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EZB deutet überraschend Zinserhöhung an - Euro legt massiv zu!

06.06.2008  |  Folker Hellmeyer
Der Euro markierte im frühen europäischen Geschäft Tageshöchstkurse bei 1.5615, nachdem gestern im europäischen Geschäft vor Herrn Trichets Einlassungen Tiefstkurse bei 1.5366 markiert wurden. Der USD notiert aktuell gegenüber dem JPY bei 106.10. „Carry-Trades“ sind dank Herrn Trichets Einlassungen belebt und beliebt. EUR-JPY stellt sich auf 165.50 (Tief gestern 162.44) und EUR-CHF oszilliert bei 1.6210 (Tief gestern 1.6098).

Bevor die EZB-Pressekonferenz thematisiert wird, werden wir kurz einen Blick auf die gestrigen Daten, die schlussendlich keinen dauerhaften Einfluss auf den Finanzmarkt hatten. Die US-Arbeitslosenerstanträge per 31. Mai 2008 sanken von 375.000 (revidiert von 372.000) auf 357.000. Erwartet war ein Anstieg auf 375.000. Die Veränderung ist erfreulich. Sie ist jedoch nicht geeignet, als Beleg einer dauerhaften Entspannung interpretiert zu werden. Von wesentlicherer Bedeutung waren die deutschen Industrieaufträge per April. Hier ergab sich nicht erwartungsgemäß ein Anstieg im Monatsvergleich um 0,5%, sondern die Aufträge brachen um 1,8% ein. Damit stellte sich der fünfte Rückgang in Folge ein.

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Gestern überraschte das EZB-Direktorium und namentlich Herr Trichet die Märkte mit dem Ausspruch, dass sich der EZB-Rat in einem Status erhöhter Alarmbereitschaft hinsichtlich möglicher Zinserhöhungen befinde. Bezüglich des nominalen Preisauftriebs erscheint der Ansatz nachvollziehbar. Trichet konstatierte:
  • Risiken für die Preisstabilität haben sich mittelfristig erhöht.
  • Die Inflation sei wegen gestiegener Energie- und Lebensmittelpreise erhöht.
  • Die Inflation dürfe für eine längere Zeit als bisher angenommen hoch bleiben.
  • Die EZB handelt in höchster Alarmbereitschaft, entschlossen und zeitnah.
  • Starke Entschiedenheit , um die Verankerung der Inflationsgefahren sicherzustellen.
  • Nicht angemessen, sich von hoher Volatilität der Wachstumsraten leiten zu lassen.
  • Abwärtsrisiken für Wachstumm halten an.
  • Inflation wird 2009 langsam moderater werden.
  • Annahme, dass es keine breiten Zweitrundeneffekte gibt.
  • Inflationserwartungen sind derzeit verankert.
  • Einige Teilnehmer hatten Zinserhöhungen vorgeschlagen.
  • Es gab unterschiedliche Meinungen und eingehende Diskussionen und schlussendlich eine Konsensentscheidung.
  • Keine Zinserhöhung in der aktuellen Sitzung, da man Notwendigkeit sah, erst den Status erhöhter Alarmbereitschaft erreichen zu müssen.
  • Es sei die Pflicht der EZB, die Einschätzung des EZB-Rats zum nächsten Treffen mitzuteilen.

Mit den gestrigen Einlassungen ergab sich für die im Juli anstehende Sitzung ein erheblicher Lieferdruck für die EZB. Eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte ist im Markt ausgemachte Sache. Martialische Wortwahl mit Begriffen wie „Alarmbereitschaft“ hat Konsequenzen. Wenn die EZB nicht im Juli liefert, ergibt sich für die EZB ein nicht unerheblicher Reputationsverlust. Nüchtern betrachtet kommen mit der „Quasi-Ankündigung“ der EZB zu der Belastung der Kreditnehmer durch die krisenbedingten Aufschläge am Geldmarkt, aktuell im 3 Monatsbereich circa 0,90% (4,90% - 4,00%), die ohnehin wie Zinserhöhungen wirken, zusätzliche 0,25% durch die anstehende EZB-Zinserhöhung.

