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Analyse statt Propaganda und Sündenbocksuche

11.07.2008  |  Claus Vogt
- Seite 3 -
Index der US-Frühindikatoren signalisiert weiterhin eine Rezession

Andere zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wichtige Indikatoren bestätigen diese Einschätzung. An erster Stelle muss ich hier den Index der US-Frühindikatoren nennen, dessen Bedeutung meinen regelmäßigen Lesern natürlich hinreichend bekannt ist. Mitte Juni wurde der Mai-Wert mit plus 0,1% auf Monatsbasis veröffentlicht. Wie Sie wissen, räume ich diesem fast perfekten, aber wenig beachteten Rezessionsindikator einen hohen Stellenwert in meiner Arbeit ein. Allerdings verwende ich für meine Zwecke der Rezessionsprognose nicht die monatlichen Veränderungen, sondern die jährlichen. Diese werden in den Pressemeldungen des Conference Board, das den Indikator berechnet, leider nicht erwähnt, was Ihnen die Beobachtung erschwert. Im Mai betrug die jährliche Veränderung erneut minus 1,8%. Damit zeigt der Index der Frühindikatoren also weiterhin eine Wirtschaft auf dem Weg in die oder bereits in einer Rezession.

Dabei zeichnet der Index aufgrund seiner Zinsdifferenz-Komponente zurzeit vermutlich ein viel zu positives Bild. Denn geldpolitische Ankurbelungsversuche - sichtbar unter anderem in einer Ausweitung der Zinsdifferenz zwischen 10-jährigen und dreimonatigen Staatsanleihen bzw. Federal Funds Rates - zeigen in Zeiten geplatzter Spekulationsblasen nicht die von den Notenbankern und Politikern erhofften Wirkungen. Zumindest hat die Finanzmarktgeschichte diesen Zusammenhang immer wieder gezeigt. Die notwendigen und mehr als überfälligen Bereinigungsprozesse der während der Blase entstandenen Ungleichgewichte, Fehlentwicklungen, Fehlinvestments und Fehlspekulationen lassen sich auch durch den noch so hemmungslosen Einsatz der Gelddruckmaschine nicht aufhalten.

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Kreditvergabe des US-Bankensektors, annualisierte 13-Wochen-Veränderung in %,
1973 bis 2008. Quelle: Federal Reserve System
Das Schmiermittel unserer zu einem übergroßen Teil auf Pump basierenden Wirtschaft,
die Kreditvergabe seitens der Banken, ist massiv ins Stocken geraten. Diese Entwicklung
ist ganz bestimmt kein Vorbote rosiger Zeiten. Die hellgrünen Streifen kennzeichnen Rezessionen.


Die US-Kreditvergabe ist so schwach wie nie zuvor

Diese für die wirtschaftliche Entwicklung der kommenden Quartale so wichtige Aussage wird durch die Statistik der US-Kreditvergabe durch den Bankensektor massiv gestützt. Die annualisierte Veränderung der gesamten Kreditvergabe durch die Banken während des am 18. Juni endenden 13-Wochenzeitraums beträgt minus 9,14%. Wie Sie der bis 1973 zurückreichenden Grafik entnehmen können, gab es einen derart deutlichen Rückgang der Kreditvergabe noch nie. Offensichtlich zeigen die Zinssenkungen der Notenbank nicht die erwünschte Wirkung. Jetzt lernen wohl auch die US-Notenbanker die durch eine geplatzte Immobilienblase gesteckten Grenzen geldpolitischer Manipulationen kennen.


Die FED hat im grossem Stil Staatsanleihen abgegebenN

Es gibt aber noch einen weiteren - auch unter anderen Gesichtspunkten interessanten - Aspekt, der die Zinsdifferenz und damit den Index der Frühindikatoren betrifft. Die US-Notenbank, die normalerweise als Käufer von Staatsanleihen auftritt, zählte in den vergangenen Monaten zu den Verkäufern. Seit Jahresanfang verringerte sie den Bestand der von ihr gehaltenen Staatspapiere um fast 350 Mrd. Dollar. Diese massiven Verkäufe dürften sicherlich einen gewissen Beitrag zu dem jüngsten Zinsanstieg geleistet haben.

