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Analyse statt Propaganda und Sündenbocksuche

11.07.2008  |  Claus Vogt
- Seite 2 -
Interessantes zur europäischen Immobilienblase

Die Analysten von Elliott Wave International haben gerade eine interessante Studie über die europäischen Wohnimmobilienmärkte vorgelegt - ohne dabei allzu sehr auf die von mir mit großer Skepsis gesehene Elliott Wellen Theorie Bezug zu nehmen. Für Sie nicht überraschend, zeigen die Analysten, dass Großbritannien, Irland Spanien und Portugal ein ernsthaftes Spekulationsblasenproblem haben. Zusätzlich gehören aber auch die Niederlande zu dieser Gruppe.

Gerade für dieses Land enthält die Studie eine Grafik der langfristigen Immobilienpreisentwicklung. Sie zeigt den Amsterdam Herengracht Index der vergangenen 385 Jahre, eine spektakuläre Zeitreihe. Dankenswerterweise habe ich die Erlaubnis bekommen, diese wirklich sehenswerte und sehr lehrreiche Grafik hier reproduzieren zu dürfen.

Der besseren Lesbarkeit wegen haben wir aus dem Original zwei Charts gemacht. Der erste zeigt die nominalen Immobilienpreise, der zweite die realen, also um die Inflation bereinigten. Ein Bild - in diesem Falle zwei - sagt mehr als tausend Worte, heißt es. Deshalb werde ich mich an dieser Stelle kurz fassen, obwohl es mir angesichts dieser erstaunlichen Bilder nicht ganz leicht fällt.

Diese Grafiken verdeutlichen zwei extrem wichtige Punkte. Erstens sind auch die Immobilienmärkte keine Einbahnstraßen. In der Vergangenheit gab es sehr ausgeprägte und teilweise viele Jahre dauernde Immobilienbaissen. Es gibt keinen Grund zu glauben, dass das in Zukunft anders sein wird. Zweitens sind die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren extrem weit über das in der Vergangenheit übliche Maß hinaus gestiegen. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob es sich dabei um eine gewaltige Spekulationsblase handelt, oder ob ein neues Zeitalter der Immobilienbewertung begonnen haben mag. Meine Antwort kennen Sie.

Wesentlich wichtiger als die Ergänzung und historische Betrachtung des niederländischen Immobilienmarkts sind aber die Vergleiche der europäischen Märkte mit dem der USA. Anhand verschiedener Kennzahlen wird dieser Vergleich vorgenommen:

  • die jährliche Emission hypothekengesicherter Anleihen in Mrd. Euro
  • die jährliche Emission hypothekengesicherter Anleihen in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP)
  • die ausstehenden Hypothekenkredite pro Kopf der Bevölkerung
  • das Wachstum dieser Kennzahl während der vergangenen Jahre
  • die ausstehenden Hypothekenkredite in Prozent des BIP
  • die Anzahl der jährlich fertig gestellten Einfamilienhäuser im Verhältnis zur Bevölkerung

Dass der Immobilienirrsinn in Spanien das Geschehen in den USA weit in den Schatten stellte, war mir auch vorher schon bewusst. Dass diese Aussage aber auch für andere europäische Länder gilt, war mir bisher nicht geläufig. Aber die hier besprochene Studie scheint daran keinen Zweifel zu lassen.

Wenn diese anhand der genannten Kennzahlen gewonnene Erkenntnis stimmen sollte - und ich sehe keinen Grund, daran zu zweifeln - dann liefert sie natürlich ein sehr starkes zusätzliches Argument für meine These, dass die in den USA vermutlich bereits begonnene Rezession auf Europa übergreifen wird und dass die Gefahr eines weltweiten Abschwungs außerordentlich groß ist. Mit der gerade beschlossenen Zinserhöhung trägt die EZB das Ihre dazu bei, diese Prognose wahr werden zu lassen.

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Case-Shiller House Price Index, jährliche Veränderung in Prozent, 2000 bis 2008.
Quelle: Standard & Poor’s
Die US-Immobilienbaisse ist intakt. Die Folgen für die Banken und die Konsumenten werden
wohl immer noch drastisch unterschätzt.



Neues von der US-Immobilienbaisse

Werfen Sie jetzt einen Blick auf die aktuellen Entwicklungen am US-Immobilienmarkt. Ende Juni wurden die Zahlen des Case-Shiller House Price Index’ für den Monat April 2008 veröffentlicht. Auf Jahresbasis fielen die Preise um 15,3% versus 14,3% im März. Die Baisse ist intakt. Allerdings fällt der Vergleich auf Monatsbasis nicht mehr so verheerend aus wie noch im März. Das könnte ein erster Hinweis darauf sein, dass sich die erste, besonders dynamische Phase der Immobilienbaisse ihrem Ende nähert, und in den kommenden Monaten etwas geringere Preisrückgänge gemeldet werden als bisher. Ein baldiges Ende der Baisse wird damit aber nicht signalisiert. Lediglich eine eventuell langsamere Gangart. Und dieses "Eventuell2 gilt gleich in zweierlei Hinsicht.

Erstens macht ein Monat noch keinen Trend. Es könnte sich gewissermaßen nur um eine kleine Bearmarketrallye handeln.

Zweitens soll der Case-Shiller House Price Index aufgrund seiner Konstruktion nicht die Immobilienpreise erfassen, die im Rahmen von Zwangsversteigerungen erzielt werden. Und die liegen gewöhnlich deutlich unter den ansonsten aufgerufenen Preisen. Außerdem ist die Zahl der Zwangsversteigerungen bereits deutlich gestiegen, so dass der Index wohl ein etwas zu rosiges Bild der tatsächlichen Preisrückgänge zeichnet.

Im Mai fiel die Anzahl der neu erstellten Wohnimmobilien um 2,5% auf annualisiert 512.000 Einheiten. Im Durchschnitt dauerte es 8,5 Monate, bevor ein fertig gestelltes Eigenheim verkauft werden konnte, ein Rekord. Und das Inventar an zum Verkauf stehenden neu erstellten Einfamilienhäusern belief sich auf 10,1 Monate unter Zugrundelegung der Mai-Absatzzahlen. Auch das ist ein neuer Rekord. Diese Zahlen sind überaus bedenklich. Sie weisen in aller Deutlichkeit darauf hin, dass die Immobilienbaisse vermutlich noch einen sehr langen Weg vor sich hat. Alles anderslautende Gerede ist Wunschdenken oder lautes Pfeifen im Wald.

In der Mai-Juni-Ausgabe der "Performance" habe ich Ihnen noch einmal ausführlich die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Immobilienblase und ihres Platzens erläutert. Vor dem Hintergrund dieses Wissens signalisieren die oben besprochenen aktuellen Daten vom Immobilienmarkt eine Fortsetzung der wirtschaftlichen Abschwächung.

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Index der US-Frühindikatoren, 1960 bis 2008. Quelle: Bloomberg
Die rote Linie zeigt den Index, die blauen Balken das Wirtschaftswachstum. Die grün unterlegten
Streifen markieren Rezessionen.





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