite geführte öffentliche Diskussion, in deren Mittelpunkt nicht etwa die drohende Inflation stand, sondern deren exaktes Gegenteil, die Deflation. Entweder haben die Notenbanker damals - unten ihnen übrigens federführend der heutige Fed-Präsident Ben Bernanke - die Situation vollkommen falsch eingeschätzt. Oder sie haben das Volk bewusst mit Nebelbomben von den eigentlichen Bedrohungen abgelenkt. Ich kann mich kaum entscheiden, welche dieser beiden Erklärungen mir lieber wäre.
Erstaunlicherweise standen wir damals mit unserer Inflationswarnung fast alleine da. Eigentlich war die inflationäre Weichenstellung unter Führung der US-Notenbank doch kaum zu übersehen. Dennoch wirkte die immer wieder zu beobachtende psychologische Verblendung der Massen auch in diesem Fall wieder Wunder. Und selbst heute noch werden die deutlich gestiegenen Inflationsraten als große Überraschung empfunden. Und das nicht nur von Laien. Ende März 2008 veröffentlichte Merrill Lynch eine Studie zum Thema Inflation mit dem Aufmacher: "Inflation ist die makroökonomische Überraschung des Jahres 2008".
EU-Geldmengenwachstum (M3), jährliche Veränderung in Prozent, 1981 bis 2008
Das seit 1971 bestehende Weltwährungssystem weltweit ungedeckter Währungen sorgt für die Globalisierung der Inflation.
Quelle: Bloomberg
Falsche Geld- und Fiskalpolitik sind die Ursachen aller Inflationen
Sowohl damals, als die geld- und fiskalpolitischen Weichenstellungen für die heutige Inflation stattfanden, als auch in der jetzt stattfindenden Diskussion werden die ursächlichen Zusammenhänge wieder einmal völlig außer Acht gelassen.
Anstatt die falsche Geldpolitik als Ursache der Geldentwertung beim Namen zu nennen, wird mit dem überaus wichtigen Thema Inflation wieder einmal fahrlässig, um nicht zu sagen böswillig umgegangen. Genau gesagt, wird das Volk erneut massiv verdummt. Die Politiker und ihre Sprachrohre bei den Massenmedien machen nämlich steigende Ölpreise oder steigende Lebensmittelpreise für die Geldentwertung verantwortlich. Und wer das tut, hat von den wahren Zusammenhängen entweder keinen blassen Schimmer oder er verbreitet ganz bewusst Propagandalügen.
US-Geldmengenwachstum (M2), 1959 bis 2008
Die Quelle aller Inflationen ist Geld- und Kreditmengenwachstum, Quelle: Bloomberg
Inflation ist Geld- und Kreditmengenwachstum
Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen. Bis vor einigen Jahrzehnten wurde der Begriff "Inflation" konsequenterweise auch nicht als die Preissteigerungen eines wie auch immer zusammengestellten Warenkorbs definiert, sondern schlicht als Geld- und Kreditmengenwachstum. Welche Preise dann als Folge der Ursache Geld- und Kreditmengenwachstum zu steigen beginnen, spielt bei dieser Begriffsbestimmung natürlich keine Rolle. Und vor allem wird sofort klar, dass Preissteigerungen immer nur die Folge einer Geld- und Kreditmengenausweitung sind, mit andern Worten die Folgen einer ganz bewusst eingeschlagenen Politik.
Die offiziellen Inflationsraten sind ein nachlaufender Indikator
Die Preisentwicklung von Warenkörben hat keine prognostische Kraft, sondern ist ein sogenannter nachlaufender Indikator. Das heißt, dass die auf diese Weise gemessene Inflation auch dann noch steigt, wenn der Wirtschaftszyklus bereits nach unten gedreht hat und schon bald dafür sorgen wird, dass die Preissteigerung wieder abnimmt.
Rezessionen sind Zeiten nachlassender Wirtschaftsaktivitäten. Die Nachfrage lässt nach, worauf das Angebot zunächst nicht reagieren kann. Folglich kommen die Preise unter Druck. Ich sehe keinen Grund, warum dieser grundsätzliche Zusammenhang im laufenden Zyklus außer Kraft gesetzt sein sollte. Denn auch in den von hohen Inflationsraten geprägten 70er Jahren wurde er nicht außer Kraft gesetzt.
Folglich erwarte ich aufgrund der begonnenen US-Rezession, die sich vermutlich auf andere Teile der Welt ausdehnen wird, im zweiten Halbjahr dieses Jahres eine deutliche Entspannung an der Inflationsfront. Die Popularität des Inflationsthemas erlebt wahrscheinlich jetzt gerade seinen zyklischen Höhepunkt und wird die Öffentlichkeit dann erst im kommenden Zyklus wieder ernsthaft beschäftigen.
Offizielle US-Inflationsrate (Konsumentenpreisindex), 1960 bis 2008
Nach dem langen Abwärtstrend der vergangenen 25 Jahre wäre eine langfristige Trendwende nicht wirklich eine Überraschung. Quelle: Bloomberg