Der Grund für diese Vorgehensweise der Fed sind natürlich die unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen, mit denen die Zentralbanker die Folgen der Hypothekenkreditkrise für das Bankenkartell zu mildern versucht. Während die Fed früher fast ausschließlich festverzinsliche Wertpapiere bester Bonität, also die ein entsprechendes Rating tragenden Staatsanleihen, als Sicherheiten für Zentralbankkredite entgegennahm, akzeptiert sie seit einigen Monaten auch diverse Asset Backed Securities, also verbriefte Wertpapiere, die aus einer Vielzahl von Einzelkrediten, vorzugsweise Hypothekenkrediten, bestehen. Um diese Anleihen in großem Stil annehmen zu können, ohne eine unerwünschte Inflationswelle anzustoßen, muss in der Bilanz der Notenbank gewissermaßen Platz dafür geschaffen werden durch die Abgabe bisheriger Bestände.


Die gute und die schlechte Seite des Zinsanstiegs

Der von der Fed wahrscheinlich begrüßte oder sogar beabsichtigte Effekt größer werdender Zinsdifferenzen kann als Subvention der gebeutelten Bankenbranche beschrieben werden, die sich ja kurzfristig zu niedrigen Zinsen bei der Fed refinanzieren und dieses Geld nahezu risikolos in höher verzinslichen Staatsanleihen anlegen kann. Wohl dem, der Zugang zu billigen Zentralbankkrediten hat. Einfacher kann man sich wohl kaum eine goldene Nase verdienen. Man muss nur die richtigen Freunde haben. Normalsterblichen ist dieser leichte Weg zum Reichtum selbstverständlich verschlossen.

Einen sicherlich nicht erwünschten Effekt hat der hier beschriebene Zinsanstieg aber auch. Andere Kreditzinsen, darunter die der Hypothekenkredite, sind selbstverständlich auch gestiegen - mit den bekannten negativen Folgen für die Eigentümer festverzinslicher Wertpapiere einerseits und für die Nachfrager nach neuen Krediten andererseits.

Es wird sehr interessant werden zu beobachten, wie sich die Zinsen und die Zinsstrukturkurve in den kommenden Monaten weiterentwickeln werden. Und wie die Notenbanker sich aus der selbst geschaffenen multiplen Zwickmühle steigender Inflationsraten und -erwartungen, einer rückläufigen Wirtschaft, einer geplatzten Spekulationsblase und einem maroden Bankensektor zu befreien versuchen werden.


"Was würden Sie als Notenbanker tun?"

Bei einer Podiumsdiskussion fragte mich kürzlich der Journalist Frank Meyer, was ich an Ben Bernankes Stelle denn jetzt tun würde. Meine Antwort lautete in etwa folgendermaßen:

"Das ist jetzt aber eine ziemlich gemeine Frage, Herr Meyer. Schließlich habe ich ja bereits die Politik Alan Greenspans, die uns die jetzige Misere erst beschert hat, massiv kritisiert. Jetzt steckt die Karre leider so tief im Dreck, dass eine einfache und halbwegs schmerzfreie Problemlösung wohl nicht mehr möglich ist. Genau das würde ich dem Volk in aller Offenheit sagen und hinzufügen, dass wir jetzt vor der sprichwörtlichen Wahl eines inflationären Schreckens ohne Ende oder eines Endes mit Schrecken stehen, also der Einführung eines seriösen Währungssystems."

Aus machtpolitischer Perspektive wird die zweite Alternative leider nicht in Frage kommen. Kein Staat scheint derzeit bereit zu sein, sein erzwungenes Geldmonopol aufzugeben. Folglich rechne ich mit einer Fortsetzung der Politik des - wie es in der deutschen Finanzmetropole Frankfurt heißt - "als weider so". Also weiterhin Geld drucken, die dadurch erst ermöglichten Auswüchse der Großspekulanten im Bankiersgewand durch eine Flut neuer Gesetze und Regulierungen zu dämpfen versuchen und dem Volk Sündenböcke für den erlittenen Wohlstandsverlust der Geldentwertung präsentieren.




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