Mit anderen Worten ergibt sich für die Eurozone in der unverändert virulenten Finanzkrise gekoppelt mit der sich nachhaltig abschwächenden globalen Wirtschaft eine wesentliche Belastung der Wirtschaftssubjekte durch Risikoaufschlag an den Geldmärkten und anstehende Zinserhöhung der EZB um circa 1,15%. Das sind keine "Peanuts"!

Diesen stabilitätspolitischen Ansatz der EZB nehmen wir zur Kenntnis. Diese Form der Kenntnisnahme mag in Südeuropa noch nachhaltiger ausfallen als in Nordeuropa. Wenden wir uns kurz und knapp der Inflationssorgen der EZB zu. Nachfolgend sind die Gesamtraten (GR) und Kernraten (KR) der Verbraucherpreise der EZB aufgeführt.

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Im August 2007 ergab sich bei einer Gesamtrate von 1,7% ein Anstieg der Kernrate um 1,9%. Per April lag der Anstieg der Gesamtrate bei 3,3% und der der Kernrate bei nur 1,6%. Im Zeitverlauf überschritt die Kernrate nicht die 2% Marke. Mithin sind keine wesentlichen Zweitrundeneffekte erkennbar. Zinserhöhungen der EZB können nicht Energiepreise nach unten bewegen. Im Gegenteil verstärken Zinserhöhungen durch die Verteuerung der Finanzierungskosten den hohen Druck auf die historisch hoch verschuldeten Haushalte, Einkommenserhöhungen zu forcieren.

Mit der gestrigen Verbalakrobatik der EZB ergaben sich zunächst kurzfristig Reaktionsmuster an den Finanzmärkten, die beachtlich sind und nicht notwendig mit den öffentlich angestrebten Zielen der EZB im Einklang stehen. Das gilt insbesondere für die zunehmende ökonomische Diskrepanz zwischen Nord- und Südeuropa.

Werfen wir zunächst einen Blick auf den Energiemarkt. Seit Ende letzten Jahres hat die IEA viermal in Folge das globale Nachfragewachstum im Energiesektor nach unten revidiert mit der Folge, dass der Ölpreis von 90 USD auf 135 USD anzog. Ergo war nicht die Nachfrageentwicklung, sondern der USD-Verfall ein wesentlicher Katalysator der Ölpreisbewegung, ceteris paribus. Wenn die EZB also ein Interesse an niedrigerem Preisdruck hat, gilt es, den USD zu stärken, um damit die Überhitzung am Rohstoffmarkt zu entschärfen. Ben Bernanke hat diesen Zusammenhang jüngst konstatiert.

Gerade in dem Moment, als die Energiepreise deutlich fallen, führt der gestrige Verbaleinsatz der EZB dazu, dass im Rahmen der Korrelation der Energiepreise mit der Bewertung des USD, der Ölpreis (WTI) von gut 122 USD auf knapp 128 USD pro Fass um mehr als 4,5% anzieht, da die „Alarmbereitschaft der EZB“ den EUR von 1.5366 auf über 1.5600 katapultierte. Energiepreise sind nach Erkenntnis der EZB wesentlicher Inflationstreiber. Nun denn , dann ist die Inflation halt ein wenig angetrieben durch den jüngsten Einsatz der EZB. "Chapeau!"

Wenden wir uns der zunehmenden Diskrepanz der ökonomischen Entwicklung zwischen Nord- und Südeuropa zu. Die massive Befestigung des Euros preist wesentliche Teile Südeuropas aus dem Weltmarkt und führt in der Folge zu spürbaren Verwerfungen innerhalb der Eurozone. Mithin verschärft der gestern geäußerte Politikansatz der EZB die Situation einiger südeuropäischer Länder.

Die Neuausrichtung der EZB darf vor obigen Hintergründen durchaus als ambitioniert betrachtet werden. Das gilt umso mehr, als dass sich weitere markante globale Verluste an Wachstumsdynamik erkennen lassen (aktuell Auftragseingang D), die sich insbesondere an den Rohstoffmärkten entspannend auswirken sollten.Hinsichtlich der heute anstehenden Daten verweisen wir auf die Datenbox. Der "Nonfarm Payroll" Report steht im Mittelpunkt des Interesses.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD favorisiert. Erst ein markantes Überwinden der Widerstandszone bei 1.5720 - 50 neutralisiert den positiven Bias des USD.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank






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