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Analyse statt Propaganda und Sündenbocksuche

11.07.2008  |  Claus Vogt
- Seite 6 -
Wohin wird diese Hetze führen?

Da ich zu den wenigen Analysten gehöre, die bereits im Jahr 2001 den Beginn eines langfristigen Bullenmarktes für Gold und ein Jahr später auch für Rohstoffe vorhergesagt haben, fühle ich mich durch diese zumindest halboffizielle Hetze gegen meinen Berufsstand in gewisser Weise bedroht.

Stellen Sie sich vor, meine Analysen der wirtschaftlichen Folgen der geplatzten Immobilienblase treffen in vollem Umfang ein und die Welt erlebt tatsächlich eine schwere Rezession. Stellen Sie sich weiterhin vor, die von mir so massiv kritisierte Politik des leichten Geldes wird - wie zu befürchten ist - weitergeführt und noch beschleunigt. Dann finden wir uns leider in dem überaus unangenehmen Szenario einer schweren Stagflation wieder, also in einer von hoher Geldentwertung begleiteten Rezession.

In diesem Szenario steigt der Goldpreis dann auf heute kaum vorstellbare Höhen. Die Staatsverschuldung geht aufgrund der Steuerausfälle und der dann ausufernden Kosten der Sozialsysteme durch die Decke, und große Teile der Wählerschaft erleiden massive Wohlstandsverluste. Was, glauben Sie, werden die Politiker und ihre Chefberater dann wohl tun?

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US-Bankenindex, 2006 bis 2008. Quelle: Bloomberg
Hier sehen Sie eine typische Folge einer geplatzten Immobilienblase. Wo mag der Boden
dieser Baisse liegen?


FDIC warnt vor weiteren Bankenpleiten

Vor den gewaltigen Risiken, die von der jetzt geplatzten Immobilienblase gerade für den Bankensektor ausgehen, habe ich Sie in den vergangenen Monaten mehrfach gewarnt. In der März-April-Ausgabe der "Performance" berichtete ich von der Suche nach erfahrenen Mitarbeitern seitens der FDIC, der US-Einlagensicherungsbehörde. Damals lautete meine rhetorische Frage: "Worauf bereitet man sich damit beim FDIC wohl vor?" Kurz darauf sorgte der Niedergang von Bear Stearns für Schlagzeilen.

Ende Mai erschien der neuste Quartalsbericht der FDIC. Darin finden sich Hinweise auf eine anhaltend schwierige Phase des Bankensektors. Sheila Bair, die Vorsitzende der FDIC, warnte vor weiteren Bankenpleiten und fügte das aus meiner Sicht eigentlich Offensichtliche, aber bisher konsequent Verdrängte hinzu, nämlich dass "wir uns immer noch in der Frühphase der traditionellen Kreditkrise befinden, die typischerweise mit einem Wirtschaftsabschwung einhergeht."

Die Financial Times Deutschland zitierte Frau Bair mit folgender Aussage: "Natürlich gibt es die Möglichkeit, dass auch Institute pleitegehen, die größer sind als die, die bisher Konkurs anmelden mussten."

Ja, meine Damen und Herren, bei der FDIC scheint man die Welt ähnlich realistisch zu sehen wie ich das tue. Die sich entwickelnde Rezession steht noch ganz am Anfang und wird weitere Opfer fordern.


Dank Short-ETFs können Sie jetzt auch von fallenden Kursen profitieren

Als konservativer und gleichzeitig vorausschauender Anleger hatte man in Baissephasen früher nur die Möglichkeit, Aktien zu verkaufen, um wenigstens keine Verluste zu erleiden. Das war nicht unbedingt befriedigend. Mittlerweile sind aber auch in Deutschland Exchange Traded Funds (ETF) verfügbar, deren Kurse dann steigen, wenn der ihnen zugrundeliegende Index fällt. Es handelt sich also um ein durchaus konservatives Instrument, mit dem Sie bei fallenden Kursen Geld verdienen können.

Insofern relativieren sich die negativen Auswirkungen der Rezession und der sie begleitenden Aktienbaisse ganz erheblich. Die Welt ist voller Chancen. Man muss sie nur erkennen und zu nutzen wissen.

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S& P 500 und Volatilitätsindex, 2007 bis 2008. Quelle: Decision Point
Am Ende der laufenden mittelfristigen Abwärtswelle erwarte ich einen typischen Sell Off,
in dessen Verlauf der Volatilitätsindex über 35 Punkte steigt.


Das Gesamtmodell

Die fundamentale Bewertung der Aktienmärkte - allen voran der amerikanischen - ist weiterhin sehr hoch. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S & P 500 beträgt 22, die Dividendenrendite lediglich 2,2%. An der NASDAQ beläuft sich das KGV auf 37 und die Dividendenrendite auf winzige 0,86%. Aus fundamentaler Sicht hat die Börse noch sehr viel Platz nach unten.

Die monetären Rahmenbedingungen sind derzeit schwer zu bewerten. Wie oben beschrieben, ist die Zinsstrukturkurve aufgrund des Zinsanstiegs am langen Ende sehr steil geworden. Eine steile Zinsstrukturkurve ist prinzipiell positiv für die Aktienmärkte. Aber der Zinsanstieg der vergangenen Monate ist natürlich negativ. Und - ich wiederhole mich hier - die geldpolitischen Ankurbelungsversuche zeigen im Anschluss an eine geplatzte Spekulationsblase gewöhnlich nicht die von Notenbankern erhoffte Wirkung.

Auch die Geldmengenentwicklung ist nicht eindeutig. MZM wächst zwar mit 16,2% im Jahresvergleich, die annulisierte Dreimonatsveränderung ist aber bereits auf „nur noch“ 11,3% zurückgekommen. Bei M-2 lauten die beiden Größen plus 6,5% bzw.

plus 8,7%. Ganz aus dem Rahmen fällt weiterhin M-1 mit minus 0,5% bzw. minus 0,1%. Im Rest der Welt nehmen die Geldmengen weiterhin deutlich zu. Hier wird die Voraussetzung für die nächste große Inflationswelle geschaffen.

Die Sentimentindikatoren zeigen angesichts der Kursrückgänge der vergangenen Wochen zwar längst nicht mehr den Rekordoptimismus, über den ich im Herbst 2007 berichten konnte. Aber echte Angst oder gar Panik machen sich bisher in den Indikatoren nicht bemerkbar.

Mittelfristige Abwärtswellen wie die Mitte Mai begonnene enden normalerweise in einem Sell Off. Darunter verstehe ich zwei, drei Tage mit deutlich fallenden Kursen, sehr hohen Börsenumsätzen, einem Volatilitätsindex von über 35 (aktuell nur 23,6) und einem 10-Tagesdurchschnitt der Put-Call-Ratios von über 1,20 (aktuell 1,03).


Fazit

Die Aktienmärkte befinden sich in einer zyklischen Baisse, deren Ende noch nicht absehbar ist. In den USA hat vermutlich eine Rezession begonnen, die aufgrund der geplatzten Immobilienblase das Potenzial hat, sehr unangenehm zu werden. Außerdem mehren sich die Zeichen, dass auch der Rest der Welt einer wirtschaftlichen Schwächephase entgegensteuert. An den Aktienmärkten ist selbst eine harmlose Rezession noch immer nicht eingepreist. Folglich werden die Bullen wohl noch einige negative Überraschungen erleben.


© Claus Vogt
Leiter Research der Berliner Effektenbank



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